„Für mich ist das größte Problem der amerikanischen Gesellschaft die Kriminalität. Vor allem in jenen Vierteln, in denen es keine Infrastruktur gibt, in denen die Menschen, häufig Afroamerikaner oder Latinos, ohne Perspektive aufwachsen.
Jahrelang haben wir versucht, diese Kriminalität mit drakonischen Strafen zu bekämpfen und mit aufgestockten Polizeieinheiten. Damit sind wir gescheitert.
Nun hat ein Programm der kalifornischen Stadt Richmond, durch das potenziellen Gewalttätern ein monatliches Stipendium von umgerechnet bis zu 1000 Euro gewährt wird, wenn sie niemanden erschießen, einiges Aufsehen erregt.
Es ist in der Öffentlichkeit sehr umstritten, weil es ein Grundprinzip der amerikanischen Gesellschaft umkehrt: Du wirst nicht für eine Leistung belohnt, die du erbracht hast, sondern dafür, dass du etwas unterlassen hast. Viele verstehen das nicht, sie halten es für ungerecht, dass Kriminelle Geld erhalten, während andere Bürger, die sich noch nie etwas zuschulden haben kommen lassen, leer ausgehen.
Ich kann das nachvollziehen. Dennoch bin ich der Meinung, dass es erlaubt ist. Ich würde sogar noch weiter gehen: In manchen Fällen ist es obligatorisch.
Mordrate um die Hälfte gesunken
Das höchste Gut einer Gesellschaft ist für mich das Leben ihrer Mitglieder. Und wenn es eine Möglichkeit gibt, es zu schützen, dann sollte man sie nutzen.
Seitdem das Programm in Richmond etabliert wurde, ist die Mordrate um die Hälfte gesunken. Stellen Sie sich vor, wie viele Menschen nun doch eine Zukunft haben, wie viele Mütter, Väter, Söhne, Töchter, Geschwister und Freunde nicht trauern mussten.
Wir wissen, dass in fast allen Städten mit hohen Kriminalitätsraten eng verflochtene Netzwerke aus wenigen Personen verantwortlich sind für einen Großteil der Straftaten. Nun hat man in Richmond einen Weg gefunden, diese Gruppen fast vollständig von Straftaten abzuhalten – und damit einige Leben zu retten, für relativ wenig Geld: Es ist deutlich günstiger, ein Stipendium an eine kleine Gruppe zu verteilen, als eine übergroße Polizeitruppe zu erhalten.“
Protokoll: Marc Bädorf