Eigentlich schade, dass wir das Finale nicht mehr erleben werden. Denn die Zukunft der Milchstraße, das Ende unserer galaktischen Heimat, bietet Stoff für ein gewaltiges kosmisches Drama, das am Nachthimmel zur Aufführung kommen wird. Ein wilder Tanz mit imposanten Bildern und mächtigen Kräften, die auf die Akteure wirken. Eine Kulisse, erst strahlend hell, die langsam verblasst, dann tiefschwarz erscheint.
Schließlich Leere und ewige Finsternis.
Uns wird es dann aber schon nicht mehr geben. Der Mensch wird – zumindest in seiner jetzigen Form – zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existieren. Denn die Gattung Homo bevölkert unsere Erde seit etwa 2,5 Millionen Jahren, unsere Art, der Homo sapiens , hat jetzt erst etwa 200.000 Jahre hinter sich. Und selbst wenn es gelingen sollte, unsere Überlebensspanne in dinosaurische Dimensionen auszudehnen (was immerhin 140 Millionen Jahre wären), würde es nicht reichen bis zum letzten Akt.
Die Rolle als Zuschauer müssen wir anderen Intelligenzen überlassen. Möglich, dass deren Astronomen dann auf unbekannten Planeten in den Weiten der Milchstraße ihre Teleskope zum Himmel richten und zu verstehen suchen, was um sie herum gerade geschieht.
Denn der letzte Akt in der aufregenden, jetzt schon 13 Milliarden Jahre währenden Geschichte unserer Milchstraße wird erst in rund 3,8 Milliarden Jahren beginnen. Am Anfang dieser Szene steht eine flüchtige Begegnung, der Höhepunkt wird eine Kollision sein: zwischen der Milchstraße und ihrer Nachbargalaxie Andromeda. So glänzend dieser letzte Akt beginnt, so tragisch wird er enden. Am Schluss bleibt nur die Leere.
Dass unserer Heimatgalaxis letztlich ein finsteres Ende bevorsteht, hat mit einer revolutionären Erkenntnis zu tun, die Forscher im Jahr 1998 gewonnen haben.
Bis zu diesem Zeitpunkt glauben die Astrophysiker, dass das Universum sich seit dem Urknall gleichmäßig ausdehnt – entweder bis in alle Ewigkeit oder bis die Schwerkraft irgendwann überwiegt, die Ausdehnung abbremst und das Weltall wieder in sich zusammenstürzt.
Genau diese Frage wollen die Amerikaner Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt klären und beobachten dazu explodierende Sterne in weit entfernten Galaxien. Doch dabei machen sie eine Entdeckung, die „so verrückt war, dass wir sie anfangs gar nicht glauben mochten“, wie sie selber sagen.
Sie erkennen, dass die Expansion des Universums weder gleichmäßig ist noch abnimmt – im Gegenteil: Seit fünf Milliarden Jahren bläht sich das Universum immer schneller auf.
Offenbar sorgt eine geheimnisvolle Macht dafür, dass sich alles, was sich im Kosmos befindet – schätzungsweise 100 Milliarden Galaxien, unvorstellbar große Gaswolken und einsam vagabundierende Sterne –, immer weiter voneinander entfernt.
Bis heute weiß niemand, wo die Quelle dieser „Dunklen Energie“ liegt. Auch kann kein Forscher sagen, wodurch sie entstanden ist, woraus sich ihre Konstanz speist – und durch welches Medium sie wirkt. Nur so viel ist bekannt: Sie ist de facto die große Gegenspielerin der Gravitation.
Die sorgt ja eigentlich dafür, dass die Dinge beieinanderbleiben: die Sterne in ihren Galaxien, die Planeten bei ihren Sternen, der Mensch auf der Erde.
Doch irgendwann in ferner Zukunft, so viel scheint sicher beim jetzigen Stand des Wissens, wird die Kraft der Gravitation erlahmen, wird die Dunkle Energie schließlich die Oberhand behalten.
Und weil sich durch das Wirken dieser mysteriösen Kraft die Sternenarchipele im Universum immer weiter voneinander entfernen, wird es auch um die Milchstraße immer einsamer werden.
Allerdings wird sie bei ihrem bevorstehenden Ende zunächst noch Gesellschaft haben.
Denn unsere Heimatgalaxie, dieser funkelnde Wirbel aus mindestens 100 Milliarden Sonnen, zieht nicht allein durch Zeit und Raum. Sie ist Teil eines Clusters von Galaxien, den Astronomen „Lokale Gruppe“ nennen und dessen entfernteste Sternenarchipele gut sieben Millionen Lichtjahre weit entfernt sind.
Mehr als 70 Groß- und Zwerggalaxien haben Wissenschaftler bisher ausgemacht, die sie zur Lokalen Gruppe zählen. Aufwendigen Computer-Simulationen zufolge könnte der Haufen sogar bis zu 500 Galaxien bergen; vermutlich aber sind die meisten schlicht zu klein, als dass sie von irdischen Teleskopen zu finden wären.
Verknüpft sind die Galaxien dieses Clusters allein durch die Gravitation, die als verbindende Macht zurzeit noch stärker wirkt als die auseinandertreibende Kraft der Dunklen Energie. Folglich reisen die Sternenarchipele der Lokalen Gruppe im sich ausdehnenden All als kosmische Schicksalsgemeinschaft durch den Raum – und stieben nicht, zumindest noch nicht, in alle Richtungen auseinander.
Und so viel wissen die Forscher bereits: Diesem durchs Universum vagabundierenden Haufen stehen turbulente Zeiten bevor. Die Hauptakteure dabei sind ausgerechnet die beiden Schwergewichte – Milchstraße und Andromeda-Galaxie –, die durch ihre schiere Masse gemeinsam für den Zusammenhalt der Lokalen Gruppe verantwortlich sind.
Den ganzen Text lesen Sie in GEOkompakt Nr. 39 "Die Milchstraße".