Lesen Sie einen Auszug aus der neuen Ausgabe von GEOkompakt zum Thema "Die Signale unseres Körpers":
Gäbe man einem Ingenieur den Auftrag, den Menschen neu zu entwerfen – als ein Wesen, das auf zwei Beinen läuft, eine Wirbelsäule besitzt, spricht, Luft einatmet und Nahrung in einem Magen-Darm-Trakt verdaut – dann wäre eines sicher: Sein Entwurf sähe in vielem ganz anders aus als der Homo sapiens.
Gewiss, der Leib des Menschen ist ein Meisterwerk, eine ausgetüftelte biologische Maschine mit einem gut funktionierenden Denkzentrum, dem Hirn, das es uns als dem einzigen aller Tiere ermöglicht hat, die gesamte Erde zu erobern und uns gegen alle anderen Spezies zu behaupten.
Unser Körper steckt voller Konstruktionsfehler
Aber unser Körper steckt anscheinend auch voller Konstruktionsfehler. Zum Beispiel das Auge. Dort sind die Adern und Nerven auf der Außenseite der Netzhaut verlegt – also der dem Licht zugewandten Seite. Sie bündeln sich an einer Stelle der Augenrückwand und laufen in einem Strang Richtung Gehirn. Das ist etwa so sinnvoll, als würde man die Kabel des Sensors einer Digitalkamera, der das Bild aufzeichnet, über diesen hinweg und dann weiter ins Geräteinnere leiten.
Denn dort, wo die Nerven gebündelt das Auge verlassen, kann die Netzhaut kein Licht aufnehmen – sie hat einen blinden Fleck. Um den auszugleichen, muss sich unser Auge ständig hin und her bewegen, muss das Hirn auf komplexe Weise permanent Simulationen berechnen. Dagegen liegen etwa bei Tintenfischen die Gefäße ganz zweckmäßig hinter der Netzhaut, und die Meeresbewohner sehen auf der gesamten Fläche makellos.
Oder der menschliche Rachen. In ihm überkreuzen sich die Luft- und die Speiseröhre. Das bedeutet: Alles, was wir essen und trinken, muss auf dem Weg in den Magen über die Atemöffnung hinwegrutschen. Um zu verhindern, dass Nahrung hineinfällt, muss sich die Luftröhre jedes Mal schließen, wenn ein Bissen anrückt. Doch manchmal versagt dieser Reflex. Dann gelangt die Speise in die Luftröhre, blockiert unsere Sauerstoffzufuhr, und wir ersticken. Insekten kann das nicht zustoßen. Bei ihnen verlaufen die Atem- und Verdauungsorgane getrennt.
Und so geht es weiter: Unsere effiziente Schrittweise macht uns zwar zu einem der vielseitigsten Läufer im Tierreich: Wir können wandern, sprinten, auf einen Baum klettern oder über einen Graben springen. Doch zugleich sind unsere Füße, Knöchel und Knie sehr anfällig, verdrehen sich oft, zerren oder brechen und nutzen sich ab.
Oder die Adern des Menschen: Sie sind so ausgeklügelt, dass sie jedes Gewebe mit der exakt passenden Menge Blut versorgen. Doch dabei schlagen die Gefäße teils unerklärliche Wege, steile Kurven und Abzweigungen ein, die zu Wirbeln führen und den Blutfluss hemmen. Besonders an solchen Stellen droht ein erhöhtes Risiko, dass sie zerreißen oder sich mit Ablagerungen verstopfen, die tödliche Infarkte auslösen.
„Es ist, als hätte ein Mercedes-Benz-Designer Strohhalme für die Benzinleitung vorgesehen“, so die US-Wissenschaftler Randolph Nesse und George Williams. Und sie folgern: „Unser Körperdesign ist zugleich sagenhaft präzise und ungeheuer schlampig.“
Evolutionsmediziner fragen nach dem Warum
Die beiden Amerikaner zählen zu der Forscherriege der Evolutionsmedizin, die sich erst vor ein paar Jahren als eigene Disziplin etabliert hat. Anders als ihre Kollegen der konventionellen Zunft fragen Evolutionsmediziner nicht nur danach, wie etwas funktioniert, sondern auch nach dem Warum. Sie beschäftigen sich daher sowohl mit den Eigenheiten unseres Körpers als auch mit deren evolutionärer Geschichte und analysieren die Folgen für unsere Gesundheit.
Ihre Erkenntnis: Vieles von dem, was uns heute plagt – von Arterienverschluss über Hämorrhoiden bis zu schief stehenden Zähnen und Rückenschmerzen –, lässt sich auf zwei Ursachen zurückführen. Zum einen haben sich die Menschen im Laufe der Evolution zu Lebewesen entwickelt, deren Konstruktion vielen Kompromissen unterliegt. Zum anderen sind sie Organismen, die zwar anpassungsfähig sind, aber dafür viel Zeit benötigen. Doch sie leben in einer Welt, die sich zu schnell wandelt.
Beides kann krank machen. Aber je mehr die Forscher lernen, Gründe für gesundheitliche Leiden auch in der Evolutionsgeschichte des Homo sapiens zu suchen, desto besser lassen sich diese Leiden vermeiden.
Den vollständigen Text können Sie in der neuen Ausgabe von GEOkompakt zum Thema "Die Signale unseres Körpers" nachlesen.