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Abenteuer Expedition Mikrobiologie: Die Virenjäger

Kaum ein Erreger ist so gefährlich wie das tödliche, in Schwarzafrika verbreitete Marburg-Virus, das Betroffene oft innerhalb weniger Tage umbringt. Doch nach jedem Ausbruch verschwindet seine Spur. Drei Jahrzehnte lang versucht der südafrikanische Forscher Bob Swanepoel, das Wirtstier des Virus zu finden. Dann glaubt er sich am Ziel: Im August 2007 wagt er sich im westlichen Uganda in eine Höhle voller Fledertiere. Und riskiert dabei sein Leben

Lesen Sie einen Auszug aus dem neuen GEOkompakt "Abenteuer Expedition":

Lange bevor Bob Swanepoel das dunkle Loch im Dschungel sieht, kann er es schon riechen. Bereits am Fuß des Hanges, wo der Forscher seinen Geländewagen abgestellt hat, ist der Gestank von Ammoniak wahrzunehmen, zusammen mit einem schrillen Geschnatter in der Ferne.

Der Geruch umgibt Swanepoel und ein paar seiner Kollegen, während sie ihre blauen Schutzanzüge überstreifen, die Gummistiefel, ein Paar Handschuhe aus Latex und darüber feste aus Leder. Sie hören das ferne Tierstimmengewirr, während sie den transparenten Gesichtsschild anlegen, die Kopflampe und schließlich die Atemmaske mit den Spezialfiltern.

Jetzt, nachdem Swanepoel den Hang emporgeklettert ist, steht der grauhaarige Südafrikaner endlich vor der Quelle des Gestanks: einem schwarzen Loch von etwa zehn Meter Breite und drei Meter Höhe, halb verborgen im Dämmerlicht des ugandischen Regenwaldes. Ein heißer Luftzug weht aus der Öffnung und lässt die an ihrem Rand wachsenden Pflanzen erzittern. Das Dunkel dahinter ist in ständiger Bewegung: Tausende Fledermäuse und Flughunde flattern auf. Der Boden ist mit den Fäkalien der Tiere bedeckt.

Vor der Gold- und Bleimine von Kitaka im westlichen Uganda versammeln sich an diesem Tag im August 2007 einige der führenden Virenjäger der Welt. Pierre Formenty ist aus Genf gekommen, ein Experte der Weltgesundheitsorganisation. Auch die US-Gesundheitsbehörde CDC hat ein Einsatzteam entsandt, darunter den Ökologen Brian Amman und den Mikrobiologen Jonathan Towner.

Bob Swanepoel, 71, könnte längst im Ruhestand sein. Der Veteran unter den Virenforschern gehört zum Nationalen Institut für Infektionskrankheiten in Südafrika. Fast ein Vierteljahrhundert hat er dort die Abteilung für hochgefährliche Erreger geleitet, und noch immer ist er bei fast jedem Ausbruch tropischer Fieber dabei.

Riskante Situationen hat Swanepoel noch nie gescheut. Vor seinem Studium schuftete der Südafrikaner unter Tage, in einer Mine 600 Meter unter dem Meeresspiegel. Als Forscher reiste er von Epidemie zu Epidemie, immer an jene Orte, von denen andere in Panik flohen.

Dabei hatte er hautnah mit Krankheiten zu tun, deren bloße Beschreibung bei vielen Menschen Übelkeit verursacht. Hat mikroskopisch kleine Keime erforscht, die ihre Opfer auf grauenhafte Weise umbrachten. Jetzt ist Swanepoel nach Uganda gereist, weil er in der dunklen Höhle einen der tödlichsten Erreger der Welt vermutet: das Marburg-Virus.

Denn immer wieder ist es in dieser Gegend zu rätselhaften Todesfällen gekommen. Die Bewohner der umliegenden Dörfer erzählen von Bergleuten, die Blut erbrachen und dann starben, ehe die Grube vorübergehend geschlossen wurde. Vor Kurzem hat die Mine ihren Betrieb wieder aufgenommen – und erneut sind Arbeiter erkrankt. Als in

einer Blutprobe Marburg-Viren gefunden wurden, sind Swanepoel und Formenty so schnell wie möglich nach Uganda aufgebrochen.

Der Südafrikaner folgt der Spur des Erregers bereits seit einem halben Menschenleben. Doch wo immer das Virus in den vergangenen Jahrzehnten auch auftauchte: Nie hat Swanepoel mit Sicherheit bestimmen können, woher es gekommen war. Immer wieder hatte es sich in ein unbekanntes Versteck zurückgezogen. Diesmal aber, so glaubt der Forscher fest, ist er rechtzeitig an den richtigen Ort gereist. In dieser Höhle wird er den Erreger finden. Er schaltet seine Kopflampe ein und betritt die Höhle.

Innen schlägt ihm schwüle Hitze entgegen. Das schwarze Gestein glänzt feucht. Fledermäuse schrecken auf, fliehen mit spitzen Schreien in die Tiefe der Mine. Swanepoel weiß: Das Virus, das er sucht, kann außerhalb eines Tieres nicht lange überdauern, weil es sonst schnell von Hitze, Strahlung und Säuren zerstört wird. Es muss sich in einem der Höhlenbewohner verborgen halten.

Abenteuer Expedition: Bei einer Höhlenexpedition in Uganda fangen Forscher im Jahr 2007 Fledermäuse - um in deren Blut nach dem extrem gefährlichen Marburg-Virus zu suchen
Bei einer Höhlenexpedition in Uganda fangen Forscher im Jahr 2007 Fledermäuse - um in deren Blut nach dem extrem gefährlichen Marburg-Virus zu suchen
© Christopher Black/WHO

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Mindestens zwei Arten von Fledertieren leben in der Mine: eine kleinere Spezies, die sich von Insekten ernährt, sowie die größeren Nilflughunde. Diese Tiere mit den hundeähnlichen Schnauzen, von denen sich wohl mehr als 100 000 in den Schächten drängen, sind in weiten Teilen Afrikas verbreitet und schwärmen nachts aus, um in den Bäumen Früchte zu fressen.

Viele Tiere können Krankheitskeime übertragen

Auch Nagetiere, Insekten, Zecken und eine meterlange Kobra bewohnen die Höhlengänge. Fast alle könnten das Virus in sich tragen. Unter den Fledermäusen zirkulieren wahrscheinlich bereits die Tollwut und andere Krankheiten. Ratten und Mäuse sind bekannt als Überträger einiger der bedrohlichsten Viren überhaupt, darunter das Lassa-Virus, das wie der Marburg-Erreger zur höchsten Gefahrenstufe gerechnet wird: hochansteckend, oft tödlich, Impfstoff bisher unbekannt.

Die Bergleute haben davon berichtet, dass sie bei der Arbeit immer wieder von Zecken gebissen worden sind und dass einige der Männer danach Fieber bekamen. Die Parasiten sind Sammelbecken für Krankheitskeime. Einige Forscher machen sich deshalb jetzt in der Höhle daran, die Risse in den Minenwänden nach Zecken abzusuchen. Mit Pinzetten greifen sie die winzigen Tiere und sammeln sie in Plastikröhrchen.

Bob Swanepoel dringt jedoch weiter in die Tiefe vor: Er will den Platz in der Mine sehen, an dem einer der an Marburg-Fieber erkrankten Bergmänner gearbeitet hat. Von einem Arbeiter, der wie er in einem Schutzanzug steckt, lässt er sich den Weg zeigen. Im Schein seiner Kopflampe tastet sich der Südafrikaner tiefer in die Mine vor. Immer wieder stolpert er über den Schotter auf dem Grund, kommt nur langsam voran. Nischen und Nebengänge öffnen sich, in denen, von der Lampe angestrahlt, Hunderte von Augenpaaren aufleuchten – Kolonien von Fledermäusen und Flughunden.

Nach gut 100 Metern erreicht Swanepoel einen schmalen Querspalt, an dem die Höhlendecke fast den Boden berührt. Auf dem Bauch liegend, zwängt er sich hindurch, dann ist er dort angelangt, wo der infizierte Minenarbeiter geschuftet hat: in einem engen Tunnel.

Der Höhlenboden ist übersät mit Kadavern

Der Boden ist übersät mit halb verwesten Kadavern. Haben die Minenarbeiter versucht, die Flughunde auszurotten? Doch auch hier hängen die Tiere dicht gedrängt von der Decke; der Schutt ist gesprenkelt von Fäkalien. Am Ende des Ganges hatte der Bergmann das glitzernde Erz aus den Wänden geschlagen. Sechs, manchmal acht Stunden am Tag. Vermutlich trug er nur kurze Hosen und Sandalen. Hier ist das Virus wahrscheinlich in seinen Körper gelangt und hat ihn später fast umgebracht. Sich erbrechend, von Fieber und für die Ärzte unerklärlichen Anfällen heimgesucht, war der Bergmann von einem Krankenhaus zum nächsten gebracht worden. Dass er überlebte, erscheint fast wie ein Wunder.

Denn sein Bruder, der ihm während seiner Krankheit beigestanden hatte und ebenfalls in der Mine arbeitete, lag Tage danach selbst in der Klinik, geistig verwirrt und aus den Eingeweiden blutend, während der Erreger aus der Kitaka-Mine unaufhaltsam seinen Körper zerstörte. Neun Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome war der Mann tot.

All dies hat seinen Anfang in diesem finsteren Schacht voller toter und lebender Flughunde genommen, vermutet Swanepoel. Aber wie? Hat ein aufgeschrecktes Tier den Bergmann gebissen? Hat er versehentlich in Kot gefasst, sich später unwillkürlich mit den Fingern über Mund oder Augen gerieben? Oder hat sich ein Parasit in sein Bein gebohrt?

Bob Swanepoel weiß genau: Nicht einmal seine Montur bietet hundertprozentigen Schutz. Während ihm unter dem Plastikanzug der Schweiß herunterrinnt, plagt ihn die Vorstellung, eine infizierte Zecke könnte einen Weg unter die Lagen seiner Kleidung finden.

Die feuchtheiße Luft verstopft inzwischen die Atemfilter, Swanepoel bekommt kaum noch Luft. Schließlich kehrt er um, kriecht zurück durch den Spalt. Der Südafrikaner ist sich sicher, dass er das Versteck des Virus gefunden hat. Jetzt gilt es nur noch darauf zu warten, dass der Erreger mit seinem Träger das dunkle Loch verlässt.

(...)

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