Mehr über die Cheltenham Science Week

Kann man 850 Menschen, die an einem Samstagabend in eine ziemlich kalte Werkshalle gekommen sind, mit einem dreiminütigen Vortrag über die Bewegungskoordination von Stabheuschrecken von den Sitzen reißen? Man kann! Kann man 850 Menschen allen Alters, Schüler wie Senioren, mit Initialzündungen im Immunsystem und Dunkler Materie im All, mit der Sehfähigkeit des Dungkäfers und Regelungstechnik über zweieinhalb Stunden hinweg immer wieder zu orkanstarkem Beifall und spontanen Begeisterungsausbrüchen animieren? Man kann!
Sie jedenfalls konnten es, die 15 Deutschlandfinalisten des FameLab-Wettbewerbs, die am 31. März in Bielefeld auf der Bühne des Ringlokschuppens standen, um Erkenntnisse aus Kybernetik und Kosmologie zu präsentieren, aus Materialforschung und Biologie, aus Hirnforschung, Physik und Chemie; jeweils nur 180 Sekunden lang.
Hollywood, polymere Zellen und Mückenmafia
Sie waren aus Forschungsstätten in Lübeck und Karlsruhe gekommen, aus Potsdam und München, aus Darmstadt und Berlin, aus Itzehoe, Hamburg und Leipzig. 15 junge Frauen und Männer, die ihre Vorträge "Hollywood im Blutgefäß" nannten und "Polymere Zellen und Goethe", "Ein Herz für Mathematiker" oder "Mückenmafia". Und die Physik sangen und Robotik dichteten, die mit Nudelhölzern agierten und mit Handpuppen, mit Wurstersatz und Scherzartikeln; die Bälle ins Publikum schleuderten, um Zentrifugalkräfte zu demonstrieren; und Babyattrappen von sich warfen, um den Widerstand gegen Embryonalzellen anschaulich zu machen.
Wissenschaft von Verrückten? Natürlich nicht. Nur Wissenschaft, die mitreißen will. Und genau dies auf eine Art schafft, die in eher klassischer Vortragskunst geschulten Akademikern wohl den Atem raubte. Selbst dann, wenn es um Krebsforschung geht. Aus Thesenpapieren werden bei FameLab Feuerwerke, aus erkenntnistheoretischem Trockenobst wird bei FameLab eine blühende Wiese. Und aus jungen, begabten Wissenschaftlern aus Deutschland werden bei FameLab Erzähltalente mit Charisma. Um Erkenntnis und solide Fakten geht es, aber ganz besonders um eine möglichst attraktive Art, schwierige Materie auch Laien zu vermitteln - und sie zu einem Genuss für den Denkapparat zu machen.
Initianten: das "British Council", Großbritanniens Goethe-Institut, und das Wissenschaftsbüro der Bielefeld Marketing GmbH. Förderer: Wissenschaft im Dialog, der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Medienpartner und Sponsor: GEO, das durch seinen Chefredakteur auch in der Jury vertreten war.
Dem Deutschlandsieger winkt die Teilnahme an der "Cheltenham Science Week"
Als Deutschlandsieger 2012 wird Dr. Timo Sieber, beschäftigt mit molekularer Krebstherapie am Universitätsklinikum Hamburg, zur "Cheltenham Science Week" fahren, wo er mit den Landessiegern aus rund 20 weiteren Nationen um die internationale Krone in der Wissenschaftskommunikation kämpfen wird. Und dort wohl einmal mehr die Spezialisierung von Zellen erläutern wird, eine Zellfähigkeit, die er schon deshalb lobte, weil er selbst sonst nur "als matschiger Haufen" vor seinem Publikum stehen könne. Der zweite Preis, eine Reise in den "Wissenschaftssommer", ging an Iris Kröger vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, die eine dreiminütige "Tatort"-Ausgabe inszenierte, in der Wasserflöhe den Sumpf aggressiver Mücken austrockneten. Und den Publikumspreis erhielt der Bielefelder Biologe Jan Marek Ache, in einem Beifallsvulkan gefeiert für seine Fähigkeit, die Motorik von sechs Insektenbeinen und deren Bedeutung für die Avantgarde-Robotik in die Poesie großer Gebrauchslyrik zu kleiden.
Fortsetzung folgt 2013.
Mehr zum Thema FameLab
Die Homepage von FameLab Deutschland