GEO Special: Herr Pol, für GEO Special sind Sie in die Luft gegangen – so viel Hoch-Mut wurde mit einem außergewöhnlichen Panoramablick auf den Staubbachfall belohnt. Wie viel Aufwand haben Sie betrieben?
Andri Pol: Normalerweise versuche ich telefonisch, bei Ortskundigen in Erfahrung zu bringen, wann der Lichteinfall auf das Fotosujet am besten ist. Um mir einen Eindruck zu verschaffen, suche ich dann nach Bildern, die mein ausgewähltes Motiv bereits zeigen. Beim Betrachten der Fotos ist mir aufgefallen, dass der Staubbachfall eigentlich immer von unten und oft der Dramatik wegen im Gegenlicht fotografiert wird. Zudem fokussiert man bei einem solch eindrücklichen Sujet unweigerlich auf den Wasserfall. Mich aber hat das Gesamtbild inklusive Bergpanorama sehr fasziniert. Eine Klischee-Ansicht sollte es aber nicht werden, deshalb kam mir der Gleitschirm in den Sinn. Der Thermik wegen konnten die Flüge nur morgens stattfinden – Gott sei Dank, denn am Nachmittag hätte ich die Aufnahme wegen zu starkem Gegenlicht womöglich nur in die andere, langweiligere Richtung machen können.
GEO Special: Welche Herausforderung war die größere – die Klischees, die Sie überwinden wollten, oder doch der Höhenflug?
Andri Pol: Die größte Herausforderung bestand tatsächlich in erster Linie darin, mich zu überwinden, überhaupt in den Gleitschirm zu steigen. Dies war mein Jungfernflug. Ich war mehr als froh, dass ich mich auf das Fotografieren des Wasserfalls konzentrieren konnte – und den Blick nicht in die Tiefe werfen musste...
GEO Special: In die Tiefe zielen Ihre Fotografien dennoch. Sie legen eine Schweiz frei, die üblicherweise unter Schokoladenseiten vergraben ist. Wie schaffen Sie es, ein Land anders zu zeigen, das jeder bereits zu kennen glaubt?
Andri Pol: Mein Auge funktioniert so, dass ich den Altreifenhaufen neben dem schönen, mit Geranien geschmückten Bauernhaus nicht ausblenden kann. Deshalb tauchen die Reifen dann auch auf dem Bild auf. Ich habe nicht nach der idealisierten, antiseptischen Schweiz gesucht. Wie an jedem Ort gibt es auch hier Widersprüche und Gegensätze. Aber erst diese machen Menschen und Orte interessant. Erst durch sie spüre ich diese Neugier, die Voraussetzung für meine Fotos ist.
GEO Special Schweiz
Das neue Heft hat 164 Seiten und liegt mit den besten Tipps für die Schweiz seit 28. Mai am Kiosk.