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Altes Ägypten Tod am Nil: Woran starb Tutanchamun?

Pharao Tutanchamun, der Sohn des "Ketzerpharao" Echnaton, starb etwa 1323 v. Chr. in jungen Jahren – aber woran? Darüber wird bis heute gerätselt

Inhaltsverzeichnis

Die Mordthese

Schon Howard Carter, der Entdecker des Tutanchamun-Grabes, und sein Team untersuchten in den Jahren nach der Öffnung der Sargkammer 1923 die Mumie des Herrschers und gingen dabei alles andere als zimperlich vor: Der Körper war einst mit Harzen einbalsamiert worden, die sich im Laufe der Jahrtausende zu einer zäh klebenden Masse verwandelt hatten. Carter und seine Leute brachen bei der Auswicklung der Leiche aus ihren Bandagen Knochen des Königs, ja, sie sägten seinen Kopf ab, um ihn anschließend mit angewärmten Messern aus der berühmten goldenen Gesichtsmaske zu schälen.

Die Mordthese

1968 und 1978 wurde die malträtierte Mumie erneut geröntgt, entscheidende neue Erkenntnisse kamen dabei jedoch nicht zutage - bis der amerikanische Paläopathologe Bob Brier 1998 in einer der damals 30 Jahre alten Aufnahmen eine Verletzung des hinteren Schädels über dem Nacken zu erkennen glaubte.

Briers Schlussfolgerung: Ein Schlag auf den Hinterkopf habe den Pharao gefällt, Tutanchamun sei ermordet worden. Sein Buch (auf Deutsch unter dem Titel „Der Mordfall Tutanchamun“ erschienen) war eine Detektivgeschichte aus dem alten Ägypten - und wurde populär.

Zweifel bleiben angebracht

Doch im Frühjahr 2005 legte ein ägyptisches Forscherteam (dessen Ergebnisse von Wissenschaftlern aus der Schweiz und Italien überprüft wurden) den toten Pharao in einen modernen Computertomographen (CT) legte. Mehr als 1700 Bilder machte das Gerät vom Inneren des Körpers, detailgenauer als alle früheren Aufnahmen. Einmütige Erkenntnis der Wissenschaftler danach: "Es gibt am Schädel KEIN Anzeichen für einen Mord." Keine Verletzung, kein Schlag, nichts.

Aber was ließ den Pharao dann, wie es in altägyptischen Texten umschreibend heißt, "in den Westen reisen"? Tutanchamun, das zeigen Indizien wie etwa das Zusammenwachsen der Knochennähte im Schädel oder der Zustand seiner Weisheitszähne, ist wahrscheinlich 19 Jahre alt geworden. Seine Knochen verraten kein Zeichen für schlechte Ernährung (was bei einem Pharao nicht überraschend ist) und auch keines für eine schwere, gar tödliche Krankheit.

Altes Ägypten: Diese Totenmaske (hier in einer Reproduktion für die Ausstellung "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze") bedeckte einst das Antlitz der Mumie des um 1323 v. Chr. plötzlich verstorbenen Pharao
Diese Totenmaske (hier in einer Reproduktion für die Ausstellung
"Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze") bedeckte einst das Antlitz der Mumie des um 1323 v. Chr. plötzlich verstorbenen Pharao
© Semmel Concerts Veranstaltungsservice GmbH

War es ein Unfall?

Kam Tutanchamun bei einem Unfall ums Leben?

Sein linker Oberschenkelknochen ist allerdings auffällig gebrochen. So ersetzten 2005 einige Forscher aus dem CT-Team die Mord- durch eine kaum weniger gewagte Unfallgeschichte: Tutanchamun habe sich einen offenen Oberschenkelbruch zugezogen, die Wunde sei nicht geheilt, eine Infektion habe den Herrscher schließlich dahingerafft. Kunstwerke in seinem Grab zeigen Tutanchamun im leichten Streitwagen bei der Jagd. Ist der Pharao vielleicht bei der Straußenhatz aus dem Wagen geschleudert worden? Oder hat, wie unromantisch, ein unglücklicher Sturz auf irgendeiner Palast- oder Tempeltreppenstufe sein Leben beendet?

Müßige Spekulationen: Denn einige Spezialisten aus dem CT-Team widersprachen ihren Kollegen und wiesen darauf hin, dass Haut und Muskelgewebe um die Bruchstelle keine Hämatome oder Spuren schwerer Blutungen zeigen - die aber müsste ein solch fürchterlicher Bruch zu Lebzeiten ausgelöst haben. Nach Ansicht dieser Forscher ist deshalb auch die Verstümmelung des Oberschenkels auf die handfeste Untersuchung der Leiche in Zeiten Howard Carters zurückzuführen.

Noch immer keine Klarheit

Das Rätselraten um die vielleicht berühmteste Leiche der Weltgeschichte darf also weitergehen - zumal im alten Ägypten bei der Mumifizierung die meisten inneren Organe aus dem Körper entfernt und gesondert einbalsamiert wurden, sodass man sie heute nur schwer untersuchen kann. Manche Analysen, die Pathologen heute bei Leichen vornehmen, können deshalb bei Mumien nicht durchgeführt werden. Andere Befunde sind zwar zu gewinnen, aber schwer zu interpretieren.

Der CT-Scan von 2005 zeigt beispielsweise, dass Tutanchamuns Brust offen ist: Brustbein und vordere Rippenbögen sind sauber herausgeschnitten worden. Auch von Howard Carter, der Schmuckstücke von der Brust der Mumie lösen wollte? Carter selbst erwähnt dies allerdings - vielleicht verständlicherweise - mit keinem Wort.

Verschwörungstheoretikern mag eine andere Variante gefallen: Tutanchamun wurde doch ermordet, durch einen Stich ins Herz. Und bei der Mumifizierung hat man seinen Brustkorb geöffnet, um für immer jede Spur der tödlichen Wunde zu beseitigen. Beweise erst mal einer, dass es nicht so war ...

Ausstellungstipp

Wer es genau wissen will:

Hier geht es zur Pressemitteilung mit den Ergebnissen der CT-Untersuchung von 2005.

Wer noch neugieriger ist, kann unter dem Kennwort "Tutanchamun/Anatomie" per E-Mail unter info@semmel.de weitere Literaturtipps zum Thema erhalten.

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GEO EPOCHE Nr. 32 - 08/08 - Das alte Ägypten

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