DAS ZEITALTER DER ENTDECKER: ALLGEMEINE EINFÜHRUNGEN
Dietmar Henze: Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde (Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1978-2004) 5 Bände, insgesamt 3694 Seiten, 1706 Euro
Ein monumentales Werk, bei dem zumindest die Ausdauer des Verfassers ähnlich ausgeprägt ist wie die seiner Helden. Über Jahrzehnte hat Henze biographische Informationen auch über weniger bekannte Entdecker zusammengetragen. Dabei ist ein einzigartiges Lexikon herausgekommen, das neben Lebensdaten und Reisebeschreibungen zu jedem Eintrag auch eine mehr oder weniger umfangreiche Bibliographie liefert. Die Bände sind direkt beim Verlag oder über den Buchhandel zu beziehen - allerdings zu einem heftigen, wiewohl angemessenen Preis.
Horst Gründer: Eine Geschichte der europäischen Expansion. Von Entdeckern und Eroberern zum Kolonialismus (Theiss, Stuttgart 2003) 192 Seiten, 36 Euro
Gründer, Professor für Neuere und Neueste sowie Außereuropäische Geschichte an der Universität Münster, beschreibt kompakt und anschaulich, warum sich die Europäer gegen Ende des Mittelalters in die Welt hinauswagten, wer welchen Erdteil entdeckte - und die Folgen, die dies hatte: die Gründung der Kolonien und die Etablierung von Imperien, wie sie nie zuvor existiert haben. Der Band ist reich illustriert, in ausgewählten Zitaten kommen die Augenzeugen und Chronisten der Entdeckungen selbst zu Wort.
CHRISTOPH KOLUMBUS - JENSEITS DES HORIZONTS
Richard Humble: Die Entdecker (in der Time-Life-Reihe Die Seefahrer, Time Life International , Amsterdam 1980) 176 Seiten, antiquarisch ab ca. 17 Euro erhältlich
Man mag es kaum glauben, aber eine richtig empfehlenswerte, quellenkritische Biographie des Christoph Kolumbus gibt es im deutschen Sprachraum nicht. Einen guten Überblick gibt vorliegender Band - der einen irreführenden Titel trägt. Denn hauptsächlich widmet sich Humble zwei großen Entdeckern am Anfang der europäischen Expansion: Kolumbus und Ferdinand Magellan. Das reichhaltig illustrierte Buch informiert auch über mittelalterliche Mythen von fernen Ländern, über die Technik der Navigation um 1500, über den Alltag auf See und viele andere Aspekte. Sehr empfehlenswert, doch wie so oft gilt auch hier leider: nur noch antiquarisch zu besorgen.
Alfred Kohler: Columbus und seine Zeit (Beck, München 2006) 222 Seiten, 18,90 Euro
Kohler, Historiker an der Universität Wien, ist bereits mit mehreren Werken zur spanisch-habsburgischen Geschichte hervorgetreten. Nicht überraschend deshalb, dass sich sein aktuellstes Buch weniger dem Mann und Entdecker Kolumbus zuwendet oder gar detailliert seine Fahrten beschreibt, sondern mehr den kulturellen und politischen Hintergrund der epochalen Reisen erhellt. Kurz: Wer wissen will, wie Kolumbus reiste, der wird hier kaum fündig. Doch wer mehr darüber erfahren möchte, warum er lossegelte, dem sei diese Studie empfohlen.
Christoph Kolumbus: Bordbuch. Aufzeichnungen seiner ersten Entdeckungsfahrt nach Amerika 1492-93, übersetzt von Anton Zahorsky, mit einem Nachwort von Bettina L. Haase (Diederichs, München 2006) 320 Seiten, 7,95 Euro
Eine preiswerte Ausgabe des vom Entdecker während seiner ersten Reise geführten Bordbuches: Mal lakonisch, mal ausschweifend beschreibt der Admiral die Schwierigkeiten der Überfahrt, die Schönheit der von ihm entdeckten Inseln, die Sitten der Indianer und, immer wieder, seine Suche nach Gold. Ein Nachwort und 159 erläuternde Anmerkungen erleichtern das Verständnis des farbigen Textes - der nebenbei beweist, dass Kolumbus nicht nur der vielleicht bedeutendste, sondern wohl auch der eloquenteste Seefahrer seines Zeitalters ist.
FERDINAND MAGELLAN - IN 1082 TAGEN UM DIE WELT
Stefan Zweig, Magellan. Der Mann und seine Tat (Fischer, Frankfurt a. M. 2005), 318 Seiten, 9,90 Euro
Eine literarische Biografie im besten Sinne: Eng entlang den verbürgten Fakten erzählend, verlebendigt Stefan Zweig die historischen Dokumente über Magellans erste Weltumseglung zu einer spannenden Geschichte - mit viel Sympathie für seinen spröden Helden. Die Idee dazu entstand 1936 während der Überfahrt nach Brasilien an Bord eines luxuriösen Schnelldampfers. In der Schiffsbibliothek fielen Zweig Darstellungen von Magellans ungleich beschwerlicherer Reise in die Hände.
Vielleicht zählte dazu auch Antonio Pigafettas Die erste Reise um die Erde. Ein Augenzeugenbericht von der Weltumseglung Magellans 1519-1522, hrsg. und übersetzt von Robert Grün (Edition Erdmann, Stuttgart 2001) 296 Seiten, antiquarisch ab ca. 15 Euro erhältlich.
Der Bericht des Adeligen aus Vicenza - einer der wenigen Überlebenden der Expedition - zählt zu den faszinierendsten Zeugnissen der gesamten Entdeckergeschichte: Pflichtlektüre für Magellan-Interessierte!
Wer daneben noch eine gut erzählte Biografie auf neuestem wissenschaftlichen Stand sucht, der sei auf Laurence Bergreens Over the Edge of the World. Magellan's Terrifying Circumnavigation of the Globe (Harper Perennial, New York 2004) 458 Seiten, ca. 15 Euro, hingewiesen.
FRANCISCO DE ORELLANA - EIN PIONIER WIDER WILLEN
José Toribio Medina, The Discovery of the Amazon, übersetzt aus dem Spanischen von Bertram T. Lee, hrsg. von H. C. Heaton (Dover Publications, New York 1988) 466 Seiten, antiquarisch ab ca. 50 Euro erhältlich
Ende des 19. Jahrhunderts machte sich der chilenische Historiker Medina an ein großes Projekt. Sein Ziel: die Ehrenrettung Francisco de Orellanas. Denn bis dahin galt der spanische Konquistador bei den meisten Chronisten als gemeiner Verräter, der auf Proviantsuche seinen Vorgesetzten Gonzalo Pizarro im südamerikanischen Regenwald sitzen ließ - und stattdessen als erster Weißer den Amazonas befuhr. Mit seinem Werk schafft Medina es jedoch nicht nur, schlüssig zu erklären, dass Orellana im Prinzip gezwungen war, Pizarro zurückzulassen. Zugleich hat der Historiker auch das faktisch genaueste und umfangreichste Buch über die einzigartige Entdeckungsfahrt des Spaniers geschrieben. Im Mittelpunkt des Buches steht der abgedruckte Reisebericht des Mönchs Gaspar de Carvajal, der die Amazonas-Odyssee Orellanas selbst miterlebt hat. Neben einer eigenen akribischen Rekonstruktion der gesamten Expedition (inklusive Karten) präsentiert Medina zudem eine Vielzahl weiterer historischer Dokumente, etwa jenen Bericht Gonzalo Pizarros an den König, in dem der Enttäuschte Orellana des Verrats bezichtigte - und so das spätere Bild des Amazonas-Entdeckers prägte.
Anthony Smith, Explorers of the Amazon (Viking, London 1990) 344 Seiten, ca. 30 Euro
Die Entdeckung und Erforschung des wasserreichsten Stroms der Erde über gut vier Jahrhunderte hinweg ist das Thema des britischen Journalisten und Publizisten Anthony Smith. Der Autor hat keine durchgehende Erzählung geschrieben, sondern widmet den wichtigsten Amazonas-Pionieren - beginnend mit den ersten Europäern an der Küste Brasiliens um 1500 - jeweils ausführliche separate Kapitel. Genau recherchiert und zugleich spannend zu lesen, mit viel Quellenzitaten und Informationen zum allgemeinen geschichtlichen Hintergrund, schildert Smith auch das Schicksal Francisco de Orellanas - sowohl dessen legendäre erste als auch dessen zweite, so katastrophal endende Amazonas-Expedition. Durch die anderen Porträts im Buch lässt sich Orellanas Fahrt zugleich gut in die Gesamtgeschichte der Amazonas-Erkundung einordnen - eine Geschichte, die für die Einheimischen oft Gewalt und Ausbeutung bedeutete. Auch ein deutscher Nachfolger Orellanas erhält übrigens ein Kapitel: der Naturforscher Alexander von Humboldt, der Amazonien um 1800 bereiste.
Urs Bitterli, Die Entdeckung Amerikas. Von Kolumbus bis Alexander von Humboldt (Beck, München 1999) 544 Seiten, 14,50 Euro
Eines der besten deutschsprachigen Werke über die Entdeckung und Eroberung der Neuen Welt durch die Europäer. Urs Bitterli, inzwischen emeritierter Geschichtsprofessor aus Zürich, schildert anschaulich, differenziert und mit vielen Zitaten aus Tagebüchern, Briefen und Reisechroniken, wie und warum europäische Seefahrer den Sprung über den Atlantik wagten und die Küsten Amerikas erkundeten. Im zweiten Teil des Buches behandelt der Historiker die Feldzüge der Konquistadoren wie etwa Hernando Cortés oder Francisco Pizarro, die getrieben vom Verlangen nach Reichtum aufs amerikanische Festland vorstießen. Die Eroberer unterwarfen einheimische Kulturen, ganze Völkerschaften wurden versklavt und mitunter vernichtet. Das galt nicht nur für Süd- und Mittelamerika, sondern auch für den Norden des Kontinents, den Bitterli ebenfalls einbezieht. Die Darstellung endet mit den Reisen Alexander von Humboldts, mit dem die Gier der Europäer allmählich in wissenschaftliche Neugier überging: gewissermaßen der Beginn einer zweiten Entdeckung der Neuen Welt. Das Buch enthält zahlreiche Karten.
HUDSON'S BAY COMPANY - VORSTOSS ANS POLARMEER
Samuel Hearne, Abenteuer im arktischen Kanada. Auf der Suche nach der Nordwest-Passage 1769 - 1772 (Edition Erdmann, Stuttgart 1981), 262 Seiten, antiquarisch ab ca. 24 Euro erhältlich
Auf seine alten Tage hat Samuel Hearne seine Reisetagebücher so weit überarbeitet, dass sie 1795 posthum in London veröffentlicht werden konnten. Auch in der deutschen Übersetzung ein erstaunlicher Bericht: Hearne verzichtet darauf, seine Erfolge zu glorifizieren. Er lässt weder seine Zweifel noch seine Bewunderung gegenüber seinen indianischen Führern und Freunden aus und taucht so vorurteilsfrei in ihre Welt ein, wie wenige Europäer in der Zeit der Entdeckungen es getan haben. Ein zusätzlicher Tipp: Hearnes Aufzeichnungen lassen sich im englischen Original komplett im Internet nachlesen (unter www.canadiana.org/ECO/mtq?id=43191bb115&doc=35434)
Peter C. Newman, Company of Adventurers. The Story of the Hudson's Bay Company, Bd. 1 (Penguin Books Canada Ltd., Ontario, 1985) 566 Seiten, antiquarisch ab ca. 20 Euro erhältlich
Der ehemalige Journalist Peter C. Newman hat insgesamt drei gewichtige Bände zur Geschichte der Hudson's Bay Company geschrieben. Von der Gründung bis heute. Der erste Band über die britischen Schiffe in der Hudson Bay, das Aushalten hartgesottener Männer an der gefrorenen Inlandssee, Geschäfte mit den Indianern und Inuit sowie die Suche nach der Nordwestpassage ist allerdings der spannendste.
JAMES COOK UND GEORG FORSTER - DIE ENTDECKUNG DES NICHTS
Georg Forster, Reise um die Welt (Insel, Frankfurt a. M. 1983) 1040 Seiten, 17 Euro
Der Bericht des jungen Naturforschers Forster, der James Cook auf der zweiten Weltreise begleitete, wurde bald zum einflussreichsten Stück Reiseliteratur seiner Zeit. Akribische und farbige Beschreibungen von Menschen und Landschaften, gefiltert durch den Geist der Aufklärung, fügen sich zur handfesten Meditation über Fortschritt und Glück.
James Cook, Entdeckungsfahrten im Pazifik. Die Logbücher der Reisen 1768-1779 (Edition Erdmann, Stuttgart 2005) 320 Seiten, 24 Euro
Ob es um Navigationsprobleme geht, um Kannibalismus oder die Prostitution der Südseefrauen - Cook verhandelt alles mit der gleichen bärbeißigen Nüchternheit. Ein Buch, das beweist, dass Entdecken zuallererst Arbeit ist.
LUDWIG LEICHHARDT - VERSCHOLLEN IM OUTBACK
Hans Wilhelm Finger, Leichhardt. Die ganze Geschichte von F. W. Ludwig Leichhardt - Träumer, Forscher und Entdeckungsreisender in Australien (Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Göttingen 1999) 658 Seiten, antiquarisch ab ca. 50 Euro erhältlich
Von ihrer Aufmachung wirkt die einzige ausführliche Leichhardt-Biographie in deutscher Sprache wie eine trockene Abhandlung. Sie ist aber genau das Gegenteil: Finger hat sich eng an Leichhardts Tagebücher und Briefe gehalten, das Buch steckt voller Details aus dem aufregenden Leben des Australien-Pioniers. Nachteil: Finger driftet häufig ins Blumige ab und betrachtet Leichhardts Wirken völlig kritiklos. Ausführlich widmet sich der Autor auch dem Verschwinden Leichhardts und der anschließenden, jahrzehntelangen Suche. Ein Standardwerk mit vielen Karten und Zeichnungen, leicht lesbar noch dazu.
Ludwig Leichhardt, Die erste Durchquerung Australiens 1844-1846, hg. von Franz Braumann (Edition Erdmann, Stuttgart 2002) 254 Seiten, 24 Euro
Wenn, wie im Fall Ludwig Leichhardt, Mythen und Spekulationen den Blick zu verstellen drohen, hilft ein Blick in die Quellen. Das Tagebuch der Expedition nach Port Essington verrät viel über Leichhardts Denken und Verhalten als Forscher und Entdecker. Er beschreibt den täglichen Kampf um Wasser und Nahrung, die Stimmung in der Truppe, seine Begegnungen mit den Aborigines. Eine aufregende Entdeckungsreise durch den australischen Outback des 19. Jahrhunderts, in der die auch die faszinierende Landschaft und Tierwelt des Fünften Kontinents lebendig wird.
GEBRÜDER SCHLAGINTWEIT - IM SCHATTEN DES EVEREST
Hermann von Schlagintweit, Reisen in Indien und Hochasien (Fines Mundi, Saarbrücken 2004) zusammen 2128 Seiten, 225,20 Euro (nicht über den Buchhandel, sondern direkt bei www.fines-mundi.de zu beziehen)
Das vom ältesten der Brüder verfasste, erstmals zwischen 1869 und 1880 erschienene Reisewerk ist überaus reich an geologischen, botanischen und ethnografischen Beobachtungen, aber leider wenig erzählerisch geschrieben. Es erfordert etwas Ausdauer, sich mit den Schlagintweits auf Lese-Expedition durch Indien und in den Himalaya zu begeben.
Wer die drei Forscher lieber nur für eine kurze Tagestour lesend begleiten möchte, dem sei der von Herbert Scurla herausgegebene Band Entdeckungen auf vier Kontinenten (Verlag der Nation, Berlin 1959), 790 Seiten, antiquarisch ab ca. 15 Euro, empfohlen. Er enthält einen 129-seitigen Auszug aus Hermann Schlagintweits Opus magnum.
Mehrere knappe und sehr gut informierende Aufsätze über die Brüder sowie viele ihrer Aquarelle, Zeichnungen und Fotografien versammelt der Ausstellungskatalog Der Weg zum Dach der Welt, hrsg. v. Claudius C. Müller und Walter Raunig (Umschau, Frankfurt a. M. 1982), 408 Seiten, antiquarisch ab ca. 35 Euro.
ROYAL GEOGRAPHICAL SOCIETY - CLUB DER WELTENBUMMLER
To the Ends of the Earth. Visions of a Changing World: 175 Years of Exploration and Photography, hrsg. von Rita Gardner u. a. (Bloomsbury, London 2005) 350 Seiten, ca. 54 Euro
Anlässlich ihres 175-jährigen Jubiläums hat die Royal Geographical Society (RGS) diesen außergewöhnlichen Band veröffentlicht. Englische Textbeiträge erzählen die Geschichte der Geografen-Vereinigung von ihrer Gründung 1830 bis heute; dabei wird den herausragenden Forschern der RGS viel Platz eingeräumt - etwa David Livingstone in Afrika, Captain William Shakespeare in Arabien, aber auch Frauen wie Isabella Bird Bishop in Asien. Doch vor allem die Illustrationen ziehen den Betrachter in ihren Bann: Zu sehen sind beispielsweise historische Schwarzweiß-Fotografien von Entdeckern und Eingeborenen oder Skizzen von Nashörnern und unbekannten Flussläufen. Zugleich vermitteln Artefakte wie der verwitterte blaue Hut von David Livingstone oder die zerknautschten Provianttaschen einer Arktisexpedition ein Stück der abenteuerlichen Aura, die die RGS bis heute umgibt.
Hinter dem Horizont. Von der Erkundung Afrikas bis zur Eroberung des Mount Everest. Die fotografischen Schätze der Royal Geographical Society (Frederking und Thaler, München 1998) 340 Seiten, antiquarisch ab ca. 30 Euro erhältlich
Die meisten der rund 500.000 Fotografien, die auf den Expeditionen der Royal Geographical Society entstanden, sind bisher unveröffentlicht; eine Auswahl immerhin ist erstmals in diesem Bildband zu sehen. Groß- und kleinformatige Schwarzweiß- und Farbbilder zeugen eindrucksvoll von der Erkundung der Welt; ein Stück weit sind viele Bilder aber auch (soweit es die frühere Fotografie betrifft) Dokumente britisch-kolonialer Weltanschauung. Eben dies macht den Band so spannend: Wenn wir etwa das Bild eines afrikanischen Stammes beim Tanz betrachten oder das Portrait zweier Aborigines, dann tun wir das durch die Augen der damaligen Forscher ebenso wie aus unserer heutigen, kritischen Distanz.
Tim Jeal, Livingstone (Yale University Press, New Haven 2001) 464 Seiten, ca. 18 Euro
Respektvoll, doch ohne verklärte Bewunderung, beschreibt der britische Autor Tim Jeal den widersprüchlichen Charakter des Forschers David Livingstone. Grausam und gnadenlos habe dieser manchmal gehandelt, um seine Ziele durchzusetzen; andererseits habe Livingstone leidenschaftlich gegen die Sklaverei in Schwarzafrika gekämpft. Jeal hat hervorragend recherchiert und hält sich bei seiner Darstellung eng an die Fakten; dadurch kommt er dem Mensch hinter dem Mythos Livingstone sehr nahe.
Henry M. Stanley, Wie ich Livingstone fand, hrsg. von Heinrich Pleticha (Edition Erdmann, Stuttgart 1995) 368 Seiten, antiquarisch ca. 20 Euro erhältlich
"Nehmen Sie, was Sie brauchen - aber finden Sie Livingstone!" Mit diesen Worten schickt der Verleger der Zeitung "New York Herald" den Journalisten Henry M. Stanley angeblich nach Afrika, um den als verschollen geltenden Forscher David Livingstone zu finden. 236 Tage dauert Stanleys Suche; mit 200 Mann zieht er 1871 durch Steppe, Urwald und Sümpfe, Fieberkrankheiten und Desertionen dezimieren seine Gruppe, bis er den Forscher schließlich findet. Seine abenteuerliche Suche und die fünf Monate, die er schließlich mit Livingstone verbrachte, schildert der Journalist in diesem spannenden Reisebericht.
JOHN HANNING SPEKE UND RICHARD FRANCIS BURTON - DAS DUELL UM DEN NIL
Georg Brunold (Hrsg.), Nilfieber. Der Wettlauf zu den Quellen (Eichborn, Frankfurt a. M. 1994) 444 Seiten, antiquarisch ab ca. 30 Euro erhältlich
Immer noch der beste Überblick zum Thema. Brunolds Buch basiert auf den englischen Klassikern "The White Nile" (1960) und "The Blue Nile" (1962) von Alan Moorehead - beide übrigens auf Englisch als Taschenbücher lieferbar - und fügt in einem dokumentarischen Anhang Auszüge aus den Reisebeschreibungen von James Bruce, Richard Francis Burton, John Hanning Speke, David Livingstone, Samuel White Baker und Henry Morton Stanley hinzu.
Wer die Expeditionsberichte Burtons und Spekes und ihrer deutschen Vorläufer direkt studieren will, ist mit zwei Reprints gut bedient: Karl Andree, Die Expeditionen Burton's und Speke's von Zanzibar bis zum Tanganyika- und Nyanza-See; Rebmann's Wanderung nach Dschagga und Krapf's Reisen im äquatorialen Ostafrika und Abessinien, (Fines Mundi, Saarbrücken 2005, Reprint der Ausgabe Leipzig 1861) 548 Seiten, 48,30 Euro (nicht über den Buchhandel, sondern direkt bei www.fines-mundi.de zu beziehen)
John Hanning Speke, Die Entdeckung der Nilquellen. Reisetagebuch (Edition Ost, Berlin 1995, Reprint der Ausgabe Leipzig 1864) 428 Seiten, antiquarisch ab ca. 70 Euro erhältlich
Wer einen romanhaft-biographischen Zugang als Einstieg vorzieht, greife zu Ilija Trojanows Der Weltensammler (Hanser, München 2006) 474 Seiten, 24,90 Euro.
Das hervorragend erzählte Buch (Preis der Leipziger Buchmesse) widmet sich in erster Linie den Abenteuern Richard Francis Burtons.
JOHN FRANKLIN - AUFBRUCH INS REICH DER KÄLTE
Owen Beattie und John Geiger, Der eisige Schlaf. Das Schicksal der Franklin-Expedition (Piper, München 7. Aufl. 2003) 174 Seiten, 9,90 Euro
Die berühmte Polarexpedition von Sir John Franklin, die im Mai 1845 auf der Suche nach der Nordwestpassage aufbricht, endet in einer Katastrophe. Sie verschwindet einfach in den Weiten des Hohen Nordens. Fast 140 Jahre später stößt der kanadische Anthropologe Owen Beattie auf die Gräber dreier Seeleute Franklins. Er exhumiert die Toten und unterbricht ihren eisigen Schlaf im Dauerfrostboden der Arktis. Mit den Methoden der klinischen Pathologie untersucht er die Leichen und kommt zu dem Schluss, dass die Männer der Expedition unter anderem an chronischer Bleivergiftung gestorben sind, ausgelöst durch mit Blei verlötete Konservendosen. Owen Beatties packender Bericht ist einzigartig in der Fülle der Franklin-Literatur. Und die Fotos der toten Seemänner sind grandios: Eismumien, die direkt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit blicken. Bilder - schrecklich und schön zugleich.