Manche Menschen leben gänzlich monogam, sie lassen sich jahrzehntelang sexuell auf einen einzigen Partner ein. Andere dagegen sind höchst umtriebig, sie verlangen nach immer neuen Partnern, immer neuen erotischen Erfahrungen; selbst in einer festen Beziehung vermögen sie nicht die Treue zu halten.
Seit einigen Jahren haben Sexualforscher Hinweise darauf, dass der individuelle Hang zur Monogamie (oder eben nicht) zum Teil im Erbgut eines Menschen verankert ist. Dass also auch die Gene darüber mitbestimmen, ob jemand treu ist. Zu diesem Schluss kamen die Forscher nicht durch die Erbgutanalysen von Menschen. Sondern von Wühlmäusen. Der amerikanische Forscher Thomas Insel verglich mit seiner Arbeitsgruppe an der Emory University in Atlanta das Liebesleben zweier nahe verwandter Nager: der Wiesenwühlmaus und der Präriewühlmaus.

Die Wiesenwühlmaus lebt polygam
Ein Wiesenwühlmaus-Männchen paart sich mit vielen Weibchen und kümmert sich nicht weiter um seinen Nachwuchs. Auch das Weibchen betreibt keine besondere Brutpflege und überlässt den Nachwuchs schnell sich selbst. Anders die Präriewühlmaus: Junge Männchen und Weibchen finden zueinander und durchleben einen Liebesmarathon, der bis zu 40 Stunden dauert. Danach verbringen sie den Rest ihres Lebens gemeinsam und ziehen mit vereinten Kräften den Nachwuchs groß. Zudem verteidigt das Männchen seine Partnerin aggressiv gegen die Annäherung anderer.
Im Gehirn der beiden Wühlmausarten entdeckten die Forscher einen auffälligen Unterschied: In bestimmten Regionen des Vorderhirns der monogamen Präriewühlmaus-Männchen befinden sich weitaus mehr molekulare Andockstellen (Rezeptoren) für das Hormon Vasopressin, das zur Entstehung und Festigung sozialer Beziehungen beiträgt. Vermutlich fühlt sich die Präriewühlmaus daher in Gesellschaft ihres Partners besonders wohl, während es der Wiesenwühlmaus offenbar gleichgültig ist, ob sie einem vertrauten oder einem fremden Tier des anderen Geschlechts begegnet.
Bildung der Hormonrezeptoren ist entscheidend
Erbgutanalysen haben ergeben, dass die beiden Nagetiere unterschiedliche Versionen jenes Gens besitzen, das die Ausbildung der Hormonrezeptoren steuert: Bei der monogamen Präriewühlmaus ist das Gen etwas länger als bei der polygamen Wiesenwühlmaus. Als die Forscher ins Vorderhirn der liebestollen Wiesenwühlmaus-Männchen Kopien des Präriewühlmaus- Gens schleusten, erlebten sie Verblüffendes: Die Casanovas verwandelten sich in treu sorgende Partner, die fortan kaum mehr Interesse an anderen Weibchen hatten.
Wie Molekularbiologen herausgefunden haben, besitzen wir ebenfalls ein Gen für die Bildung der Hormonrezeptoren - und bei einigen von uns ist eine Variante länger als bei anderen. Sollte das Gen beim Menschen also ebenfalls dafür verantwortlich sein, dass manche ihren Partnern lebenslang treu sind, während andere jede Gelegenheit zum Seitensprung nutzen?
Zwillingsstudien weisen tatsächlich darauf hin, dass der Hang zur Monogamie eine genetische Grundlage hat. So untersuchten US-Forscher mehr als 500 Zwillingspaare und fanden heraus: Bei Männern stehen bestimmte Gen-Varianten mit der Qualität von Partnerschaften - etwa der gefühlten Verbundenheit - und so mit Treue in Verbindung. Doch welche Bedeutung genau dem Rezeptor-Gen dabei zukommt, konnten Studien bisher nicht eindeutig zeigen.
Einig sind sich die Forscher aber darin, dass es nicht ein "Treue-Gen" gibt, das über Monogamie oder Vielweiberei entscheidet. Das fanden unter anderem Schweizer Zoologen heraus, die das Erbgut von 25 Nagerarten untersuchten und die längere Variante des Gens – wie sie die treue Präriewühlmaus besitzt – auch bei vielen anderen Spezies fanden, die polygam leben.
Gene: Die Mischung macht's
Es scheint also, dass das Gen zwar eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für Monogamie ist. Es müssen offenbar im Erbgut neben der längeren Variante des Rezeptor-Gens noch andere Gene in bestimmten Versionen vorliegen, damit ein Lebewesen seinem Partner die Treue hält.
So kennen Forscher beim Menschen ein weiteres Gen, das auch im Zusammenhang mit seinem Bindungsverhalten steht: Dieses Gen regelt die Bildung von Rezeptoren für Dopamin, einen Signalstoff im Gehirn, der uns Aussicht auf Belohnung verspricht und uns so zum Handeln motiviert. Studien zeigen, dass Menschen mit einer bestimmten Variante dieses Gens aufgeschlossener für neue Erfahrungen sind – und damit vielleicht auch stärker zum Fremdgehen neigen.
Wahrscheinlich werden die Wissenschaftler noch viele weitere Bestandteile in unserer Erbsubstanz entdecken, die unser Liebesleben beeinflussen. Doch so komplex der Hang zur Monogamie oder die Neigung zur Sprunghaftigkeit auch sind, irgendwann werden Sexualforscher womöglich die genetischen Mechanismen vollends aufklären. Und wer weiß: Vielleicht gibt es dann einen Gentest, mit dem angehende Partner ihre Treue unter Beweis stellen können.