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Moral International Sollten Reiche höhere Bußgelder bezahlen?

Bußgeldbescheid
Ein Vorbild für Deutschland? In Finnland hängen Bußgelder vom Einkommen ab
© Stockfotos-MG / Fotolia
Alles andere wäre unfair, findet Tapio Lappi-Seppälä, Direktor des Instituts für Kriminologie und Rechtspolitik an der Universität Helsinki

„Warum müssen reiche Menschen in Finnland höhere Bußgelder bezahlen als arme? Weil es fair ist. Denn nur auf den ersten Blick scheint es gerecht zu sein, wenn alle das Gleiche zahlen. In Wirklichkeit trifft eine Strafe von 500 Euro Menschen unterschiedlich hart – je nachdem, ob jemand 2000 oder 200 000 Euro im Monat verdient. Für mich geht es dabei nicht in erster Linie um Abschreckung. Sondern um soziale Gerechtigkeit.

Wie in den anderen nordischen Ländern haben wir in Finnland eine starke Steuerprogression und hohe Spitzensteuersätze. Den Menschen hier ist der Gedanke vertraut, dass jemand, der viel hat, auch viel abgeben muss. Wir machen das schon lange so: Seit fast einem Jahrhundert hängen bei uns Bußgelder vom Einkommen ab. Wer wenig verdient, zahlt weniger, wer reicher ist, zahlt mehr.

Wenn jemand nur ein paar Kilometer pro Stunde zu schnell fährt, dann folgt die Polizei einem pauschalen Bußgeldkatalog. Bei schwereren Verstößen aber bestimmt sie zuerst die Anzahl der Tagessätze. Mindestens sechs Tage werden in Anrechnung gebracht, wenn jemand bei Rot über eine Ampel fährt.

Die Polizei sucht einfach nach der Steuererklärung

Die höchste Strafe sind 120 Tagessätze, aber die Gesamtsumme ist nicht gedeckelt. Sie richtet sich nach dem Jahresverdienst. Deshalb kann ein Millionär durchaus einen fünfstelligen Bußgeldbescheid bekommen. Eine falsche Aussage zum Einkommen stand früher unter Strafe; inzwischen sucht die Polizei einfach in einer Datenbank nach der Steuererklärung.

England und Wales haben unser System auch ausprobiert, das Experiment aber wieder abgebrochen, weil die Öffentlichkeit dagegen war – vor allem die Boulevardzeitungen. Bei uns dagegen sind sich fast alle einig. In einer Umfrage haben 70 Prozent diesem System zugestimmt.

In Ländern mit größerer sozialer Ungerechtigkeit fällt es wahrscheinlich schwerer, eine Mehrheit für unsere Methode zu finden. Aber auch Bundesstaaten in den USA wollen sie jetzt ausprobieren. Und es wird sich herausstellen, dass sie erfolgreicher ist als andere.“

Protokoll: Gesa Gottschalk

GEO Nr. 02/2017 - Atmen

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