In zwei langen Gesprächen mit GEO-Expeditionsredakteur Lars Abromeit erzählt der Abenteurer Alexander Gerst in der GEO-Sonderausgabe von den spannendsten Momenten seiner Expedition, von den Strapazen der Vorbereitung - und von seinen nächsten Traumzielen im All: Mond und Mars.
Lesen Sie hier einen Auszug des Interviews:
GEOextra: Herr Gerst, stimmt es, dass man während
des Schlafs auf der ISS kosmische Strahlung sieht?
Alexander Gerst: Im Tiefschlaf bemerkt man es nicht, aber wenn man vor dem Einschlafen die Augen schließt, dann sieht man alle paar Minuten auf einmal Blitze, mal in Linien, mal rund, je nachdem, wie die Strahlung auf die Netzhaut trifft.
Sie hatten sich sehr viel vorgenommen für den Flug: mehr als 100 Experimente,
dazu Medizintests, Wartungsarbeiten. Gab es Momente, in denen Sie dachten, das wird zu viel?
Alexander Gerst: Am Anfang fand ich es wirklich anstrengend, weil ich in jeder Minute auf der Station etwas Neues gelernt habe. Die Amerikaner sagen: „Man trinkt aus dem Feuerwehrschlauch.“ Das trifft es ganz gut. (...) Aber nach zwei oder drei Wochen fühlte ich mich ziemlich sicher.
Eine Grenzerfahrung?
Alexander Gerst: Vor meinem Flug hatte ich es in der Tat für möglich gehalten, dass ich hier meine Grenze erreichen könnte, vielleicht sogar überschreiten würde. Vor einer solchen Situation haben wir Menschen ja oft Angst - und zu Recht: Wir wissen nicht, wie wir reagieren würden.
Aber manche von uns treibt die Neugier eben dazu, das Risiko in Kauf zu nehmen und doch genauer zu schauen, wo die eigene Grenze tatsächlich liegt. So sind wir Astronauten auch: Wir suchen nicht nach unserer Grenze, aber wir lassen uns auch nicht davon abschrecken, in ihre Nähe zu kommen. Die Neugier ist stärker als die Furcht.
(...) Ich glaube, dass es den allermeisten Menschen genauso ergehen würde. Wir können oft viel mehr schaffen, als wir für möglich halten. Wir müssen es nur versuchen.
Was war, im Rückblick, Ihr schönstes Erlebnis in dieser Zeit?
Alexander Gerst: Der Außenbordeinsatz! Das ist die Königsdisziplin in der Raumfahrt, weil man als Astronaut dabei wirklich all sein Können anwenden kann und muss. Reid und ich sollten draußen an der Station eine defekte Kühlpumpe einsammeln. Mehr als sechs Stunden hat das gedauert, und als wir wieder zurück waren und langsam die Anspannung von uns abfiel, abends beim Essen, ist uns bewusst geworden: Das ist echt gut gelaufen, wir können stolz auf uns sein!
Und der schwierigste Augenblick?
Alexander Gerst: ... hatte auch mit dem Außeneinsatz zu tun: Eigentlich war der Termin dafür nämlich zwei Monate früher geplant gewesen. Wir hatten alles schon vorbereitet, die Abläufe durchgesprochen, die Werkzeuge in den Kisten verstaut. Und dann gab die Bodenkontrolle auf einmal durch, dass in den Batterien, wie wir sie auch in den Raumanzügen verwenden, ein Fehler entdeckt worden sei, der einen Kurzschluss verursachen könnte.
Unser Einsatz war abgesagt - nur wenige Tage, bevor er losgehen sollte. Das war eine herbe Enttäuschung, auch für das verantwortliche Team. (...) Umso schöner, dass dann doch noch einer der Raumfrachter neue Batterien an Bord hatte - und wir unseren Einsatz glatt durchführen konnten. (...)
Sehen Sie die Welt seit Ihrer Rückkehr mit anderen Augen?
Alexander Gerst: Ja. Dieser Perspektivwechsel, die Erde von außen zu sehen, wirkt noch nach. Selbst als Geophysiker habe ich mir nicht vorstellen können, dass das Leben auf der Erde von Weitem betrachtet so dünn und empfindlich aussieht wie eine Schicht Algen auf einem Stein. Mehr ist da nicht.
Und wenn man den Blick schweifen lässt ins All, fällt einem auf, wie unendlich schwarz, lebensfeindlich und leer es ist. In diesem Nichts können wir nicht leben, das wird uns da oben klar. Diese Einsicht möchte ich gern weitergeben: dass alles, was uns hier unten umgibt, keineswegs garantiert ist, sondern nur eine kosmische Ausnahme – und darauf müssen wir aufpassen. Wir haben keinen Plan B. (...)
Die ISS wird noch mindestens bis zum Jahr 2024 genutzt. Was ist für die Raumfahrt das nächste Ziel?
Alexander Gerst: Perfekt wäre es, wenn die Forschung im erdnahen Orbit danach zu einem großen Teil von Privatunternehmen fortgeführt werden könnte; und die Weltraumorganisationen kümmern sich um den nächsten Schritt. Wir gehen Projekte an, die kein Staat, keine Firma allein stemmen könnte. Jetzt bauen wir mit der NASA zusammen das "Orion"-Raumschiff mit einem Servicemodul, das aus dem europäischen Raumtransporter ATV abgeleitet ist. Damit wollen wir unsere Nachbarn im Universum erforschen, den Mond und später den Mars.
Weshalb ist das wichtig?
Alexander Gerst: Der Mars kann uns viel über unsere Erde verraten, über Klimaveränderungen etwa, die es zu vermeiden gilt. Oder über den Ursprung des Lebens: Wie ist es entstanden, haben wir Geschwister im All? Wenn wir auf dem Mars fossile oder gar existierende Spuren von Leben finden, hieße das doch, dass das Universum vor Leben blüht!
Wenn man sich überlegt, wie viele Sterne da draußen leuchten, dann muss wahrscheinlich auch höher entwickeltes Leben dabei sein. Vielleicht funktioniert es anders als auf der Erde, vielleicht pflanzt es sich durch das All fort. Jedenfalls haben wir auf dem Mars die Chance, durch eine einzige Mission unser menschliches Selbstverständnis zu revolutionieren.
Das ganze Interview finden Sie im neuen Magazin GEO extra "Überirdisch - Die besten Fotos aus dem All.