Pyramiden von Giseh
Der Wüstenschifffahrtskapitän
Samir Ramdan Helmi, 42, arbeitet als Kamelführer an den Pyramiden von Giseh
"Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht vor den Pyramiden fotografiert werde. Ich habe mich schon einige Male gefragt, wie viele Menschen ein Bild von mir in ihren Alben besitzen. Der Gedanke gefällt mir. Ich war noch nie in einem anderen Land, doch mein allergrößter Traum ist eine Weltreise. Durch die Fotos habe ich das Gefühl, wenigstens als Fotomotiv aus Ägypten herauszukommen.
Meine Familie wohnt in der Siedlung Kafr el-Gebel, ganz in der Nähe. Mit dem Blick auf die Pyramiden bin ich aufgewachsen. Er bedeutet, zu Hause zu sein. Lange war mir gar nicht klar, was die Pyramiden eigentlich sind. Sie waren einfach immer schon da. Erst durch die Touristen erfuhr ich, was sie besonders macht. Leider war ich nur einmal kurz in ihrem Inneren. Das ist Jahre her, und viel sehen konnte ich auch nicht.
Seit wann ich schon Kamelführer bin? Vielleicht 25 Jahre. Ich habe nie anders Geld verdient. Mein Kamel namens Charlie Brown arbeitet seit zwölf Jahren mit mir. Mein Bruder hat Mickey Mouse. Manchmal gehen wir gemeinsam auf Tour.
Charlie Brown bedeutet mir viel. Ohne ihn bin ich nichts. Vom Rücken eines Kamels hat man den besten Blick über das Plateau. Leider kurven jetzt immer mehr Menschen mit Beach Buggys um die Pyramiden. Die passen doch gar nicht hierher!
Bis heute rätsele ich, wie unsere Vorfahren die Pyramiden bauen konnten. Und dennoch: Die Magie des Ortes stammt nicht von Menschenhand, sondern entsteht durch die Wüste. Nichts stimmt mich zu¬friedener als nach Feierabend mit einer Tasse Tee im Sand zu sitzen. Alles um mich herum wirkt dann sanft und friedlich. Ich glaube, dieses Hochgefühl kann nur die Natur auslösen."
Berg der Kreuze
Die Reinemachefrau
Dalia Maiziuviene, 58, sorgt am litauischen "Berg der Kreuze" für Ordnung
"Manchmal nehme ich mir Zeit, die Inschriften an den Kreuzen zu lesen, die Wünsche und Dankesworte der Gläubigen aus aller Welt. Die meisten dieser Menschen bitten darum, gesund zu bleiben. Das täte doch keiner, wenn es zu nichts führen würde! Schon als kleines Mädchen haben mich meine Großeltern zu diesem Hügel mitgenommen. Er hat eine besondere Kraft – mit diesem Glauben bin ich aufgewachsen. Der Legende nach gehen Gebete hier aber nur in Erfüllung, wenn man sein Kreuz mit den eigenen Händen hergetragen und eingegraben hat. Auch daran glaube ich.
Auf unserem Hügel stehen Kreuze aller Größen und Farben. Aus Metall, Holz, Plastik; verziert mit Heiligenbildern, Plüschtieren. Studenten haben angefangen, sie zu zählen. Bei 55 000 Kreuzen gaben sie auf. Manche Besucher sind ergriffen, wenn sie diese Masse sehen, fallen auf die Knie und beten. Oft fragen sie mich, wo sie ihr Kreuz aufstellen sollen, dann helfe ich.
Früher habe ich die Kälber einer Farm gefüttert, seit vier Jahren arbeite ich nun hier. Zu tun ist immer. Täglich Stufen fegen, Gras schneiden, Dosen einsammeln und Kreuze aufrichten, die der Wind umgeworfen hat. Ich mag die Arbeit, nur eines nicht: Toiletten putzen.
Ich bin gern allein hier. Wenn keine Pilger am Kreuzberg sind, höre ich es leise knarren, klirren und sirren, sobald eine Brise weht: Sie lässt die Rosenkränze aneinanderschlagen, die zu Hunderttausenden an den Kreuzen hängen. Wie ein gigantisches Windspiel."
Zum jährlichen Festgottesdienst am letzten Sonntag im Juli komme ich natürlich mit Mann und meinen drei Söhnen. Wir sind nicht sehr religiös, aber auch ich bete dann dafür, nicht krank zu werden. Wer gesund ist, kann sich seine Träume erfüllen. Und vielleicht schaffe ich es eines Tages mit den Enkeln doch ins Disneyland."
Orakel von Delphi
Der Statuen-Sanitäter
Loukas Mauropoulos, 32, ist Restaurator an der Ausgrabungsstätte von Delphi
"Vor einigen Wochen habe ich hier im Archäologischen Museum eine antike Götterstatue restauriert. Ein Stück Arm war abgebrochen. Da kam diese ältere Dame, keine Ahnung woher, und sah mir zu. „Werden sie ihn retten?“, fragte sie ernst. Ich fand das irrsinnig komisch und musste lachen. Obwohl sie eigentlich recht hat. Ich rette Relikte aus der Vergangenheit vor dem Zerfall. Wenn ich an einem Stück arbeite, frage ich mich oft, wer wohl der Mensch war, der es einst geschaffen hat. Was hat ihn bewegt? Wie hat er gelebt? Ich kann mich in solchen Gedanken verlieren.
Ich habe in meinem Leben verschiedene Jobs gehabt, zuletzt war ich Skilehrer auf dem Parnass. Aber den ganzen Tag Schnee, das gefiel mir als Grieche nicht. Seit 13 Jahren arbeite ich hauptsächlich an der Ausgrabungsstätte von Delphi. Das ist ein Privileg, aber auch eine Verantwortung, die mir manchmal Angst macht. Habe ich mit Artefakten zu tun, die Jahrtausende alt sind, darf ich mir keinen noch so winzigen Fehler erlauben. Niemals.
Letztlich ist es wenig verwunderlich, dass ich hier gelandet bin. Ich wuchs in Delphi auf und wollte schon als Junge alles über die alten Götter wissen. Und über die Mythen, die sich um den Ort ranken. Am liebsten bin ich an der Grabungsstätte. Zwischen den Ruinen des antiken Delphi scheint die Zeit stillzustehen. Manchmal laufe ich dann die heilige Straße zum Apollon-Tempel entlang. Ich stelle mir vor, wie Herrscher und Heerführer früher diesen Weg gingen, um das Orakel zu befragen. Das hat etwas Erhebendes."
Petersdom zu Rom
Der Mann mit dem Schlüssel
Attilio Battifoglia, 61, verdient sein Geld als Aufschließer und Aufseher im Petersdom zu Rom
"Arbeit in einem einzigen Wort: ruhig. Meist stehe ich stundenlang und passe auf, dass sich alle benehmen. Die besten Momente des Tages: Wenn ich morgens aufschließe und abends wieder absperre, dann habe ich St. Peter ganz für mich. Es ist beeindruckend und auch einschüchternd – nur ich und die Kunst, die Gemälde, die Statuen. Sonst teile ich das alles mit bis zu 20 000 Besuchern täglich, meist Italien-Touristen.
Wir 75 „Sanpietrini“ achten darauf, dass sie sich wie Pilger verhalten, das hier ist schließlich ein Gotteshaus! Wir sorgen dafür, dass die Besucher weder auf dem Boden sitzen noch etwas anfassen, nicht laut sprechen oder eine Absperrung missachten. Und wir halten die Kirche in tadellosem Zustand. Jeder von uns ist Handwerker. Tischler oder Elektriker zum Beispiel. Ich als Schmied repariere klemmende Türen. Während die einen den Marmorboden der Basilika bohnern, putzen andere zweimal jährlich den 29 Meter hohen Bronze-Baldachin von Gian Lorenzo Bernini über dem Hauptaltar. Das grenzt an Akrobatik.
Kaum zu glauben, dass ich schon seit 1974 hier arbeite. Alltagstrott hat sich dennoch nie eingestellt. Mit Menschen aus aller Welt zu reden, empfinde ich als das Schönste an meinem Beruf. Ihre Bewunderung für St. Peter führt mir stets wieder vor Augen, wie einzigartig dieser Ort ist. Was ich über die Kunstschätze weiß, gebe ich gern weiter. Nur eine Frage kann ich langsam nicht mehr hören: Wo ist die Sixtinische Kapelle? An manchen Tagen beantworte ich sie Aberhunderte Male. Das ist, über die Jahre, etwas ermüdend."
In seiner Ausgabe 6/2008 geht GEO Special der Magie weiterer Orte auf den Grund. Das Magazin kostet acht Euro und ist am 3. Dezember 2008 erschienen.