Inhaltsverzeichnis
- GESAMTDARSTELLUNGEN
- DEUTSCHE GESCHICHTE 1789-1848
- MAINZER REPUBLIK - DIE ANGEORDNETE REVOLUTION
- SCHINDERHANNES - VOLKSHELD UND VERBRECHER
- 1806 – ENDE EINES IMPERIUMS
- BESATZUNGSZEIT - HAMBURG UNTER DEN FRANZOSEN
- BEFREIUNGSKRIEGE - DIE SCHWARZEN JÄGER
- E.T.A. HOFFMANN – DER GESPENSTERSEHER
- WIENER KONGRESS – FESTSPIELE DER MACHT
- MORD AN KOTZEBUE – DAS ATTENTAT
- CASPAR DAVID FRIEDRICH – EIN NEUER BLICK AUF DIE WELT
- BEETHOVENS NEUNTE – DAS GROSSE FINALE
- HAMBACHER FEST – EINE FEIER FÜR DIE FREIHEIT
- AUSWANDERUNG – AUFBRUCH INS UNGEWISSE
- REVOLUTION & PAULSKIRCHE
GESAMTDARSTELLUNGEN
Rüdiger Safranski, Romantik. Eine deutsche Affäre (Hanser, München 2007), 416 Seiten, 24,90 Euro.
Safranskis analytisch-anekdotisches Werk war überfällig, denn an lesbaren, gar vergnüglichen Darstellungen zur Romantik mangelte es bisher. Der Bestseller-Philosoph begibt sich auf einen ideengeschichtlichen Streifzug durch jene Jahrzehnte nach 1790, als in Deutschland die Phantasie den Verstand überflügelte - und verfolgt das Fortwirken der romantischen Ideen bis ins 20. Jahrhundert. Ein Manko: Das Werk konzentriert sich auf die literarischen und philosophischen Ausprägungen der romantischen Weltanschauung; zwar widmet Safranski dem Komponisten Richard Wagner ein eigenes Kapitel, doch einen Namen wie Caspar David Friedrich, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem der bedeutendsten Maler der Romantik wurde, sucht man im Personenregister vergeblich.
Gerhard Schulz, Romantik (C. H. Beck, München 2007), 143 Seiten, 7,90 Euro.
Der schmale Band aus der Feder eines Germanisten bietet einen raschen Überblick. Schulz erläutert auf verständliche Weise, wie und wann der Begriff „Romantik“ entstand, geht auf Musik und Bildende Kunst ein. Ein leichter Zugriff auch zu typischen Themen der Romantiker: Natur und Vergangenheit, schwärmerische Liebe, Heldentum, Nacht, Magie und Mystik. Gut sortierte Literaturhinweise im Anhang helfen dem neugierigen Leser schnell weiter.
Helmut Schanze, Romantik-Handbuch (Kröner, Tübingen 2003), 810 Seiten, 29 Euro.
Ein üppiges Nachschlagewerk - geeignet allerdings nur für Leser, die Fachjargon und literaturwissenschaftliche Finessen nicht scheuen. Schanzes Unternehmen, die romantische Literaturbewegung in ihren historischen Kontext einzuordnen und in Phasen einzuteilen, ihre literarischen Formen und Stilmittel durchzudeklinieren und ihr Verhältnis zu Musik, Philosophie, Politik und Theologie zu analysieren, ist löblich - zum fortlaufenden Lesen und als Einführung für Laien ist das Handbuch jedoch kaum geeignet.

Literaturtipps zu älteren Ausgaben
DEUTSCHE GESCHICHTE 1789-1848

Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763-1815 (btb, Berlin 1998), 750 Seiten, ab 15 Euro.
Ein mit leichter Hand geschriebenes, atmosphärisch dichtes Buch: zitatgesättigte Passagen, Abdrucke von Originalschriften und Hunderte zeitgenössische Bilder machen den Band aus der Siedler-Reihe „Deutsche Geschichte“ zu einem Lesevergnügen. Möller geht in seiner Darstellung bis in die 1760er Jahre zurück, betrachtet das Alltagsleben, die Folgen der Aufklärung, den Wandel der höfisch geprägten Kultur zur bürgerlichen Salonkultur um 1800 – und spürt dialektischen Nebeneinander von fürstlicher Macht und bürgerlichem Aufbruch, von Beharrung und Moderne in Deutschland nach.
Besonders empfehlenswert: das Kapitel über die „Todesstunde der Alten Welt“, in dem der Autor die Folgen der Französischen Revolution für Deutschland beschreibt. Möller endet mit dem Wiener Kongress von 1814/15 – als die europäischen Fürsten mit der Neuordnung des Kontinents und der Gründung des „Deutschen Bundes“ eine Epoche der Restauration einläuteten.
Wolfram Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871 (C.H. Beck, München 1995), 488 Seiten, 24,90 Euro.
Das übersichtliche Kompendium des Münchner Neuzeithistorikers widmet sich einer Zeit rasanter politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche, die mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation 1806 begann und 1871 in die Gründung eines neuen Kaiserreiches mündete. Ausführlich schildert Siemann die territorialen Veränderungen zu Beginn des Jahrhunderts, widmet sich der sozialen Not im Vormärz und kulturellen Strömungen wie der Romantik. Ein Standardwerk in wissenschaftlichem Duktus.
Elisabeth Fehrenbach, Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress (Oldenbourg, München 2008), 334 Seiten, 24,80 Euro.
Kompaktes Studienbuch mit einem Überblick zum aktuellen Forschungsstand, das in die so genannte europäische „Sattelzeit“ um 1800 einführt: jene Jahre, in denen mit der politisch-sozialen Revolution in Frankreich, der Industrialisierung in Großbritannien und umfassenden Reformen in Preußen die Moderne heraufdämmerte. Stichwörter am Seitenrand ermöglichen eine schnelle Orientierung, ein umfassendes, klar gegliedertes Quellen- und Literaturverzeichnis stoffliches Vertiefen.
MAINZER REPUBLIK - DIE ANGEORDNETE REVOLUTION
Klaus Harpprecht, Georg Forster oder Die Liebe zur Welt (Rowohlt, Reinbek 1990), 632 Seiten, 9,90 Euro.
Georg Forster? Der Weltreisende, Naturforscher, Aufklärer und Revolutionär ist ein Klassiker der deutschen Literatur. Aber ein unterschlagener. Er begleitet James Cook auf dessen zweiter Weltumsegelung und berichtet in seiner „Reise um die Welt“ darüber. Goethe bewundert Forster, obwohl er die revolutionäre Gesinnung des Mitbegründers der Mainzer Republik nicht teilen kann. In seiner großartigen Biographie entwirft Klaus Happrecht ein sorgfältig recherchiertes Bild des heimlichen Klassikers. Des Schriftstellers, den man feiert. Und des Revolutionärs, den man verdrängt und der am 10. Januar 1794 in Paris stirbt. Vereinsamt und fast vergessen. In einer Dachkammer in der Rue des Moulins.
Arno Schmidt, Nachrichten von Büchern und Menschen, Band 1: Zur Literatur des 18. Jahrhunderts (Fischer, Frankfurt a. M. 1989), 223 Seiten, antiquarisch ab ca. 10 Euro.
Eigentlich sind die Texte, die der Autor Arno Schmidt über Literaten der Aufklärung verfasst hat, Hörspiele. Kunstvolle Dialoge mit Schriftstellern wie Christoph Martin Wieland, Friedrich Gottlieb Klopstock oder Johann Gottfried Herder. Ein Mosaik aus Information und Zitat, aus Anspielung und Auslegung – pointiert und mit analytischem Witz. So zeichnen die raffiniert erdachten Zwiegespräche ein verblüffend lebendiges Bild der geistigen und literarischen Welt der Aufklärung und der frühen Romantik. Ein ungewöhnliches, ein herausragendes Werk über die Literatur des 18. Jahrhunderts.

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SCHINDERHANNES - VOLKSHELD UND VERBRECHER
Manfred Franke, Schinderhannes. Das kurze, wilde Leben des Johannes Bückler (Claassen, Berlin 1993), 406 Seiten, 18 Euro.
Wer war Schinderhannes wirklich? Der Autor vermeidet es, diese Frage einseitig oder klischeehaft zu beantworten. Er erzählt die Geschichte des Hunsrücker Räuberhauptmanns Johannes Bückler anhand von zeitgenössischen Dokumenten: Franke setzt Verhörprotokolle, Zeitungsberichte, Steckbriefe und Zeugenaussagen zu einem Bild zusammen, das in seiner gewollten Uneindeutigkeit Spielraum für eigene Interpretationen lässt.
1806 – ENDE EINES IMPERIUMS

Hans-Christof Kraus, Das Ende des alten Deutschland. Krise und Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (Duncker & Humblot, Berlin 2006) 124 Seiten, 28 Euro.
Am 6. August 1806 legt Kaiser Franz II. aus dem Geschlecht der Habsburger die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches nieder und erklärt das Reich für erloschen – nachdem dieses fast 850 Jahre existiert hatte. Kraus, Professor für Geschichte in Passau, schildert die Vorgeschichte dieser epochalen Zäsur: Zerrissenheit und antiquierte Institutionen des Alten Reichs, der preußisch-österreichische Konflikt um die Vormacht in Deutschland, schließlich der Angriff Napoleons, der das altertümliche Staatengebilde zerschlägt. Detailliert und immer verständlich geschrieben.
Wolfgang Burgdorf, Ein Weltbild verliert seine Welt. Der Untergang des Alten Reichs und die Generation 1806 (Oldenbourg, München 2006) 390 Seiten, 39,50 Euro.
Spannend und genau beschreibt der Historiker Burgdorf die Auswirkungen des Endes des Heiligen Römischen Reiches 1806 auf die in erster Linie Betroffenen: die Mitglieder des in Regensburg tagenden Reichstags und die Bevölkerung dieser Stadt. Die Gesandten müssen heimkehren und hinterlassen eine Wirtschaftskrise in dem bayerischen Ort: Die Mieten verfallen, Wohnungen stehen leer, zahlreiche Bedienstete verlieren ihre Arbeit. Eine interessante Darstellung darüber, was Umwälzungen in der „großen Politik“ für normale Menschen bedeuten.
BESATZUNGSZEIT - HAMBURG UNTER DEN FRANZOSEN
Burghart Schmidt, Hamburg im Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons (1789 - 1813). Teil 1: Darstellung (Verein für Hamburgische Geschichte, Hamburg 1998), 779 Seiten, antiquarisch - wenn auch schwer - erhältlich.
Eine Ende 1997 an der Universität von (na klar) Hamburg vorgelegte Dissertation: voluminös, faktenreich und spannend wie ein Telefonbuch, leider. Wie so oft bei akademischen Fleißarbeiten verstecken sich die überraschendsten und manchmal gar lustigen Texte in den Fußnoten, von denen es hier immerhin 1955 gibt. Insgesamt erfährt man viel über die Stadt an der Elbe in den Jahren um 1800 und die Franzosen, die versuchten, die Metropole zu verwalten - in vielen Bereichen überaus erfolgreich, nur beim Verhindern des Schmuggels mit britischen Waren nicht. Als Einführung ist das Werk allerdings nicht nur wegen seiner Sperrigkeit nicht zu empfehlen, sondern auch, weil es in manchen Bereichen der Stadtgeschichte und -topographie doch Vorwissen voraussetzt. Teil 2 übrigens ist die in Buchform gebrachte umfangreiche Liste der Quellen und Literatur, die Schmidt für sein Werk nutzte. Diese Anschaffung lohnt nur bei extremstem eigenen wissenschaftlichen Interesse am Thema.
Franklin Kopitzsch & Daniel Tilgner (Hg.), Hamburg Lexikon (Ellert & Richter, Hamburg 2005), 672 Seiten, 29,95 Euro.
Die Elbstadt in mehr als 1200 Schlagworten. Wer bei Schmidt über Bauten, Personen, Stadtviertel oder Kaufmannsdynastien stolpert, hat gute Chancen, hier die gewünschten Basisinformationen zu finden. Und wie es so ist: Liest man erst einmal einen Beitrag, führt dieser einen zum nächsten und zum nächsten...

BEFREIUNGSKRIEGE - DIE SCHWARZEN JÄGER
Eckart Kleßmann, Die Befreiungskriege in Augenzeugenberichten (DTV, München 1973) 379 Seiten, antiquarisch ab ca. 7,50 Euro.
„Urteilen Sie doch selbst, was zu befürchten ist von einem so braven, so vernünftigen, so kalten, so geduldigen Volke.“ Das sagte Napoleon über die Deutschen, um seinen Marschall Davout, den gestrengen Statthalter des von ihm annektierten Hamburg, zu beschwichtigen. Dieser nämlich befürchtete Aufstände – und tatsächlich brachen schon bald die so genannten Befreiungskriege los, in denen Preußen in Koalition mit anderen europäischen Mächten Napoleons Grand Armée niederrang. Kleßmanns schmaler Band spiegelt die Wahrnehmung der Schlachten, Scharmützel und großen Politik zwischen 1813 und 1815 wider - und schildert anschaulich den Alltag des Franzosenkaisers, einfacher Bürger und Soldaten. Es sind Innenansichten einer aufwühlenden Zeit, in der die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 nicht nur für den militärischen Wendepunkt im Kampf gegen Napoleon steht, sondern auch für den Einbruch des Grauens: „Ein großes Zimmer lag gepfropft voll, fast lauter Kürassiere, denen die Arme oder Beine teil weggeschossen, teils abgeschlagen waren.“
Herfried Münkler, Gewalt und Ordnung. Das Bild des Krieges im politischen Denken (Fischer Taschenbuch, Frankfurt a. M. 1992), 249 Seiten, 34 Euro.
Münkler reflektiert die ideengeschichtliche Topographie des Krieges und des Friedens – von Platon über Clausewitz bis Che Guevara. Er fragt nach dem Wesen des Krieges (bewaffnete Rechtsexekution oder Staatenduell?), beschreibt dessen Totalisierung durch die Französische Revolution, untersucht die politische Theorie und historische Gestalt des Partisanen und analysiert die Strategie des Terrorismus. Das Buch bietet eine anregende Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen der Konfliktaustragung und deren Rückwirkung auf das politische Handeln, zeigt wirkungsmächtige Bilder und Begriffe auf, in Goyas Werken ebenso wie in Maos Parolen. Obwohl mit seinen Bezugspunkten (Ende des Ost-West-Konflikts, Balkankriege, Erster Golfkrieg) nicht auf der Höhe der Zeit, lassen sich durchaus Schlüsse zur aktuellen politischen Lage ziehen.
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E.T.A. HOFFMANN – DER GESPENSTERSEHER
Klaus Günzel, E.T.A. Hoffmann. Leben und Werk in Briefen, Selbstzeugnissen und Zeitdokumenten (Claasen, West-Berlin 1979 u. a.), 563 Seiten, antiquarisch ab 1 Euro.
Hier kommt Hoffmann selbst zu Wort – zum Vergnügen des Lesers: Aus der Ironie der Briefe, den lapidaren, oft launigen Tagebucheinträgen, ätzende Polemiken und einzelnen Werkausschnitten tritt der Mensch Hoffmann lebendiger hervor, als jeder Biograph ihn zu schildern vermag. Seine Weggefährten und frühen Biographen werden im Original zitiert, zeitgenössische Reiseberichte schildern Schauplätze. Kurze, raffende Passagen liefern jeweils den Kontext. Deren zeitgebundene ideologische Aufladung – der Band erschien ursprünglich 1976 in Ost-Berlin – lässt sich mühelos überlesen.

Rüdiger Safranski, E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten (Fischer Taschenbuch, Frankfurt a. M. 2007), 534 Seiten, 12,95 Euro.
Ein frühes Werk des begnadeten Erzählers deutscher Geistesgeschichte und -geschichten. Obwohl bereits 1984 erschienen, überzeugt die Biographie auch in ihrer vierten Auflage immer noch durch profunde Kenntnisse, lebendiges Zeitkolorit, eine feine Psychologie. Nicht ganz so spannend wie Hoffmanns Erzählungen, aber fast.
Hartmut Steinecke (Hrsg.), E.T.A. Hoffmann, Lebensansichten des Katers Murr, nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern (Reclam, Stuttgart 2000), 517 Seiten, 9,40 Euro.
Ein Kater erzählt sein Leben als aberwitzige Satire auf das bildungsbeflissene Spießbürgertum; Hoffmann in der Rolle des Herausgebers entschuldigt sich wortreich für den „versehentlichen“ Mit-Abdruck der Aufzeichnungen eines scheiternden Musikers, die dem Kater als Schmierpapier gedient hätten – um dann in den vorgeblichen Notizen des zornigen Künstlers sich selbst zu karikieren. Bitterböse, urkomisch, überdreht: ein Meisterwerk der Romantik.
Gerhard R. Kaiser (Hrsg.), E.T.A. Hoffmann, Nachtstücke (Reclam, Stuttgart 2007), 431 Seiten, 9 Euro.
Warum die Zeitgenossen ihn „Gespenster-Hoffmann“ nannten: Hier erfährt man es. Acht Erzählungen von der unheimlichen, nächtlichen Seite des Lebens und der menschlichen Seele, die die Romantiker so sehr faszinierte. Bilder wie von Breughel. Am besten bei Kerzenschein und einem Punsch aus entzündetem Arrak oder einem „Kardinal“ aus Rheinwein und Champagner lesen, wie Hoffmann es liebte.

WIENER KONGRESS – FESTSPIELE DER MACHT
Henry A. Kissinger, Das Gleichgewicht der Großmächte. Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas 1812-1822 (Manesse, Zürich 1986), 684 Seiten, antiquarisch ab ca. 6,50 Euro.
Eine der besten und interessantesten Studien zum Thema ist noch immer das von Kissinger verfasste Doppelporträt über den österreichischen Außenminister Fürst Klemens von Metternich und den englischen Verhandlungsführer auf dem Wiener Kongress, Lord Castlereagh. Die 1957 erstmals publizierte Dissertationsschrift des späteren US-Außenministers erzählt weniger den Ablauf eines Lebens nach, sondern untersucht und beurteilt Entscheidungen der Staatsmänner, stellt Fragen an die Geschichte. Was unterscheidet den Frieden von Paris zwischen dem besiegten Frankreich und der antinapoleonischen Allianz von einem Straf-Frieden? Wie lässt sich der Sieg über Napoleon in eine ausgewogene Friedensordnung überführen? Welche Rolle spielt Metternich im diplomatischen Ränkespiel? Kissinger beschreibt den österreichischen Außenminister als außerordentlich geschickten Diplomaten, der, indem er das Gleichgewicht der europäischen Großmächte erneuert, eine lange Periode des Friedens schafft. Gleichzeitig schildert er ihn als einen Mann, der noch tief im 18. Jahrhundert und in der traditionellen Kabinettsdiplomatie verwurzelt ist, der auf die Fragen des 19. Jahrhunderts, auf die liberalen und nationalen Bewegungen, den Aufstieg des Bürgertums keine Antworten weiß, sondern ihnen nur Beharrung und Abwehr entgegensetzen kann. Für Kissinger ist Metternich ein herausragender Staatsmann, letztlich aber ein Scheiternder, weil ihm die schöpferische Kraft fehlt, auf die Veränderungen seiner Gegenwart zu reagieren.
Klaus Günzel, Der Wiener Kongress. Geschichte und Geschichten eines Welttheaters (Koehler und Amelang, München/Berlin 1995), 208 Seiten, antiquarisch ab ca. 15 Euro.
Weltentheater, Gesellschaftsstück, ein Reigen von Festen und Vergnügungen – auf dem Wiener Kongress sind die Freuden untrennbar mit den politischen Verhandlungen verwoben. Und Klaus Günzel zeigt dieses Panorama lebensprall, schillernd, vergnüglich und voller Lust an den kleinen Indiskretionen, die das Wiener Spitzelsystem über das Leben der herrschaftlichen Kongressgäste überliefert hat. Da erfährt man, wie der französische Außenminister Talleyrand vormittags Wiener Hocharistokraten und Diplomaten empfängt, angetan mit mehreren Schlafröcken und einer baumwollenen Tiara auf dem Haupt; wie der englische Gesandte Castlereagh in seinem Zimmer Tanzübungen mit einem Stuhl vollführt; wie sich der russische Zar junge Frauen in die Hofburg schmuggeln lässt und was der päpstliche Nuntius dazu sagt. Spleens und Marotten, Ballgeflüster, Gerüchte und Klatsch, Intrigen und Konfidenten-Berichte lassen die hohen Herren, die in Wien versammelt sind, in einem Licht erscheinen, das allzu oft nicht ihrem gesellschaftlichem Rang und dem würdevollen Bild, das sie nach außen vertreten, entspricht.
MORD AN KOTZEBUE – DAS ATTENTAT
Günther Heydemann, Carl Sand. Die Tat als Attentat (Oberfrankische Verlagsanstalt, Hof 1985), 160 Seiten, antiquarisch ab ca. 30 Euro.
In diesem schmalen Band schildert Günther Heydemann das nicht einmal 25 Jahre währende Leben des Theologiestudenten und Kotzebue-Mörders Carl Ludwig Sand. Kenntnisreich erzählt er die Geschichte eines Einzelgängers, der nach und nach in eine deutschtümelnde Sonderwelt abgleitet. Zugleich erfährt der Leser, wie mühsam der Aufbau der ersten Burschenschaften an den deutschen Universitäten war. Ergänzt wird dieses gut lesbare Buch nach Vorbild der Rowohlt-Monographien mit Auszügen aus Texten von und über Sand.
Günter Steiger, Urburschenschaft und Wartburgfest (Urania, Stuttgart 1991), 310 Seiten, antiquarisch ab ca. 14 Euro.
Steigers Buch, erstmals erschienen 1967, ist noch immer das Standardwerk über die frühen Burschenschaften. Mit vielen lebendigen Details erzählt er, wie sich die nationale Idee unter den Studenten verbreitete, wie diese sich zu Burschenschaften zusammenschlossen und auf dem Wartburgfest für ein geeintes Vaterland demonstrierten. Ausführlich geht er auch auf die Zerschlagung der Nationalbewegung nach dem Kotzebue-Attentat und die Karlsbader Beschlüsse ein. Leider wird das Lesen durch den häufig etwas verworrenen Aufbau erschwert. Auch schimmert immer wieder - das Buch wurde in der DDR geschrieben – ideologisch gefärbtes Vokabular durch.
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CASPAR DAVID FRIEDRICH – EIN NEUER BLICK AUF DIE WELT
Getrud Fiege, Caspar David Friedrich (Rowohlt, Reinbek 2004), 151 Seiten, 7,50 Euro.
Kenntnisreiche Biografie, die einen guten Einblick in das Leben und Wirken des Künstlers gibt. Die Stationen Friedrichs - von der kleinen Hafenstadt Greifswald über die europäisch orientierte Kopenhagener Akademie bis in die Kunstmetropole Dresden – werden kurzweilig nachgezeichnet. Auch vermittelt das Buch einen guten Eindruck von den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen der Maler gearbeitet hat.

Werner Hofmann, Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit (C.H. Beck, München 2007), 304 Seiten, 34,90 Euro (Sonderpreis).
Mit viel kunsttheoretischem Sachverstand geschriebenes, mitunter allerdings etwas sperriges Werk. Daher weniger für den geeignet, der sich einen ersten Eindruck vom Schaffen und von der Person Caspar David Friedrichs machen möchte. Der aufwendig gestaltete Band ist als Begleitbuch zur C. D. Friedrich-Ausstellung in Essen und Hamburg 2006 erschienen und daher hervorragend bebildert.
Ausflugstipp: Caspar-David-Friedrich-Bildweg in Greifswald
Ausgehend vom Geburtshaus des Künstlers, dem heutigen Caspar-David-Friedrich-Zentrum, führt der von der Caspar-David-Friedrich-Gesellschaft ausgearbeitete Bildweg zu Aussichtspunkten, die der bekannteste Sohn der Stadt verewigt hat, oder die ihm als Inspiration dienten. Eingebunden in die Tour ist auch der weltweit bekannte Blick auf die Silhouette Greifswalds mit den drei Backsteinkirchen. Für den großen, etwa 8 Kilometer langen Rundgang müssen Sie zu Fuß etwa 6 Stunden einplanen, mit dem Rad 2,5 Stunden. Der etwa 1,5 Kilometer lange Rundgang in der Altstadt dauert zu Fuß etwa 2, mit dem Rad etwa 1,5 Stunden.
Informationen im Internet: www.greifswald.de
BEETHOVENS NEUNTE – DAS GROSSE FINALE
Maynard Solomon, Beethoven (Fischer Taschenbuch, Frankfurt a. M. 1990), 446 Seiten, antiquarisch erhältlich.
Der amerikanische Musikproduzent und -wissenschaftler Maynard Solomon erregte in der Beethoven-Forschung Aufmerksamkeit, als es ihm in den 1970er Jahren gelang, mit hoher Wahrscheinlichkeit die „unsterbliche Geliebte“ zu identifizieren, die geheimnisvolle Adressatin eines Briefs des Komponisten. Ein ausführliches Kapitel dieser Biographie beschreibt seine Spurensuche, außerdem breitet Solomon den gesamten Lebensweg Ludwig van Beethovens aus, von der Jugend in Bonn bis zum Tod in Wien. Jeder wichtigen Schaffensperiode folgt in einem eigenen Abschnitt eine Analyse des musikalischen Werks. Informativ, gut lesbar, allerdings mit einigen psychoanalytischen Verblasenheiten, die heute nur noch schwer erträglich sind.
HAMBACHER FEST – EINE FEIER FÜR DIE FREIHEIT
Joachim Kermann u.a. (Hrsg.), Freiheit, Einheit und Europa: Das Hambacher Fest von 1832. Ursachen, Ziele, Wirkungen (pro Message, Ludwigshafen 2006), 416 Seiten, 34 Euro.
Einen fundierten und dennoch gut lesbaren Überblick zum Hambacher Fest samt seiner Vor- und Nachgeschichte bietet dieser umfassende Sammelband. Wie und warum die Deutschen zur ersten politischen Massendemonstration im Vormärz fanden, welche Motive die Veranstalter trieben und wie diese trickreich die Obrigkeit herausforderten, wird hier lebendig dargestellt. Biographien von Johann Georg August Wirth, Philipp Jakob Siebenpfeiffer und anderen „Hambachern“ ergeben zusammen mit Informationen zur Sozialgeschichte der Rheinpfalz, zur Organisation der liberalen Bewegung und der Presse ein detailfreudiges Bild. Besonders spannend: Die angefügte Darstellung des stets ideologisch geprägten Streits um das „wahre Erbe“ von Hambach.

AUSWANDERUNG – AUFBRUCH INS UNGEWISSE
Manfred Göbel, Auf noch Amerika! (Odenwaldklub, Groß-Zimmern 1996), 208 Seiten, antiquarisch erhältlich.
Der hessische Geschichtslehrer Manfred Göbel, selbst in Groß-Zimmern geboren, hat zum 150. Jahrestag der Massenauswanderung dieses Buch vorgelegt. Leicht ungeordnet, aber detailgenau erzählt er Vorgeschichte und Umfeld der Ausreise und präsentiert reiche Quellen: Briefe des Gemeinderats, Passagierlisten und sämtliche bekannte Namen der Auswanderer samt Geburtsdatum und Beruf.

Simone Eick u.a. (Hrsg.), Deutsches Auswandererhaus (Wirtschaftsverlag Nw, Bremerhaven 2006), 111 Seiten, 12,80 Euro.
Der reich bebilderte, zweisprachige Katalog (deutsch/englisch) ist eine ausgezeichnete Einführung in zwei Jahrhunderte Auswanderung und bietet gleichzeitig all jenen einen Einblick, die das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven noch nicht besucht haben. 2005 im einstmals größten deutschen Auswandererhafen eröffnet, zeigt das Museum anschaulich die Geschichte der deutschen Auswanderung im 19. und 20. Jahrhundert und verfolgt auch moderne Wanderungsbewegungen. In Datenbanken und Archiven vor Ort können Besucher ausgewanderten Verwandten nachforschen.
REVOLUTION & PAULSKIRCHE
Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution von 1848/49 (Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2006), 255 Seiten, 10 Euro.
Ein Klassiker: vorzügliche, weil kompakte, aber nicht zu gedrängte Darstellung der deutschen Revolution im europäischen Kontext. Das zudem sehr preiswerte Buch des Münchner Historikers und Interviewpartners von GEOEPOCHE, inzwischen in zahlreichen Auflagen erschienen, ist die erste Wahl unter den Überblicksdarstellungen.
Rüdiger Hachtmann, Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte (Dietz, Bonn 1997), 1008 Seiten, antiquarisch ab ca. 26 Euro.
Hervorragende Detailstudie zur Berliner Revolution. Breite quellengestützte Darstellung, die sich jedoch nicht in Einzelheiten verliert und immer einem roten Erzählfaden folgt. Wissenschaftlich gediegen und solide und dennoch angenehm lesbar. Standardwerk zur Revolution in der preußischen Kapitale.
Adolf Wolff, Berliner Revolutions-Chronik. Darstellung der Berliner Bewegung im Jahre 1848 nach politischen, sozialen und literarischen Beziehungen (Topos, Ruggell 1978, 3 Bde.; Reprint der Ausgabe von 1851-1854), 1720 Seiten, antiquarisch unerschwinglich, aber in guten Fachbibliotheken ausleihbar.
Wer sich noch ausführlicher informieren will, dem sei diese zeitgenössische kommentierte Quellensammlung eines Augenzeugen empfohlen. Wolffs Darstellung ist zwar nicht völlig unparteiisch, aber immer um historische Gerechtigkeit bemüht; sie beleuchtet jedes Ereignis durch möglichst viele Originalberichte aus unterschiedlichen Perspektiven. In ihrer epischen Breite vermittelt sie so ein besonders authentisches Bild der spannungsgeladenen Revolutionszeit.