Das kurze Klicken der Kamera verwandelt das Bewusstsein der Menschheit. Denn als Bill Anders den Auslöser seiner Hasselblad-500 drückt, sieht er seinen Heimatplaneten so, wie ihn niemand zuvor erblickt hat: als eine kleine, bläuliche Murmel vor dem schwarzen Nichts. Ein schimmerndes Juwel mit weißen und grün-braunen Tupfen. Ein Wunder in der Weite des Universums.
„Von hier aus gesehen, ist die Erde eine grandiose Oase“, sagt Jim Lovell später, der ebenfalls an jenem 24. Dezember 1968 auf der ersten bemannten Reise zum Mond aus dem Bullauge von Apollo 8 schaut. Gut 380 000 Kilometer sind die Raumfahrer von ihrem Startplatz Cape Kennedy entfernt, als sie als erste Menschen den Erdball als Ganzes erblicken.
In der Finsternis des Universums wirkt dieser Planet, dessen Größe, Lage und Eigenschaften einzigartig günstige Bedingungen für das Leben bieten, verloren. Der Blick aus der Ferne offenbart, wie einmalig und zugleich verletzlich das Zuhause der Menschen ist. Wie klein, obwohl es seinen Bewohnern immer so gewaltig erscheint. Das Bild, das Bill Anders aufnimmt, wird weltberühmt. Denn bis dahin haben die meisten Menschen bestenfalls eine vage Ahnung vom Antlitz ihres Heimatplaneten.
Heute kennt jeder den Blick von oben. Die Erde ist ständig unter Beobachtung: Satelliten liefern detaillierte Aufnahmen von Meeren und Kontinenten, Wolken und Eispolen. Dabei sind dies nur kurze Momentaufnahmen in der Historie des Planeten: Denn die Gestalt der Erde verwandelt sich – ungemein langsam, aber unentwegt. Erst vor wenigen Millionen Jahren bekam unser Heimatplanet ein Aussehen, das seinem heutigen Antlitz nahe kommt: eine Zeitspanne, die in den Dimensionen der Erdgeschichte nicht mehr ist als ein kleiner Schritt.
Der Weg dorthin war gut 1000-mal so weit. Wer in Gedanken zum Ursprung der Erde reisen möchte, sollte seine Arme seitlich ausstrecken – denn das führt vor Augen, wie unvorstellbar lang die Zeit im Maßstab der Geowissenschaft ist: Liegt die Geburtsstunde der Erde an der äußersten Fingerkuppe der linken ausgestreckten Hand, so füllt die Entwicklung des komplexen Lebens gerade einmal die Länge der Rechten – das Zeitalter des Menschen ließe sich mit „einem einzigen Strich einer Nagelfeile auslöschen“, so der amerikanische Sachbuchautor John McPhee.
Beim Blick in diesen Abgrund der Zeit kann einen der Schwindel packen: Die ganze Strecke der Arme und die Breite der Schultern markieren jene riesige Zeitspanne, in welcher der Planet sich formte und einmal vermutlich nur knapp der vollständigen Zerstörung entging; in der er enorme Wandlungen erlebte, bis er schließlich seine heutige -Gestalt gewann. Und dabei auf wundersame Weise Bedingungen erschuf, unter denen bis heute das Leben erblüht.
Am Anfang gibt es nicht mehr als Staub. Die Biografie der Erde beginnt vor rund 4,5 Milliarden Jahren mit winzigen Materiekörnchen. Die Brösel sind Überreste jener unzähligen Sterne, die seit dem Urknall des Universums – rund neun Milliarden Jahre zuvor – entstanden und wieder verglüht oder explodiert sind. Jedes einzelne Teilchen ist Millionen Mal kleiner als ein Millimeter und besteht nur aus einigen Atomen chemischer Elemente, darunter Eisen und Magnesium, Silizium und Kohlenstoff.
Diese Winzlinge rotieren im äußeren Bereich einer Sternenanhäufung (der man dereinst den Namen „Milchstraße“ geben wird) um ein zentrales Gestirn: die Sonne. Sie ist in einer frühen Entwicklungsphase und hat ihre heutige Strahlkraft noch nicht erreicht. Doch die Anziehungskraft selbst dieses Sternenembryos ist schon so groß, dass Myriaden von Mikropartikeln ihn in einer Wolke umschwirren, statt hinaus in den Kosmos zu driften.
In diesem Urdunst verschmelzen einzelne Körnchen miteinander; immer mehr Bröckchen kommen zusammen, die wiederum mit weiteren kollidieren. Manche prallen voneinander ab, andere vereinigen sich zu Flocken, dann zu immer größeren Körpern. Für die nötige Haftung sorgen dabei chemische Verbindungen sowie eine schwache elektrische Anziehungskraft, die jedoch stark genug ist, um einzelne Teilchen aneinander zu fesseln.
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Langsam, aber stetig, lichtet sich die Wolke aus Sternenstaub, in deren Mitte zugleich die Energieabstrahlung der Sonne zunimmt. Zurück bleiben ein paar größere Klumpen. Manche dieser „Planetesimale“ haben nach einigen Zehntausend Jahren bereits mehrere Hundert Kilometer Durchmesser. Sie sind der Rohstoff der Erde – geboren aus Sternenstaub, gewachsen aus Trümmern. Pausenlos krachen die Kleinstplaneten aufeinander.
Nach unaufhörlichen Karambolagen fügen sie sich zu mächtigeren Gebilden zusammen. Eines dieser Planetesimale, die ständig wachsen, ist die „Proto-Erde“: ein Planet im Jugendalter, noch weit vom Aussehen unseres heutigen entfernt. Aber immerhin misst dieser Koloss nach einigen Dutzend Jahrmillionen schon 10 000 Kilometer im Durchmesser, gut drei Viertel des heutigen Erddurchmessers. Die Proto-Erde gleicht einer gigantischen glühenden Eierkohle; kahl, zernarbt und extrem heiß. Immer neue Trümmer treffen auf den jungen Planeten; hämmern auf ihn ein, brechen Krater und Schluchten. Jeder Einschlag erzeugt weitere Hitze. Auch der radioaktive Zerfall einiger Elemente treibt die Temperatur in die Höhe.
Es wird so heiß, dass Minerale und Erze mit der Zeit schmelzen. Die Urerde verwandelt sich in einen feurigen Ball, in dem sich die glühenden Gesteinsmassen umwälzen. Die schweren Elemente – vor allem Eisen und Nickel – finden bald keinen Halt mehr in den äußeren Bereichen und sinken durch die zähflüssige Materie hinab, immer weiter, bis zur Mitte des Planeten. Gleichzeitig steigen leichtere Elemente wie Silizium und Aluminium empor. Ein gewaltiger Vorgang, bei dem ungeheure Energiemengen freigesetzt werden, die den Glutplaneten weiter aufheizen. Auf diese Weise ordnet sich die Proto-Erde nach und nach in Schichten unterschiedlicher Materialien und Temperaturen: innen ein heißer, zweischichtiger, metallischer Kern, - darüber ein mineralischer Mantel – kühler, aber immer noch glutflüssig.
Im Lauf der Zeit spannt sich aus der Tiefe des Erdkerns ein großer Schutzschirm auf, der fortan den Planeten umgibt: ein Magnetfeld. Denn der flüssige äußere Kern wirkt wie ein Dynamo – wie ein Gerät also, das -mechanische in elektromagnetische Energie überführt. Ströme aus Eisen, die im äußeren Erdkern permanent fließen, funktionieren wie eine Spule aus Draht, die in einem schwachen Magnetfeld rotiert. Durch die Drehung der Spule beginnt in dieser ein elektrischer Strom zu fließen, der wiederum ein (jetzt sehr viel stärkeres) Magnetfeld erzeugt.
Im Erdinneren funktioniert das so: Unter dem Einfluss der Erdrotation windet sich das Eisen schraubenförmig zu den Polen des Erdkerns, und je näher es diesen Polen kommt, desto mehr kühlt es ab und sinkt deshalb schließlich wieder zur Kernmitte zurück. Diese „Konvektionswalzen“ aus Eisen stehen also etwa in der Richtung der Erdachse: Sie erzeugen elektrischen Strom, der ein magnetisches Kraftfeld aufbaut.
Es erstreckt sich weit in den Weltraum und lenkt den Ansturm elektrisch geladener Teilchen ab, welche die Sonne in dichten Strömen ringsum ins All aussendet. Dieser „Sonnenwind“ schlägt mit solcher Wucht auf das Magnetfeld, dass er es geradezu verbeult. Dem Sonnenwind sind auch die anderen Planeten ausgesetzt, die neben der Proto-Erde entstehen: Etwas näher am Zentralgestirn formen sich die heißen Massen von Venus und Merkur, jenseits der Erdbahn der Mars.
Zwei kleine Monde umkreisen den Roten Planeten. Womöglich hat er die Trabanten mit seiner Schwerkraft aus jenem dichten Gürtel von Gesteinsbrocken eingefangen, der die Erde sowie ihre drei Geschwisterplaneten aus Steinen und Metallen umgibt. Hinter diesem Asteroidengürtel, noch weiter entfernt von der Sonne, sammelt sich der Großteil der leichten, gasförmigen Elemente wie Wasserstoff und Helium. Die Gravitationskraft der erdnahen Planeten reicht nicht aus, um auch diese Substanzen einzufangen – sie entweichen daher in die äußeren Regionen des Sonnensystems. Dort kondensieren diese Gase und ballen sich wie die Staubkörner zu imposanten Gebilden zusammen: zu den Planetenriesen Jupiter und Saturn, zu Uranus und Neptun.
Noch weiter draußen, hinter Neptun, entstehen außerdem Kometen: Bälle aus Wassereis, gefrorenem Gas und Staub, die in weiten Bahnen die Sonne umkreisen. Manche dieser Vagabunden gelangen auf ihrer Reise durch das Sonnensystem bis zur Proto-Erde und bringen dem Planeten nach und nach immer mehr Wasser.
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Etwa 70 Millionen Jahre nach ihrer Geburt fegt die Proto-Erde ihre Umgebung leer: Sie ist jetzt so groß,
dass sie mit der Kraft der Gravitation alles verschluckt, was sich ihr nähert. Allmählich verebbt deshalb das Bombardement aus dem All. Aber gelegentlich kreuzen noch immer Himmelskörper den Weg des jungen Planeten, lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Einer von ihnen, so eine heute von vielen Wissenschaftlern vertretene Hypothese, wird sogar zur apokalyptischen Gefahr: Ein Brocken von der Masse des Mars – etwa einem Zehntel der heutigen Erdmasse – rast mit einer Geschwindigkeit von rund 36 000 km/h auf die Proto-Erde zu. Und nur dank eines Zufalls entgeht sie der Vernichtung: Denn das Himmelsgeschoss trifft den Planeten in einem relativ spitzen Winkel.
Eine winzige Veränderung des Aufprallwinkels – und die junge Erde wäre zerborsten wie eine Porzellankugel.
Der Zusammenstoß ist dennoch heftig genug, um die Energie von zehn Billionen Wasserstoffbomben freizusetzen. Ein riesiger Lichtblitz flammt auf und überstrahlt selbst die Leuchtkraft der Sonne. Dies ist der Schöpfungstag des Planeten „Erde“. Der Aufprall reißt große Teile aus der Proto-Erde heraus, lässt die Trümmer verdampfen und schleudert die Gesteinsschwaden zusammen mit Splittern des eingeschlagenen Brockens weit ins All. Eine mehrere Tausend Grad heiße Wolke aus Gasen und Gestein driftet um den beschädigten Planeten.
Darin werden nun die gleichen Kräfte wirksam, die einst die Proto-Erde aus Sternenstaub formten: Die Partikel ballen sich in unzähligen Kollisionen zusammen, und bald dominiert ein Brocken die anderen. Dieser verschmilzt mit immer mehr Klumpen, bis er nach einigen Monaten ganz allein die Erde umkreist. Der Mond ist aufgegangen. Anfangs kreist der Trabant, der im Verhältnis zur Erde so groß ist wie ein Tennisball zu einem Basketball, in nur 20 000 Kilometern Abstand. Aber nach und nach driftet er weiter ins All hinaus: Denn der Mond sorgt durch die Gezeiten, die er mit seiner Schwerkraft auf der Erde erzeugt und die wie ein Bremsklotz wirken, kontinuierlich für eine Verlangsamung der Erdrotation.
Den „Schwung“, den die Erde dabei verliert, überträgt sie auf den Mond, der wie eine Gondel an einem anfahrenden Kettenkarussell langsam davonzieht. Heute hat der Trabant eine Entfernung von rund 380.000 Kilometern zur Erde erreicht. Und Jahr für Jahr treibt er um knapp vier Zentimeter weiter fort. Erst wenn die Erde so langsam rotiert, dass sie für eine vollständige Drehung um die eigene Achse etwa einen Monat benötigt, wird der Mond eine stabile Entfernung erreichen. In diesem Endzustand wird unser Heimatplanet dem Mond dann immer die gleiche Seite zuwenden.
Ohne den Mond sähe es auf der Erde anders aus: Nach dem mächtigen Streifschuss aus dem All prägt der steinerne Begleiter nämlich entscheidend die weitere Entwicklung des jungen Planeten: Der Mond bremst nicht nur die Rotationsgeschwindigkeit der Erde, sondern stabilisiert auch ihre Bewegung im All. Denn wie die meisten anderen Himmelskörper wirbelt unser Planet um eine Achse, die aufgrund des heftigen Trümmerhagels der ersten Jahrmillionen leicht gegen die Ebene geneigt ist, in der er die Sonne umkreist.
Gefangen in unendlichen Pirouetten, würde diese Achse unter dem Einfluss der Sonne ihre Ausrichtung
im Raum ändern. Gemeinsam bilden Mond und Erde jedoch wie Hammer und Hammerwerfer ein Tandem: Der Trabant sorgt für eine Art Gegengewicht, das die Drehachse des Planeten recht stabil hält und dessen Bewegung verlangsamt.
Nur so vermag sich auf der Erde nach und nach ein beständiges und gemäßigtes Klima zu entwickeln – wichtige Voraussetzung dafür, dass Leben entstehen und sich erhalten kann. Doch bis dahin vergeht noch viel Zeit.
Nach dem Einschlag und der darauffolgenden Entstehung des Mondes ist die Erde zunächst noch eine lebensfeindliche Gluthölle. Die Kollisionsenergie hat den gesamten Gesteinsmantel des Planeten verflüssigt. Nur der metallische Kern ist weitgehend unversehrt geblieben.
Das Trommelfeuer von Trümmerresten, durch das die Masse des Planeten stetig zunimmt, lässt nun allmählich nach. Dennoch bleibt die Bedrohung aus dem Weltraum immer bestehen: Heute, so schätzen Forscher, trifft eine außerirdische Bombe von einem Kilometer Durchmesser im Schnitt einmal in einer Million Jahren auf die Erde. Als der Brockenschauer schwächer wird, kühlt die Oberfläche des Planeten allmählich ab und erstarrt an der Grenze zwischen dem flüssigen Gestein, dem Magma und dem kalten Raum des Universums.
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Fragile Flöße aus Basaltgestein entstehen, die auf den wabernden -Ozeanen aus glühender Magma dahintreiben. Schließlich überzieht die Kruste den glutflüssigen Untergrund wie Haut auf einer heißen Schokolade. Noch ist die Hülle zerbrechlich: Wieder und wieder reißen Spalten und Krater auf, durch die Magma in heftigen Vulkanausbrüchen hervorquillt. Feurige Lavaströme wälzen sich brodelnd über die basaltische Erdkruste. Türmen sich auf und modellieren eine bizarre, dunkle Felsenlandschaft. Vielerorts eher zäh wie Teer als fest wie Gestein.
In dieser Hexenküche entsteht die erste Atmosphäre. Denn mit der flüssigen Glut strömen auch Gase aus dem Untergrund empor. Über unzähligen Vulkanen stehen nun hohe Säulen aus Kohlendioxid, Stickstoff und Schwefelverbindungen. Sie treiben auch Wasserdampf in die Höhe, der aus dem Gestein frei wird. Zunächst ist diese Ur-Atmosphäre nicht mehr als ein Hauch, der über die glühenden Schlote und Schlackeflächen weht. Aber unaufhaltsam wallen Gasschwaden aus dem Untergrund hervor, bis sie als extrem dichte und heiße Dampfwolken den gesamten Globus bedecken.
Die Gashülle verändert den Planeten: Sie wirkt als Schutzschild gegen kleinere Geschosse aus dem All, aber auch gegen lebensfeindliche Anteile der Sonnenstrahlung. Zudem hält sie die Temperaturen an der Oberfläche relativ konstant – zusammen mit dem Mond verhindert sie jene massiven Temperaturschwankungen, die auf anderen Himmelskörpern ohne Atmosphäre üblich sind.
Als sich die Erde im nachlassenden Trümmerhagel abkühlt, verflüssigt sich der Wasserdampf in der Atmosphäre. Hoch oben kondensiert er zu Tropfen, die den Planeten in dichten Wolken umwehen und schließlich als Regenschwall herabrauschen. Dies ist nur möglich, weil sich der Planet in einem idealen Abstand zur Sonne befindet: rund 150 Millionen Kilometer entfernt. Nur wenig näher an dem heißen Stern – und alles Wasser würde verdampfen. Nur etwas weiter entfernt – und es würde vollständig gefrieren.
Anfangs aber erreicht der Wolkenbruch nicht den Erdboden: Die tieferen Regionen der Gashülle sind noch so heiß, dass die Güsse sogleich wieder verdampfen. Bald aber sinkt die Temperatur an der Oberfläche auf weniger als 100 Grad Celsius. Erste, siedende Wasserlachen bilden sich, die rasch zu tosenden Fluten anschwellen. Die Wassermassen sind bereits salzig: Zum einen trägt der Dauerregen jene Salz-, Salpeter- und Schwefelsäuren, die mit den vulkanischen Ausdünstungen in die Atmosphäre gelangt sind, wieder zur Erdoberfläche hinab. Zum anderen löst das Wasser Salze aus dem erstarrten Lavagestein.
Die Regenfluten verwandeln die Erde in eine dampfende Waschküche: Heiße Nebelschwaden ziehen über die Ebenen einer matschigen, feuchten Landschaft. Und da es kaum Täler gibt, in denen sich das Wasser sammeln könnte, steigt die Sintflut überall gleichmäßig an, bis vor etwa vier Milliarden Jahren ein im Durchschnitt vermutlich 1900 Meter tiefer Urozean fast den gesamten Globus bedeckt – und die vormals kahle Erde zum „Wasserplaneten“ wird. Einem Betrachter aus dem All wäre das aber kaum aufgefallen: Die Erde verbirgt die Fluten noch lange unter einer dichten, weißen Dunstschicht – und bietet damit etwa einen Anblick wie die Venus unserer Tage.
Von den ersten Regentropfen bis zum globalen Hochwasser vergeht wahrscheinlich nicht allzu viel Zeit: Einige Zehnmillionen Jahre könnten ausgereicht haben, um die Erde mit Meeren zu bedecken. Denn der Prozess verstärkt sich selbst: Das Regenwasser isoliert die Wärme der Erde, vergleichbar einer Dämmung in einem Hausdach. Deshalb entweicht immer weniger Energie des heißen Planeten in die Atmosphäre, die folglich im Kontakt mit dem kalten Weltraum schneller abkühlt. Die Folge: Immer mehr Wasserdampf regnet ab und füllt immer schneller den Ur-Ozean. Stellt man sich die Biografie der Erde noch einmal als die Spanne der seitlich ausgetreckten Arme vor, so zeigt sich: Die Erde ist jetzt noch nicht besonders alt.
Seit ihrer Geburt an den Fingerspitzen der linken Hand ist gerade einmal die Strecke bis zum linken Unterarm überwunden – die Ära der Menschen an der Spitze der rechten Hand ist noch weit entfernt. Doch schon jetzt, so vermuten einige Wissenschaftler, geschieht in warmen Regionen am Grund des Urozeans etwas für das ganze Sonnensystem womöglich Einzig-artiges: In der dünnen Kruste, die das Wasser des Ozeans vom heißen Erdinneren trennt, öffnen sich an manchen Stellen eigentümliche Schlote. Aus ihnen quillt eine ätzende, heiße Flüssigkeit voller Gase und Minerale. Beim Austritt in die kühlere Umgebung brauen sich die Stoffe zu neuen chemischen Verbindungen zusammen. Mitten in diesem Chemiecocktail wachsen organische – also auf Kohlenstoff basierende – Moleküle heran. Die Keime des Lebens.
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Eine der ersten dieser Substanzen ist vermutlich Essigsäure: eine Verbindung aus zwei Kohlenstoff-, zwei -Sauerstoff- und vier Wasserstoffatomen. Beim Verschmelzen dieser Stoffe wird Energie frei – sie hilft dabei, weitere Moleküle zusammenzubauen, etwa Kohlenhydrate (Zucker) und Aminosäuren. Die organischen Moleküle entwickeln sich, bis sie sich selbst vervielfältigen können und schließlich schützende Hüllen ausbilden. Auf diese Weise entstehen kleine, -aktive Zellen: In ihrem Inneren beginnen die chemischen Prozesse nicht mehr zufällig abzulaufen, sondern geordnet nach einer eigenen Organisation.
Diese Bioreaktoren vermehren sich und bringen kompliziertere Strukturen hervor – zögerlich, doch unaufhaltsam beginnt die Evolution des Lebens. Und nur jene Gebilde, die besonders gut an die Bedingungen der Umwelt angepasst sind, entwickeln sich weiter. Aber all dies vollzieht sich noch im Verborgenen und verändert den Planeten zunächst nur wenig.
Während sich im Wasser sacht das Leben regt, kommt der junge Planet nicht zum Stillstand. Denn aus dem Meer erwachsen die Kontinente. Langsam. Millimeter für Millimeter. Die Geschichte dieser dicken Gesteinsblöcke zählt zu den rätselhaftesten und kompliziertesten Kapiteln der Erdhistorie. Vermutlich beginnt sie vor rund 3,8 Milliarden Jahren an den Hängen vulkanischer Inseln, die vereinzelt aus den Wogen des weltumspannenden Gewässers hervorragen wie heute etwa die Alëuten vor der Küste Alaskas. Es sind Berge, gebildet aus magmatischem Gestein, das durch die Erdkruste aus dem heißen Untergrund des Planeten empordrängt. An der Erdoberfläche häuft es sich auf und erstarrt.
Über Jahrmillionen zernagen Wind und Regen die Felsen, lassen sie buchstäblich zerbröseln. Die Naturkräfte „erodieren“ das Gestein, wie Geologen sagen. Flüsse spülen die gelösten Basaltbröckchen ins Meer hinaus. Dort sammelt sich das Schwemm-Material in ruhigen Uferbereichen an den Flanken der Inseln als „Sediment“ und rutscht nach und nach weiter in den Ozean hinein. Ständig trägt das Regenwasser neues Material heran – mit der Folge, dass die Sedimentschichten auf der ursprünglichen Erdkruste immer dicker werden.
Gleichzeitig bricht diese dünne Kruste immer wieder an vielen Stellen auf. Die Bruchstücke schieben sich unter benachbarte Krustenteile und versinken schließlich in den heißen Untergrund des Planeten. Im abtauchenden Material ist Wasser gebunden, das in der Tiefe freigesetzt wird und langsam aufsteigt. Dabei verflüssigt es durch einen komplizierten chemischen Prozess das Gestein in seiner Umgebung.
Als Schmelze aber sind diese Minerale weniger dicht und somit leichter. Deshalb steigen sie als gigantische Blasen wie Luftballons in die höher gelegene Erdkruste, kühlen dort ab und erstarren. Während des Aufsteigens im unterirdischen Reich aber haben sich die Stoffe in ein ganz neues Gestein verwandelt: in Granit, eine Mischung aus den Mineralen Feldspat, Glimmer und Quarz. Und weil sich dieser Vorgang ständig wiederholt, wächst der Anteil des Granits in der Kruste immer weiter – das neue Material wird zum wichtigsten Baustoff der Kontinente.
Nach und nach werden diese Granitblöcke sowie das Vulkangestein und die Sedimente zur kontinentalen Kruste zusammengebacken. Manche dieser dabei entstehenden Gebilde sind vielleicht so groß wie die heutige Insel Ibiza. Andere haben eher die Gestalt Islands. Diese Kontinent-Embryos unterscheiden sich grundsätzlich von der übrigen ozeanischen Kruste aus erkaltetem Magma, die den ganzen Planeten überzieht und vom Meer überspült wird: Die Baby-Kontinente sind wegen ihres hohen Granitanteils leichter und widerstandsfähiger.
Und immer wieder rutscht die schwerere ozeanische Urkruste von den Seiten unter die leichteren Mikrokontinente. Neue Granitblasen entstehen und steigen auf. Folge: Die kontinentalen Inseln werden schließlich so dick und hoch, dass die Wellen des Urozeans nicht mehr über ihnen zusammenschlagen. Diese Inseln sind die Vorläufer jener Kontinente, die einmal Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen bieten werden.
Anfangs sind diese Eilande öd und leer. Keine raschelnden Wiesen, keine rauschenden Wälder. Nur kahler Felsen. Doch der ist nicht statisch: Vielmehr begeben sich die Inseln auf eine Reise über den Globus. So gestalten sie fortwährend das Bild der Erde um, als wäre sie eine einzige riesige Baustelle. Wissenschaftler haben diesem erstaunlichen Prozess daher den Namen „Plattentektonik“ gegeben, benannt nach dem altgriechischen Wort tekton für „Bauhandwerker“. Er beginnt wahrscheinlich bereits vor mehr als vier Milliarden Jahren, als sich an der Oberfläche der glühenden Erde eine erste primitive Kruste bildet.
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Um zu verstehen, wie die Plattentektonik ganze Kontinente versetzen kann, muss man bis in das Innere des Planeten hinuntertauchen: Das äußere Krustengestein des Planeten ist ja vielerorts kaum mächtiger als einige Dutzend Kilometer. Es macht insgesamt gerade einmal 0,5 Prozent der Erdmasse aus. Im Erdmantel darunter ist die einstige Glutkugel bis heute nicht erkaltet, sondern heiß und dadurch plastisch.
Die hohen Temperaturen und der Druck der Massen machen das Gestein dort zwar nicht flüssig wie Öl oder Wasser – aber sie überführen das Material in einen speziellen Zustand, der dem eines Gletschers gleicht: Dessen Eis ist so plastisch, dass es unter dem Einfluss der Schwerkraft außerordentlich langsam talwärts fließt. Zugleich wirkt es aber hart und spröde, unter Schlägen zerbricht es.
Ähnlich verhält sich das Gestein des Erdmantels: Es kann fließen, ziehen und schieben – aber nur so langsam, wie ein Fingernagel wächst. Die Wärme des Erdmantels stammt zu einem Großteil aus der heißen Entstehungsphase der Erde: Sie ist dort seit Jahrmilliarden gespeichert und entweicht nur sehr langsam nach oben. Zudem führt der Zerfall der radioaktiven Elemente Uran, Thorium und Kalium dem Erdmantel ständig Energie zu, und auch der wesentlich heißere Erdkern gibt Wärme an den darüberliegenden Mantel ab. Im Kern, wo sich schon in den ersten Lebensjahren der Erde Eisen und Nickel sammelten, herrschen bis heute Temperaturen von mehr als 6000 Grad Celsius; es ist dort heißer als an der Oberfläche der Sonne.
Diese kaum vorstellbare Gluthitze entstand ebenfalls am Anfang der Erdgeschichte, als der gesamte Planet eine aufgeschmolzene Kugel war. Weitere Energie schöpft der Erdkern heute aus einem chemischen Umwandlungsprozess von Eisenmolekülen, den Geologen „Ausfrieren“ nennen: An der Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel – dort, wo der Kern Wärme an den Mantel abgibt – erreicht das Mantelgestein seine höchste Temperatur und dehnt sich aus.
Somit wird es etwas leichter als die weiter oben liegenden Gesteinsschichten und drängt in die Höhe – etwa so, wie kochendes Wasser in einem Topf vom heißen Grund auf der Herdplatte an die Oberfläche sprudelt.
Das warme aufsteigende Gestein verdrängt kälteres, das daraufhin in die Tiefe strömt. So wabert das heiße Gestein in einem beständigen Kreislauf zwischen Aufwärmen und Abkühlen. Wissenschaftler schätzen, dass ein solcher Zyklus bis zu einer Milliarde Jahre dauern kann.
Diese „Konvektion“ ist der Puls des -Planeten. Die innere Bewegung der Erde ist die Energie, die seit Urzeiten die Wanderschaft der Kontinente antreibt. Sie ist der Motor der Plattentektonik. Und der funktioniert so: Kommt das träge fließende Gestein im Erdmantel der Oberfläche näher, lässt der Druck allmählich nach. Dadurch sinken die Schmelztemperaturen der Minerale, und sie verwandeln sich schließlich in flüssiges Magma, das sich wegen seines relativ geringen Gewichts den Weg nach oben bahnt und schließlich die Kruste an der Oberfläche durchbricht. Es entstehen Spalten und Brüche, aus denen das Magma hervorquillt. Sie durchziehen die gesamte Oberfläche des Planeten wie Risse im Firnis eines alten Gemäldes. Nach und nach verbreitern sich diese Risse, und es entsteht ein Mosaik aus voneinander getrennten Platten.
An den Rändern dieser Platten erstarrt das aus dem Erdinneren aufsteigende Magma zu neuer Kruste. Weil die Konvektion unaufhörlich neues Material nach oben treibt, drängt jeder neue Millimeter der Gesteinsstarre die ältere Kruste zur Seite. Folge: Die Platten verschieben sich mitsamt der Kruste auf dem heißen, beständig zäh fließenden Untergrund. Langsam, aber unaufhaltsam: mal weniger als einen Zentimeter pro Jahr, mal bis zu zehn Zentimeter.
Eigentlich nicht viel – aber in den Zeitdimensionen der Erdgeschichte kommen große Strecken zusammen. In zehn Millionen Jahren können auf diese Weise 1000 Kilometer neue Kruste wachsen. Doch der Platz ist begrenzt, die Oberfläche der Erde wird ja nicht größer. Also muss es irgendwo einen Ausgleich für das unablässige Wachstum geben – irgendwo muss die alte Kruste wieder verschwinden.
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Das geschieht dort, wo zwei Platten aufeinandertreffen. Dann schiebt sich eine der Platten unter die andere und taucht in den plastischen Untergrund ab. In der Tiefe nehmen Druck und Temperatur zu, sodass das Gestein immer dichter und schwerer wird und weitere Teile der Platte mit ihrer Kruste nach sich zieht. Auf diese Weise entsteht ein gewaltiger Kreislauf: Während an einigen Stellen Magma aus dem Boden quillt und die angrenzenden Platten auseinandertreibt, versinken sie andernorts wieder im formbaren Erdmantel.
Einzig den Kontinent-Embryonen, die sich vor Jahrmilliarden vorwiegend aus Granitgestein geformt haben, bleibt dieser Zyklus aus Schmelzen und Erstarren von Beginn an erspart: Denn die kontinentalen Platten haben eine geringere Dichte als die ozeanischen (sind also, auf das gleiche Volumen bezogen, wesentlich leichter) und können daher bei der Kollision zweier Platten nicht ins Erdinnere abtauchen. Sie schwimmen seit jeher wie Korken an der Oberfläche eines Wasserstroms auf der nächst tieferen Schicht des Erdmantels.
Doch die Plattentektonik schiebt die Platten der Erde so ungeordnet umher, dass die Kontinente zwangsläufig von Zeit zu Zeit aufeinandertreffen – und aneinander hängen bleiben. Und manchmal vereinen sich nahezu sämtliche Großinseln zu einem „Superkontinent“. Der erste entsteht vermutlich vor etwa 3,3 Milliarden Jahren. Wissenschaftler haben dieses Rieseneiland „Vaalbara“ genannt – nach den Namen jener Gegenden, in denen sich heute Spuren ihrer Existenz finden: der australischen Region Pilbara sowie Kaapvaal im Süden Afrikas.
Rund 600 Millionen Jahre vergehen, bis die gleichen geologischen Kräfte, die den Superkontinent zusammengefügt haben, ihn auch wieder zerreißen. Denn die Drift der Platten auf den glutheißen Konvektionsströmen des Erdmantels ist so unbeständig, so unberechenbar, dass die Naturgewalten bald auch dort ziehen und zerren, wo sie einst geschoben und gepresst haben.
Gut 200 Millionen Jahre später kommt es im Wasser der Ozeane zu einer weiteren Revolution. Manche der unzähligen einzelligen Lebewesen, die aus den ersten Anfängen des Lebens hervorgegangen sind – die Cyanobakterien – haben eine besondere Eigenschaft entwickelt: Sie nutzen die Strahlen der Sonne, um energiereiche Substanzen aufzubauen.
Dieser Prozess der „Photosynthese“ ist eine der bedeutendsten biochemischen Reaktionen der Natur und läuft noch heute in jeder grünen Pflanze ab.
Die Cyanobakterien, die allmählich in riesigen Kolonien das Meer bevölkern, verändern vor rund 2,5 Milliarden Jahren die Bedingungen des Planeten radikal. Denn als Abfallprodukt entsteht bei der Photosynthese freier Sauerstoff – und die Bakterien produzieren nun so viel von diesem Gas, dass sich die Erd-atmosphäre all-mählich verändert: Das zuvor lebensfeindliche Gemisch aus vulkanischen Gasen verwandelt sich in sauerstoffhaltige Luft – in jene Mixtur, ohne die auf Erden kein höheres Leben existieren könnte.
Doch dieser Glücksfall ist noch nicht alles. Als der Sauerstoff in große Höhen gelangt, spaltet ihn die energiereiche Strahlung der Sonne: Es entsteht Ozon – jene Substanz, die alle Organismen vor der schädlichen
UV-Strahlung aus dem Kosmos schützt. Erst als dieser Schutzschirm stark genug ist, kann sich das Leben aus den Ozeanen auch auf die trockenen Kontinente wagen. Bis dahin ist das Land gleichsam strahlenverseucht – keine Kreatur würde dort überleben.
Als Erste, wohl vor mindestens 800 Millionen Jahren, besiedeln Bakterien die Kontinente; ihnen folgen grüne Pflanzen. Sie machen aus den anfangs kargen und einförmigen Wüsteneien vielfältige, mitunter farbenprächtige Landschaften, in denen unterschiedlichste Organismen einen Lebensraum finden. Der Reigen der Kontinente geht unterdessen weiter: Alle 500 bis 700 Millionen Jahre vereinigen sich die beweglichen Scherben Vaalbaras mit später entstandenen Inseln zu einem Superkontinent: Kenorland, Hudsonland, Rodinia sind die Namen einiger Urländer, die vermutlich im Laufe der Erdhistorie wachsen und vergehen.
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Gemessen am Alter des Planeten, ist es noch nicht lange her, dass sich die Kontinente das letzte Mal zusammengeballt haben – im Bild der ausgestreckten Arme ist die Entwicklung der Erde zu diesem Zeitpunkt von ganz links bis zum Gelenk der rechten Hand vorangeschritten: Vor etwa 250 Millionen Jahren entsteht ein Großkontinent mit dem Namen „Pangaea“ („ganze Erde“). Diese Superinsel vereint beinahe das gesamte Festland auf unserem Planeten in einer einzigen Landmasse, die sich vom Nord- bis zum Südpol erstreckt.
Während die Drift der Erdplatten diesen Riesen zusammenschmiedet, tapsen die ersten Vierbeiner auf trockenem Boden umher. Es sind lurchähnliche Geschöpfe, die Vorfahren aller Landwirbeltiere. Pangaea liegt etwa 100 Millionen Jahre lang wie ein großer Halbmond, der sich nach Osten hin öffnet, auf unserem Planeten. Dann zerren ihn die Kräfte der Plattenbewegung wieder auseinander. Anfangs in zwei Fragmente, die sich dann langsam voneinander entfernen: Das eine zerfällt weiter in Nordamerika und Eurasien, aus dem anderen Bruchstück bilden sich Südamerika, Afrika, die Antarktis, Australien und Indien.
So kommt es, dass die Weltkarte heute wie ein Puzzle aussieht, dessen Teile sich zu einem Ganzen zusammenfügen lassen. Afrika passt an die Ostküste Südamerikas; dessen Nordküste an die Südostküste Nordamerikas. Vor etwa zehn Millionen Jahren erreichen die Splitter Pangaeas schließlich Positionen, die denjenigen bereits sehr nahe kommen, die heutzutage jede Weltkarte in den Atlanten wiedergibt.
In jener Epoche bricht die Morgendämmerung eines neuen Zeitalters an. Denn bei den Menschenaffen bilden sich vor vermutlich sieben Millionen Jahren aus einem gemeinsamen Vorfahren neue Arten, die fortan getrennte Wege gehen: Die eine Linie führt zu den Schimpansen, während die andere die Hominiden mit ihrem aufrechten Gang hervorbringt – und schließlich vor etwa 190 000 Jahren den Homo sapiens, den Menschen.
Er wird wie keine andere Kreatur die Erde gestalten, Flüsse umleiten und Seen austrocknen, auf der Suche nach Rohstoffen den Untergrund umwälzen und zugleich die Zusammensetzung der Atmosphäre verändern. Den Naturgewalten aber hat er nur wenig entgegenzusetzen. Auch das Mosaik der Erdplatten bringt der Mensch nicht zum Stillstand: So drängt derzeit beispielsweise ein großes Bruchstück des pazifischen Ozeanbodens jedes Jahr knapp zehn Zentimeter von Westen her unter den südamerikanischen Kontinent – und schiebt dabei die Bergketten der Anden immer weiter in die Höhe.
Und jene Platte, mit der der indische Subkontinent über den Globus wandert, taucht seit rund 40 Millionen Jahren um etwa fünf Zentimeter pro Jahr unter Asien ab und faltet dabei das HimalayaGebirge in die Höhe. Bei Kalifornien wiederum schrammen die Pazifische und die Nordamerikanische Platte so kraftvoll aneinander vorbei, dass immer wieder Erdbeben diese Region erschüttern.
Die Bewegung der Kontinente ist ungemein komplex. Aber so unaufhaltsam, dass sich schon jetzt in ihr die Zukunft ablesen lässt. In etwa 100 Millionen Jahren wird sich Nordamerika ein wenig gegen den Uhrzeigersinn drehen. Afrika presst Italien wie einen Rammsporn gegen Europa. Zerdrückt dabei das gesamte Mittelmeer mit einer solchen Wucht, dass sich von Spanien bis weit in den Mittleren Osten ein Gebirge aufschiebt. Der Atlantik wird nach Meinung des US-Geologen Christopher Scotese wahrscheinlich komplett verschwinden. Bis in rund 250 Millionen Jahren Nordamerika, Afrika, Europa, Asien und Südamerika abermals zu einer Landmasse zusammenwachsen.
Scotese hat ihr bereits einen Namen gegeben: „Pangaea Ultima“, die „letzte ganze Erde“. Was danach mit den Kontinenten geschieht, wagen Forscher nicht zu vermuten. Doch es wird gewiss nicht das letzte Mal sein, dass sich die Landmassen zu einem Ganzen zusammenballen. Das Zeitalter der Menschen ist zu jenem Zeitpunkt wohl ohnehin nur noch eine weit zurückliegende Episode in der Geschichte des Planeten, den die Naturgewalten unaufhörlich und unaufhaltsam weiter formen.
Denn beständig ist auf der Erde nur der Wandel.