ab 650 v. Chr.
Griechische Philosophen entwickeln ein Verständnis der Natur, nach dem die materielle Welt nicht dem Wirken verschiedener Götter unterliegt, sondern eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, die mathematisch dargestellt werden können. Bei ihren astronomischen Beobachtungen und Rechenmethoden greifen die Griechen häufig auf ältere Erkenntnisse der Babylonier zurück.
um 400 v. Chr.
Der griechische Philosoph Demokrit (460–370 v. Chr.) prägt gemeinsam mit seinem Lehrmeister Leukipp den Begriff "Atom" (von griech. átomos, "unzerschneidbar") zur Bezeichnung jener kleinsten Teilchen, aus denen seiner Vorstellung nach alle Stoffe zusammengesetzt sind.
um 350 v. Chr.
Einer der bedeutendsten Vertreter der antiken Naturphilosophie, der Athener Aristoteles (384– 322 v. Chr.), verfasst seine "Physikê akroasis" ("Physikalische Vorlesung"). Zwar werden sich die meisten seiner Theorien über das Wesen der Dinge, die er in dieser Schrift und anderen Werken niederlegt, später als falsch erweisen - etwa seine Elementenlehre, nach der alle Materie aus den Grundstoffen Erde, Wasser, Luft, Feuer und Äther besteht. Dennoch schafft er die geistesgeschichtliche Basis der Physik als Naturwissenschaft, die bis ins 20. Jahrhundert hinein gültig sein wird.
um 220 v. Chr.
Der griechische Mathematiker Archimedes (287–212 v. Chr.), der auch als Erfinder verschiedenster mechanischer Vorrichtungen berühmt wird, stellt die Hebelgesetze auf und formuliert das "Archimedische Prinzip", in dem er den Auftrieb von Körpern in Wasser beschreibt.
um 1020 n. Chr.
Gestützt auf zahlreiche Versuche mit Linsen und Spiegeln, schreibt der arabische Gelehrte Alhazen (ca. 965 – ca. 1040) seinen "Schatz der Optik", mit dem er die Grundlage für die moderne Lehre von der Ausbreitung des Lichts legt.
um 1267
Der Engländer Roger Bacon (ca. 1214 – ca. 1292), einer der wenigen herausragenden Naturforscher des christlichen Mittelalters, tritt beherzt für eine Wissenschaft ein, die sich nicht auf philosophische oder theologische Spekulation gründet, sondern auf experimentelle Forschung. Er entwickelt die Optik weiter und erkennt das Potenzial von Linsen für das Betrachten weit entfernter Dinge mit einem Fernrohr oder als Grundlage für Brillengläser zur Korrektur von Sehfehlern.
1269
Pierre de Maricourt, ein französischer Gelehrter, verfasst eine Schrift über den Magnetismus, in der er darlegt, dass Magnete immer zwei entgegengesetzte Pole haben. Das Funktionsprinzip des Kompasses erklärt er damit, dass auch die Erde solche Pole aufweise.
1543
Nach jahrzehntelanger Arbeit veröffentlicht der deutschsprachige Geistliche Nicolaus Copernicus (1473–1543) sein Werk "De revolutionibus orbium coelestium" ("Von den Umdrehungen der himmlischen Kreise"). Darin vertritt er die Ansicht, dass sich alle Planeten einschließlich der Erde um die Sonne bewegen. Einige griechische Philosophen hatten ähnliche Ideen schon in der Antike formuliert, doch konnten sie sich nie gegen die von Aristoteles propagierte Theorie durchsetzen, nach der sich die Sonne und die anderen Planeten um die Erde drehen. Stattdessen haben die Astronomen fast zwei Jahrtausende lang versucht, Erklärungen für die offensichtlichen Abweichungen zwischen dem erdzentrierten Weltbild und den beobachtbaren Bahnen der Himmelskörper zu finden.
1600
William Gilbert (1544–1603), der Leibarzt der englischen Königin, publiziert seine umfassenden Forschungen zum Magnetismus. Er legt erstmals eine klare Formulierung des Erdmagnetismus vor, zudem beschäftigt er sich mit Phänomenen, die er mit dem lateinischen Wort electricus kennzeichnet. Abgeleitet hat Gilbert den Begriff von elektron, dem griechischen Namen des Bernsteins, da sich dieser besonders gut durch Reibung elektrisch aufladen lässt.
1609
Dem deutschen Astronomen Johannes Kepler gelingt die entscheidende Erkenntnis, um das sonnenzentrierte Weltbild des Copernicus zu perfektionieren: In drei Gesetzen der Planetenbewegung hält er fest, dass die Planeten nicht um die Sonne kreisen, sondern sich auf elliptischen Bahnen um das Zentralgestirn bewegen. Die Sonne steht dabei nicht im Mittelpunkt der Ellipse, sondern in einem ihrer Brennpunkte. Somit ändert sich innerhalb eines Umlaufs der Abstand zur Sonne und in Abhängigkeit hiervon zudem die Geschwindigkeit der Planeten.
1636/37
Der Franzose Marin Mersenne (1588–1648), ein Mönch, der im intensiven Austausch mit den großen Naturwissenschaftlern seiner Zeit steht, veröffentlicht in seiner "Harmonie universelle" wichtige Erkenntnisse zur Akustik, der Lehre vom Schall. So ergründet er den Zusammenhang zwischen der gehörten Tonhöhe und der Frequenz von Schallwellen und bestimmt die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls in Luft.
1638
In seinen "Discorsi" ("Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige") präsentiert der Italiener Galileo Galilei (1564–1642) die Ergebnisse seiner lebenslangen Forschungen auf dem Gebiet der Mechanik, der Lehre von den Bewegungen massebehafteter Körper. Mehr als vier Jahrzehnte lang hat er unter anderem den freien Fall und das Pendel untersucht und dabei bahnbrechende Erkenntnisse über die Beschleunigung und die Trägheit von Körpern gesammelt. Gleichzeitig hat er mit seinen systematischen Experimenten der empirischen Naturwissenschaft zum Durchbruch verholfen. Zudem unternahm Galilei astronomische Forschungen: Mit immer besseren Fernrohren entdeckte er etliche zuvor unbekannte Himmelserscheinungen und fand in seinen Beobachtungen die Bestätigung für das kopernikanische Weltbild.
1672
Der englische Universitätsprofessor Isaac Newton (1643–1727) kann nach Versuchen mit Glasprismen und Lochblenden feststellen, dass das weiße Sonnenlicht nicht - wie seit der Antike vermutet - die originäre Form des Lichts ist. Stattdessen zeigt Newton, dass es aus mehreren Farben zusammengesetzt ist, die sich in ihrem Brechungsverhalten unterscheiden.
1676
Der dänische Astronom Ole Rømer (1644–1710) leitet aus Beobachtungen der Jupitermonde ein Verfahren zur Berechnung der Lichtgeschwindigkeit ab. Sein Ergebnis liegt um etwa ein Viertel unter den Werten moderner Messungen, bedeutsam ist aber allein schon die Feststellung, dass die Geschwindigkeit des Lichtes überhaupt einer Begrenzung unterliegt.
1687
Isaac Newton publiziert sein Hauptwerk "Philosophiae naturalis principia mathemamathematica" ("Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie"). Er greift hierin zahlreiche Erkenntnisse seiner Vorgänger in der frühen Neuzeit und teils sogar aus der Antike auf, überführt sie aber in eine geschlossene, mathematisch formulierte Theorie, die viele Bereiche der klassischen Mechanik erfasst und abschließend behandelt. Einen zentralen Punkt bildet dabei Newtons Gravitationsgesetz: Es bestimmt die Anziehungskraft, die zwischen allen massebehafteten Körpern besteht und gleichermaßen für die Beschleunigung eines Gegenstands im freien Fall wie für die Umlaufbahnen der Planeten verantwortlich ist.
1690
In seiner Publikation "Traité de la lumière" verwirft der Niederländer Christiaan Huygens die seit der Antike geläufige Vorstellung, dass sich Licht geradlinig in Form von kontinuierlichen Strahlen ausbreitet. Stattdessen geht er von Pulsen aus, die sich im Raum ausdehnen. Dank dieser Erkenntnis lassen sich nicht nur viele zuvor aufgestellte Gesetzmäßigkeiten der Brechung und Spiegelung des Lichts erklären, sondern auch experimentelle Befunde, die im Laufe des 17. Jahrhunderts Zweifel an der Strahlentheorie geweckt hatten. Als Trägermedium, in dem sich – wie Schallwellen in Luft – die Pulse ausbreiten, nimmt Huygens (fälschlicherweise, wie sich 200 Jahre später herausstellt) eine "Äther" genannte Substanz an, die den ansonsten "leeren" Raum, aber auch alle feste Materie durchdringt. Das Modell von Huygens bildet die Grundlage der Wellentheorie des Lichts, welcher der Franzose Augustin Fresnel (1788–1827) Anfang des 19. Jahrhunderts zum Durchbruch verhelfen wird.
1734
Charles François de Cisternay du Fay (1698–1739), ein französischer Adeliger, findet nach langem Experimentieren eine Erklärung für eine Vielzahl verwirrender Befunde zur Elektrizität: Er unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Formen, die er als "Glas-" und "Harzelektrizität" bezeichnet. Dabei stoßen sich Körper mit gleicher Elektrizität ab, ungleiche ziehen sich an. Rund zwei Jahrzehnte später prägt der auch als Staatsmann berühmt gewordene Nordamerikaner Benjamin Franklin (1706–1790) die bis heute üblichen Bezeichnungen "positiv" und "negativ", zudem weitere grundlegende Begriffe wie den der elektrischen Ladung (engl. charge) und des elektrischen Stroms (current).
1753–55
Der Schweizer Leonhard Euler (1707–1783), der bedeutendste Mathematiker seiner Zeit, stellt etliche Gleichungen zum Verhalten von Flüssigkeiten auf und legt damit das Fundament der Hydrodynamik, der Lehre von den strömenden Flüssigkeiten. Zuvor schon hat Euler die Newton’schen Gesetze ergänzt und in ihrer mathematischen Formulierung verbessert, zudem gelingen ihm neue Erkenntnisse zu Drehmoment und Drehimpuls.
1800
Der Italiener Alessandro Volta (1745–1827) präsentiert der Öffentlichkeit eine elektrochemische Vorrichtung, die einen kontinuierlichen elektrischen Strom zu liefern vermag – die erste Batterie. Zuvor schon hat sich der lombardische Adelige einen Namen als begabter Experimentator und Erfinder elektrischer Instrumente gemacht. Zudem ersann er grundlegende theoretische Konzepte der Elektrizitätslehre, so etwa den Begriff der "elektrischen Spannung".
1803
Im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten konkretisiert der Engländer John Dalton (1766–1844) die schon seit der Antike geläufige Vorstellung, dass alle Stoffe aus kleinsten Teilchen zusammengesetzt sind, und stellt sie auf ein naturwissenschaftliches Fundament, indem er unter anderem die Atomgewichte verschiedener Elemente bestimmt.
1811
Der italienische Naturforscher Amadeo Avogadro (1776–1856) stellt die – korrekte – Hypothese auf, dass gleiche Volumina aller Gase bei gleichen äußeren Bedingungen (etwa gleichem Druck) die gleiche Anzahl Teilchen enthalten. Dabei unterscheidet er zum ersten Mal genauer zwischen Atomen und Molekülen. Diese nicht nur für die Chemie, sondern auch für die kinetische Gastheorie in der Physik fundamentale Erkenntnis findet allerdings erst rund ein halbes Jahrhundert später größere Verbreitung und Anerkennung.
1820
Der Däne Hans Christian Ørsted findet mithilfe eines einfachen Experiments heraus, dass ein stromdurchflossener Draht eine magnetische Wirkung ausübt. Damit ist ein Zusammenhang zwischen elektrischer und magnetischer Kraft nachgewiesen. Ørsted sieht hierin vor allem eine Bestätigung der romantischen Naturphilosophie, der er anhängt. Die fundamentale wissenschaftliche Bedeutung der Entdeckung erkennt jedoch der Franzose André-Marie Ampère: Innerhalb weniger Jahre entwirft er eine erste genauere Theorie des Elektromagnetismus.
1830/31
Nahezu gleichzeitig gelingen den Forschern Joseph Henry (1797–1878) in den USA und Michael Faraday (1791–1867) in England die Umkehrung des von Ørsted entdeckten Phänomens: Beide weisen in Experimenten die elektromagnetische Induktion nach, bei der ein Magnet, der sich relativ zu einem elektrischen Leiter bewegt, in diesem einen Strom erzeugt. Während Henry daraufhin vor allem an praktischen Anwendungen arbeitet, entwickelt Faraday eine umfassende Theorie, die auf dem Konzept elektrischer und magnetischer Kraftlinien basiert, und führt dabei den wohl wichtigsten Begriff der modernen Physik ein: das "Feld" – eine Größe, mit der sich die räumliche Verteilung einer physikalischen Größe, etwa der elektrischen Kraft, beschreiben lässt.
1842
Der deutsche Arzt Julius Robert Mayer (1814–1878) und der englische Physiker James Prescott Joule (1818–1889) formulieren unabhängig voneinander den Energieerhaltungssatz, nach dem die Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems sich nicht verändert; die beiden Forscher beziehen dabei die Umwandlung zwischen Bewegungs- und Wärmeenergie mit ein. Joule gelingt zudem eine annähernd genaue Bestimmung des Faktors für die Umrechnung zwischen den beiden Energieformen. Mit diesen grundlegenden Erkenntnissen der Thermodynamik – der Wärmelehre – ist die frühere Vorstellung endgültig widerlegt, die von der Existenz eines speziellen Wärmestoffes ausging.
1847
William Thomson (1824– 1907, 1892 zum Baron Kelvin of Largs ernannt) lernt seinen Landsmann Joule kennen und leitet mit dessen Unterstützung den Beweis ab, dass der absolute Nullpunkt der Temperatur, über den verschiedene Forscher schon seit dem 17. Jahrhundert spekuliert hatten, tatsächlich existiert und bei minus 273,15 Grad Celsius liegt – oder nach der Kelvin-Skala bei null Kelvin. Bei dieser Temperatur besitzen alle Teilchen die kleinstmögliche Bewegungsenergie.
1861–1864
Der Schotte James Clerk Maxwell (1831–1879) stellt die heute nach ihm benannten und nach wie vor uneingeschränkt gültigen Gleichungen auf, mit denen sich die Zusammenhänge zwischen elektrischen und magnetischen Feldern vollständig darstellen lassen. Aus seinen Erkenntnissen leitet er auch die Existenz elektromagnetischer Wellen ab – periodischer Schwingungen elektromagnetischer Felder, die sich im Raum ausbreiten. Bei der Berechnung der erwarteten Geschwindigkeit der Wellen stellt der Schotte fest, dass diese im Bereich der Lichtgeschwindigkeit liegt, und leitet daraus die Hypothese ab, dass es sich auch beim sichtbaren Licht um elektromagnetische Wellen handelt.
1869
Der Russe Dimitrij Mendelejew (1834–1907) kombiniert in einer Tabelle die auffälligen Ähnlichkeiten bestimmter Elemente im Hinblick auf ihre chemischen Eigenschaften mit dem jeweiligen Atomgewicht (heute Atommasse) und schafft damit die Grundlage für das Periodensystem der Elemente. Für einige Positionen, die Mendelejew unbesetzt lässt, werden die entsprechenden Elemente in den folgenden Jahren entdeckt. Und auch die späteren Erkenntnisse über den Aufbau der Atome bestätigen dieses periodische Konzept, nach dem sich die chemische Welt bis heute ordnen und verstehen lässt.
1872
Der Österreicher Ludwig Boltzmann (1844–1906) entwickelt die heute nach ihm benannte "Grundgleichung der kinetischen Gastheorie". In seiner Formel führt Boltzmann die thermodynamischen Eigenschaften von Gasen auf die Bewegung der Moleküle im Gas zurück. Somit lassen sich erstmals Phänomene des Wärmetransports erklären – etwa, wie sich erwärmte Luft im Raum verteilt. 1877 liefert der Österreicher zudem eine Definition der Entropie – einer Größe, die 1865 der deutsche Physiker Rudolph Clausius (1822–1888) in die Thermodynamik eingeführt hatte. Sie ist ein Maß für die Unordnung in einem physikalischen System. Je größer die Unordnung der Teilchen eines Systems, desto größer ist dessen Entropie.
1881
Ausgehend von der Vorstellung, nach der sich Licht im Trägermedium Äther ausbreitet, konzipiert der US-Amerikaner Albert Abraham Michelson (1852– 1931) eine Versuchsanordnung: Sie soll zeigen, dass die gemessene Lichtgeschwindigkeit abhängig ist von der Drehgeschwindigkeit, mit der sich die Erde um die Sonne und damit auch relativ zum angenommenen Äther bewegt. Doch das Experiment führt zu keinem signifikanten Ergebnis. Stattdessen gibt Michelsons Versuch einen wichtigen Hinweis darauf, dass die Äther-Theorie von Christiaan Huygens falsch ist und tatsächlich kein Trägermedium des Lichts existiert.
1887
Der Deutsche Heinrich Hertz (1857–1894) erzeugt erstmals die von James Clerk Maxwell angenommenen elektromagnetischen Wellen. Ausführliche Untersuchungen zeigen, dass ihre Reflexionseigenschaften wie auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit dem sichtbaren Licht entsprechen. Der experimentelle Nachweis durch Hertz verschafft Maxwells bahnbrechender Theorie elektromagnetischer Felder sowie seiner Hypothese zum Wellencharakter des Lichts allgemeine Anerkennung.
1895
Zufällig erzeugt Wilhelm Conrad Röntgen (1845– 1923), Physikprofessor in Würzburg, eine zuvor unbekannte Strahlungsart, die er selbst "X-Strahlen" nennt. Sie durchdringt feste Materie – mal mehr, mal weniger abgeschwächt – und belichtet herkömmliche Fotoplatten. 1912 können Physiker an der Münchner Universität nachweisen, dass es sich bei den nun nach ihrem Entdecker benannten Strahlen um elektromagnetische Wellen mit sehr kurzer Wellenlänge handelt.
1896
Antoine Henri Becquerel (1852–1908) entdeckt eine seltsame, unsichtbare Strahlung, die das Schwermetall Uran aussendet. Für diese natürliche Eigenschaft prägt Marie Curie (1867–1934) zwei Jahre später den Begriff "Radioaktivität". Die polnische Physikerin und ihr französischer Ehemann Pierre (1859–1906) finden weitere radioaktive Elemente, während der Brite Ernest Rutherford (1871–1937) drei verschiedene Arten radioaktiver Strahlung identifiziert. 1903 schließlich gelingt es Rutherford und seinem Landsmann Frederick Soddy (1877–1956), das Phänomen selbst zu erklären: als Zerfall eines Stoffes in ein leichteres Element, bei dem Strahlung freigesetzt wird.
1897
Joseph John Thomson (1856–1940) postuliert, dass die sogenannte "Kathodenstrahlung", die bei hohen Spannungen zwischen zwei Elektroden im Vakuum auftritt, aus negativ geladenen Teilchen sehr kleiner Masse besteht, bei denen es sich um einen universellen Bestandteil aller Materie handeln muss: den Elektronen. Damit ist erstmals ein Bestandteil des Atoms entdeckt worden.
1900
Um experimentelle Messungen zu erklären, die im Widerspruch zur bis dahin gültigen Wärmestrahlungstheorie stehen, verfällt der Berliner Physikprofessor Max Planck (1858–1947) auf eine Hypothese, die er selbst "als eine ungeheuerliche und für das Vorstellungsvermögen fast unerträgliche Zumutung" bezeichnen wird. Kern seiner Theorie ist die Idee, dass die Energie elektromagnetischer Strahlung nicht kontinuierlich, sondern stufenweise emittiert wird: als Vielfaches eines winzigen Wertes, den Planck als "Wirkungsquantum" bezeichnet.
1905
Dass Plancks Quantenhypothese ein Tor eröffnet zur Beschreibung und Erkenntnis fundamentaler Zusammenhänge, die weit über die klassische Physik hinausgehen, erkennt als einer der Ersten ein junger Physiker aus deutsch-jüdischer Familie, der zu dieser Zeit in der Schweiz tätig ist: Albert Einstein (1879–1955). Im Jahr 1905 veröffentlicht er eine Arbeit zum "photoelektrischen bei dem durch Bestrahlung mit energiereichem Licht an der Oberfläche von Metallen Elektronen freigesetzt werden. Einstein gelingt die Erklärung, indem er annimmt, dass die Strahlung aus "Lichtquanten" besteht, die sich wie masselose Teilchen verhalten. Später erhalten diese nicht weiter teilbaren Energiebündel die heute geläufige Bezeichnung "Photon".
Wenige Monate nach seiner Erklärung des photoelektrischen Effekts erscheint ein Aufsatz Albert Einsteins mit dem unscheinbaren Titel "Zur Elektrodynamik bewegter Körper". Tatsächlich handelt es sich bei der Arbeit um die Begründung der Speziellen Relativitätstheorie, eines komplexen Gedankengebäudes, nach dem Raum und Zeit relative Größen sind – also vom Standpunkt und der Geschwindigkeit des Beobachters abhängen. Eine Erkenntnis, die das Weltbild der Physik revolutioniert.
1910
Ernest Rutherford erkennt, dass die positive Ladung und fast die gesamte Masse eines Atoms auf sehr kleinem Raum konzentriert sind – im Atomkern. 1919 folgert er, dass die positiven Ladungsträger den Kernen von Wasserstoffatomen (Protonen) entsprechen; ein Jahr später postuliert er die Existenz elektrisch neutraler Bestandteile des Atomkerns. Der experimentelle Nachweis der Neutronen gelingt allerdings erst 1932.
1913
Der Däne Niels Bohr (1885– 1962) entwickelt ein Modell vom Aufbau des Atoms; demnach umkreisen die Elektronen den Atomkern auf bestimmten Bahnen – wie Planeten die Sonne.
1916
Albert Einstein publiziert "Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie" und schafft damit ein neues Verständnis von Raum und Materie: Nicht eine Kraft ruft die Gravitation hervor, sondern – vereinfacht gesagt – eine Krümmung des Raumes. Sie ist nach Einstein der Grund, weshalb Gegenstände auf die Erde fallen oder Planeten auf ihren elliptischen Bahnen um die Sonne kreisen. "Verbogen" wird der Raum vor allem von besonders massereichen Objekten wie großen Sternen. Aus dem Werk geht auch hervor, dass selbst Lichtstrahlen der Krümmung des Raumes folgen, also von großen Himmelskörpern abgelenkt werden.
1924
In seiner Dissertation postuliert der französische Physikstudent Louis de Broglie (1892–1987), dass auch massebehaftete Mate- rieteilchen Wellencharakter haben. Ein solcher Welle-Teilchen-Dualismus war zuvor nur für die masselosen Photonen behauptet worden. De Broglies Hypothese, die mit klassischen Vorstellungen unvereinbar ist, wird für Elektronen schon bald experimentell bestätigt, später auch für größere Objekte wie Moleküle. Eine vollständige Auflösung des scheinbaren Widerspruchs ermöglicht die sogenannte Quantenphysik, nach der sich winzige Partikel tatsächlich mal wie ein Teilchen, mal wie eine Welle verhalten können.
1925
Die niederländischen Physiker Samuel Goudsmit (1902–1978) und George Uhlenbeck (1900–1988) entwickeln die Theorie, dass Elektronen über einen Eigendrehimpuls (oder "Spin") verfügen. Dadurch lässt sich unter anderem der Aufbau eines Atoms besser erklären als je zuvor. Auch anderen Elementarteilchen wird in den folgenden Jahren ein solcher Spin zugewiesen.
1926
Der Österreicher Erwin Schrödinger (1887–1961) und der Deutsche Werner Heisenberg (1901–1976) präsentieren mathematische Formulierungen der Quantenmechanik – der auf der Quantentheorie basierenden Erklärung der Materie. Anders als in Niels Bohrs Atommodell, das bis heute die populäre Vorstellung vom Aufbau der Atome bestimmt, geht die rein quantenmechanische Beschreibung nicht von festen Bahnen aus, auf denen die Elektronen um den Atomkern kreisen, sondern gibt Aufenthaltswahrscheinlichkeiten an. Im Experiment wird Heisenbergs Theorie bestätigt; damit ist Bohrs Modell der festen Elektronenbahnen widerlegt. 1927 entwickelt Heisenberg eine "Unschärferelation", nach der es grundsätzlich unmöglich ist, innerhalb eines Atoms etwa den Ort und den Impuls eines Teilchens gleichzeitig exakt zu bestimmen.
1928
Der Engländer Paul Dirac (1902–1984) legt mit der heute nach ihm benannten Gleichung eine unabhängige Formulierung der Quantenmechanik vor, die – anders als die Ansätze von Schrödinger und Heisenberg – auch im Einklang mit Einsteins Spezieller Relativitätstheorie steht. Nach Diracs Theorie lassen sich bestimmte Zustände von Teilchen beschreiben, für die er später den Begriff "Antimaterie" einführt: Dem Elektron etwa entspricht ein "Positron" genanntes Antiteilchen, mit gleicher Masse und gleichem Spin, jedoch mit entgegengesetzter – positiver – elektrischer Ladung.
1931
Unter Verwendung der Quantenmechanik entwickelt der britische Mathematiker Alan Herries Wilson (1906–1995) eine Theorie zur Beschreibung von Halbleitern – Stoffen wie etwa Silizium, deren Fähigkeit, elektrischen Strom zu leiten, unter anderem von der Temperatur abhängt. Diese Eigenschaften macht man sich vor allem zum Steuern elektrischer Ströme zunutze, etwa in Computerbauteilen wie Speicherchips. Wilsons Modell ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung moderner elektronischer Geräte.
1932
Dem Amerikaner Carl Anderson (1905–1991) gelingt der Nachweis von Antimaterie. Damit ist Paul Diracs Annahme von 1928 bewiesen, dass Elementarteilchen wie etwa das Elektron in zwei komplementären Formen existieren: als gewöhnliche Teilchen, aus denen sämtliche Materie besteht, sowie aus Antiteilchen, die sich – sofern sie elektrisch geladen sind – durch das Vorzeichen ihrer Ladung unterscheiden. Treffen gewöhnliche auf Antiteilchen, vernichten sie einander und zerstrahlen zu reiner Energie.
1934
Enrico Fermi (1901–1954) untersucht die bei radioaktiven Zerfallsprozessen auftretende Beta-Strahlung, die aus freigesetzten Elektronen (oder Positronen) besteht. Nachdem in den Jahrzehnten zuvor die verschiedenen aus der klassischen Physik bekannten Kräfte auf nur noch zwei Wechselwirkungen – die Gravitation und die elektromagnetische Kraft – zurückgeführt werden konnten (siehe Kasten Seite 156), postuliert der Italiener zur Erklärung des Phänomens eine bislang unbekannte Kraft, die sich als eine dritte unabhängige Wechselwirkung herausstellt – die sogenannte Schwache Wechselwirkung.
1936
Bei der Untersuchung kosmischer Strahlung entdeckt Carl Anderson das Myon – und damit erstmals ein Elementarteilchen, das nicht (wie Elektronen, Neutronen, Protonen) zu den direkten Grundbausteinen der Atome gehört. Myonen, die wie Elektronen negativ geladen, jedoch gut 200-mal schwerer sind, werden etwa in der Atmosphäre produziert, wenn Teilchen aus dem Weltall auf Atomkerne in der Lufthülle treffen und mit ihnen reagieren.
1947
Forscher der amerikanischen Bell Laboratories stellen den ersten funktionsfähigen Transistor auf Halbleiterbasis vor. Als Schaltelemente ohne mechanische Bauteile sind Halbleitertransistoren die Grundbausteine aller elektronischen Schaltungen und damit die Basis der modernen Computertechnik.
1957
John Bardeen (1908–1991), Leon Cooper (*1930) und John Schrieffer (*1931) entwickeln eine quantenmechanische Theorie zur Erklärung der Supraleitung, die erstmals 1911 vom Niederländer Heike Kamerlingh Onnes (1853–1926) beobachtet worden ist: Unterhalb einer Temperaturschwelle in der Nähe des absoluten Nullpunkts verschwindet der elektrische Widerstand von Metallen vollständig – elektrischer Strom kann dann ganz ohne Leitungsverluste transportiert werden. Da supraleitende Materialien sehr aufwendig auf tiefe Temperaturen heruntergekühlt werden müssen, lässt sich der Effekt im Alltag jedoch nicht nutzbar machen.
1964
Murray Gell-Mann (*1929) und George Zweig (*1937) stellen unabhängig voneinander die Hypothese auf, dass die Bestandteile des Atomkerns, Protonen und Neutronen, ihrerseits aus kleineren Teilchen bestehen, für die Gell-Mann den Begriff "Quarks" prägt. 1968 gelingt Forschern in Stanford, Kalifornien, der experimentelle Nachweise von Teilchen, aus denen sich Protonen zusammensetzen. Allerdings stellt sich erst nach einigen Jahren heraus, dass hiermit tatsächlich die von Gell-Mann vorhergesagten Quarks gefunden sind. Spätere Forschungen zeigen: Jeweils drei der Teilchen bilden einen der Kernbausteine, wobei die Summe der Einzelmassen nur einen Bruchteil der Masse eines Protons oder Neutrons ausmachen; der Rest ergibt sich aus der Bindungsenergie zwischen den Quarks, für die die vierte fundamentale Kraft der Physik, die Starke Wechselwirkung, verantwortlich ist. Die bewirkt zudem, dass die Protonen trotz ihrer gleichen elektrischen Ladung und der daraus folgenden Abstoßung im Kern zusammengehalten werden.
1981
In einem IBM-Forschungslabor bei Zürich entwerfen der Deutsche Gerd Binnig (*1947) und dessen Schweizer Kollege Heinrich Rohrer (*1933) das Rastertunnelmikroskop, mit dem es erstmals möglich ist, einzelne Atome sichtbar zu machen.
1983
Die Entdeckung weiterer Elementarteilchen, der sogenannten "W-" und "Z-Bosonen", am Zentrum für Kernforschung CERN in Genf bestätigt das heute weitgehend anerkannte, quantenmechanisch begründete "Standardmodell der Teilchenphysik". Es basiert unter anderem auf Theorien der Amerikaner Sheldon Glashow (*1932) und Steven Weinberg (*1933) sowie des Pakistaners Abdus Salam (1926–1996) aus den 1960er Jahren. Diesem Modell zufolge besteht die Welt aus zwei Sorten von Kleinstpartikeln: aus Materieteilchen wie den Quarks sowie Kraftteilchen wie den in Genf entdeckten W- und Z-Bosonen. Durch die Kraftteilchen entfalten die vier Grundkräfte der Physik ihre Wirkung: Gewissermaßen regeln sie, wie sich die Materieteilchen zueinander verhalten.
2012
Physiker am CERN finden bei Experimenten mit einem Teilchenbeschleuniger Hinweise auf die Existenz des sogenannten "Higgs-Boson" – eines bis dahin nur theoretisch postulierten Teilchens. Dabei handelt es sich um ein spezielles Partikel, das der Theorie nach auf komplexe Weise mit den Materieteilchen in Beziehung tritt und ihnen dabei ihre Masse verleiht. Sollte das Higgs-Boson tatsächlich existieren, können die Forscher sicher sein, dass ihr Standardmodell der Teilchenphysik in Einklang mit der Realität steht.