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Stalin GEOEPOCHE-Buchtipps: Stalin

Weiterführende Literatur zum Thema, für Sie zusammengestellt und bewertet von der GEOEPOCHE-Redaktion

Inhaltsverzeichnis

Gesamtdarstellungen

GESAMTDARSTELLUNGEN – STALIN UND SEINE ZEIT

Kevin McDermott, Stalin: Revolutionary in an Era of War (Palgrave, Basingstoke 2006), 240 Seiten, 67,99 Euro. Und Robert Service: Stalin. A Biography (Pan Books, London 2004), 715 Seiten, 12,99 Euro.

Es ist in den letzten Jahren wohl kaum so viel über eine historische Persönlichkeit geschrieben worden wie über Stalin. Nahezu alle Bücher über den sowjetischen Dikator drehen sich um die Frage, warum und unter welchen Umständen dessen fast 25-jährige Gewaltherrschaft möglich war. Der britische Historiker Kevin McDermott bietet auf knapp 200 Seiten einen sehr analytischen, auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Überblick über Stalins Leben und seine Zeit. Wesentlich detailreicher und erzählerischer ist die Stalin-Biografie von Robert Service, faktengenau, verlässlich, mitunter aber auch etwas trocken zu lesen.

McDermott und Service sehen Stalin nicht als einen Tyrannen, dem es nur um persönliche Macht ging, sondern als überzeugten Marxisten, dessen Weltbild von einer Jugend im georgischen Gewaltmilieu an der Peripherie des Zarenreichs und durch die Erfahrung von Revolution und Krieg geprägt wurde. Sie porträtieren Stalin als Politiker, der sich selbst als Vertreter der proletarischen Klasseninteressen gesehen habe und bereit gewesen sei, die Revolution rücksichts- und skrupellos gegen vermeintliche innere und äußere Feinde zu verteidigen. Beide Bücher bieten den zurzeit besten umfassenden Einstieg zur Person Stalin.

Robert C. Tucker, Stalin as Revolutionary 1879-1929: A Study in History and Personality (Chatto & Windus, London 1974) 519 Seiten, 36,99 Euro.

Robert C. Tucker, Stalin in Power: The Revolution from Above 1928-1941 (Norton, New York 1990), 707 Seiten, 12,99. Robert Tuckers ältere zweibändige Biografie galt lange als das Standardwerk über den Diktator. In der hervorragend geschriebenen Darstellung versucht er Stalin, mit der Freudschen Psychoanalyse zu verstehen: Seine familiäre Gewalterfahrung hätten den späteren Diktator zu einer pathologischen, neidvollen, stets um Anerkennung ringenden Persönlichkeit werden lassen. Der Nachteil an Tuckers Werk: Es bricht 1941 ab und ist in einer Zeit entstanden, als die sowjetischen Archive noch nicht geöffnet waren. Sein psychoanalytischer Ansatz ist zudem heute sehr umstritten.

Stalin: GEOEPOCHE-Buchtipps: Stalin
© Palgrave

Literaturtipps zu älteren Ausgaben

Simon Sebag Montefiore, Stalin. Am Hof des Roten Zaren (S. Fischer, Frankfurt a. M. 2005), 874 Seiten, 24,90 Euro.

So umfangreich wie ein russischer Roman und voller Details aus Briefen, Tagebüchern und persönlichen Gesprächen, bietet dieses Buch eine ungewöhnliche und zugleich beeindruckende Biografie des sowjetischen Diktators. Der Autor konzentriert sich dabei ganz auf Stalin selbst und seinen engsten Kreis – die Familie, Freunde und vor allem den Hofstaat aus Funktionären, mit denen er regiert. So entsteht das sehr persönliche und dadurch umso erschreckendere Porträt eines Mannes, der erst Hunderte Todesurteile unterschreibt, um anschließend beim Abendbrot die Schulaufgaben seiner kleinen Tochter zu korrigieren. Sehr lesenswert, allerdings wegen der vielen auftretenden Personen und der spärlichen Erklärungen zum politischen und gesellschaftlichen Kontext manchmal etwas verwirrend. Auch ist Montefiore nicht in allen Aspekten und Schlussfolgerungen zuverlässig.

Sheila Fitzpatrick, Everyday Stalinism: Ordinary Life in Extraordinary Times. Soviet Russia in the 1930s (Oxford University Press, New York 1999), 288 Seiten, 14,99 Euro.

Fitzpatrick, eine der profiliertesten Kennerinnen des Stalinismus, zeigt in ihrem hervorragenden Geschichtswerk über den Alltag in den urbanen und industriellen Zentren der Sowjetunion, wie die Stadtbewohner in den 1930er Jahren mit den täglichen Zumutungen, dem allgegenwärtigen Mangel und dem politischen Terror umgingen und welche Zukunftshoffnungen sie bewegten. Die Spannbreite der Menschen, die Fitzpatrick betrachtet, reicht von den aufgrund ihrer sozialen Herkunft Verfolgten und quasi Rechtlosen bis hin zu den Mitgliedern der neuen sowjetischen Elite, die Privilegien genossen und daher häufig dem Regime gegenüber loyal eingestellt waren. Da Stalins Herrschaft jedoch so unberechenbar war, konnten sich alle an denselben Orten wiederfinden: im Gulag oder den Folterkammern der Geheimpolizei.

Elena Zubkova, Russia after the War: Hopes, Illusions, and Disappointments 1945-1957, (Sharpe, Armonk 1998), 238 Seiten, 32,99 Euro.

Zubkovas Buch ist ein Pionierwerk über den Alltag in der UdSSR in der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Weltenbrand war für die sowjetische Bevölkerung mit extremen Härten, einer unvorstellbaren Zerstörung und Millionen von Toten verbunden. Viele betrachteten die Kriegszeit aber auch als Erleichterung, weil die Stalinsche Führung das Zwangssystem etwas lockerte und die Bevölkerung und die Herrschenden in der gemeinsamen Kraftanstrengung näher zusammenrückten. Zubkova schildert jedoch eindringlich, wie das Regime die Hoffnungen der Bevölkerung auf ein freieres Leben bereits kurz nach dem Krieg enttäuschte.

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Der junge Stalin

DER JUNGE STALIN - AUFSTIEG EINES GANGSTERS

Orlando Figes, Die Tragödie eines Volkes. Die Epoche der russischen Revolution 1891 bis 1924 (Berlin Verlag, Berlin 2008), 1040 Seiten, 19,90 Euro.

Zugegeben, ein Backstein von einem Buch. Aber spannender, sinnlicher, zugleich überzeugender hat niemand Russlands Weg in die Revolution erzählt. Das Hintergrund-Epos zu Montefiores Stalin-„Roman“ (siehe auch unten „Oktoberrevolution“).

Aleksandr V. Ostrovskij, Kto stojal za spinoj Stalina? Tajny revoljucionnogo podpol’ja [Wer stand hinter Stalin? Die Geheimnisse des revolutionären Untergrunds] (Neva, Sankt-Peterburg 2002), 639 Seiten, 21 Euro.

Ein Meisterstück investigativer Geschichtswissenschaft. Leider liegt diese faszinierende, detailliert recherchierte Studie über Stalins Anfänge in Georgien, den Flirt der russischen Eliten mit der Revolution, die Brutalität und Korruption des kaukasischen Untergrunds nur auf Russisch vor. Wer zumindest auf Englisch Hintergrundinformationen zu Stalins Heimat und frühem Wirkungsfeld sucht, wird in folgendem Standardwerk zur georgischen Geschichte fündig: Ronald Grigor Suny, The Making of the Georgian Nation (Indiana University Press, Bloomington 1988), 418 Seiten, antiquarisch ab 18 Euro.

Simon Sebag Montefiore, Der junge Stalin (Fischer Taschenbuch, Frankfurt a. M. 2008), 537 Seiten, 12,95 Euro.

"Eine Art 'Der Pate' Teil 1", schrieb der englische Observer: "Wahrscheinlich die größte historische Biografie des Jahres." Montefiores Quellenkenntnis und mitreißende Darstellung beeindrucken Fachhistoriker genauso wie ein breites Publikum.

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© Fischer Taschenbuch

Oktoberrevolution

OKTOBERREVOLUTION - DER PUTSCH DER BOLSCHEWIKI

Orlando Figes, Die Tragödie eines Volkes. Die Epoche der russischen Revolution 1891 bis 1924 (Berlin Verlag, Berlin 2008), 1040 Seiten, 19,90 Euro.

Das Standardwerk zur Vorgeschichte und zum Verlauf der Oktoberrevolution 1917 sowie zur weiteren Entwicklung – einem Ereignis, das das 20. Jahrhundert geprägt hat wie kaum ein anderes. Detailliert, spannend, hervorragend geschrieben, lebendig: Sehr zu empfehlen.

Leo Trotzki, Geschichte der russischen Revolution, im Internet bei www.marxists.org

Leo Trotzki, 1879 geboren als Lew Dawidowitsch Bronschtejn, ist der wichtigste Organisator der bolschewistischen Machtübernahme am 25. Oktober 1917. 1930 schreibt er seine Erinnerungen an die Revolution nieder; da hat ihn sein Rivale Stalin längst ins Exil gedrängt. Der Text ist natürlich subjektiv – aber aus erster Hand; und er zeigt, welch große Rolle Improvisation und Zufall bei diesem entscheidenden Wendepunkt der Geschichte gespielt haben.

Bürgerkrieg

BÜRGERKRIEG - KAMPF UM RUSSLAND

Robert Service, Stalin. A Biography (Pan Books, London 2005) 715 Seiten, 11,99 Euro.

Die allgemeine Biografie des Oxforder Russland-Experten, Standardwerk der Stalin-Forschung, berücksichtigt neueste Funde in sowjetischen Archiven und vermittelt einen komprimierten Überblick zu Stalins Rolle im Bürgerkrieg, vor allem zu seinen militärischen Aktivitäten.

Evan Mawdsley, The Russian Civil War (Pegasus, Edinburgh 2009), 368 Seiten, 13,99 Euro.

Evan Mawdsley, Professor für internationale Geschichte an der Universität Glasgow, legt mit diesem Buch eine kurze und leicht verständliche Einführung in einen der unübersichtlichsten Abschnitte der russisch-sowjetischen Geschichte vor: den Bürgerkrieg des jungen bolschewistischen Regimes gegen seine Gegner.

Stalin gegen Trotzki

STALIN GEGEN TROTZKI - DAS DUELL

Geoffrey Swain, Trotsky. Profiles in Power (Longman, London 2006), 248 Seiten, 20,99 Euro.

Geoffrey Swain, Historiker an der Universität Glasgow, zeigt Trotzki als Menschen, ohne ihn zur Lichtgestalt zu verklären: Auch Lenins Kronprinz, legt er dar, konnte brutal und rücksichtslos sein. Swain beschreibt ausführlich die Kontroversen mit Lenin vor 1917, streicht Trotzkis entscheidende Rolle in der Oktoberrevolution heraus und protokolliert mit großer Akribie den Machtkampf mit Stalin als eine Abfolge von Beschlüssen, Erklärungen, Positionswechseln, Bündnisschlüssen und -brüchen.

Leo Trotzki, Mein Leben. Versuch einer Autobiographie (Fischer, Berlin 1930), die Erstausgabe gibt es antiquarisch ab 41 Euro, Nachdrucke sind natürlich deutlich günstiger.

Nach der Verbannung aus der Sowjetunion 1929 beschreibt Trotzki im türkischen Exil in zarten, fast poetischen Farben seine Kindheit, seine politische Bewusstwerdung und seine Begegnungen in der rastlosen Zeit seiner Auslandsjahre. Die politischen Konflikte in der Heimat handelt er naturgemäß in dürreren Worten ab - bei denen er dann allerdings trotzdem nicht immer auf Schönfärberei verzichtet.

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Der Krieg gegen die Bauern

KOLLEKTIVIERUNG - DER KRIEG GEGEN DIE BAUERN

Sheila Fitzpatrick, Stalin’s Peasants. Resistance and Survival in the Russian Village after Collectivation (Oxford University Press, New York 1996), 416 Seiten, ca. 30 Euro.

Die bahnbrechende Studie der Chicagoer Historikerin ist ein faszinierendes Porträt der russischen Landbevölkerung in den 20er und 30er Jahren. Das Buch erzählt die Geschichte des Kampfes zwischen den fortschrittsgläubigen Kommunisten und der konservativen Landbevölkerung. Es beschreibt, wie das soziale Gefüge und die Alltagskultur auf den Dörfern von den Kommunisten zerstört wird, berichtet aber auch vom verzweifelten Widerstand der Dorfbewohner, die in Enteignung und Einführung von Kolchosen das Ende ihrer Welt heraufziehen sehen. Fitzpatricks Buch ist immer nah dran an den Protagonisten, den Bauern, die häufig direkt aus ihren Quellen, meist sind es Beschwerdebriefe, sprechen. Es ist so nah dran, dass es die realen Menschen hinter der Fassade des von der Sowjet-Propaganda erschaffenen Potemkinschen Dorfes sichtbar macht.

Lew Kopelew, Und schuf mir einen Götzen. Lehrjahre eines Kommunisten (Steidl, Göttingen 1996), 433 Seiten, 9,90 Euro.

Der Schriftsteller und Bürgerrechtler Lew Kopelew schildert in seiner packenden Autobiografie, wie er ein glühender Jungkommunist wurde. In den 20er Jahren wird er mitgerissen von der kommunistischen Aufbruchstimmung in der Sowjetunion und arbeitet Tag und Nacht als Agitator für den Siegeszug des Kommunismus. Er hilft in der Ukraine bei der Kollektivierung der Landwirtschaft mit, die das Land in eine furchtbare Hungersnot stürzt; beschlagnahmt Korn, erlebt, wie den Hungernden nichts anderes übrig bleibt, als in ihren Katen oder am Wegesrand zu sterben. „Von einer solchen Sünde betet man sich durch nichts frei“, schreibt er rückblickend. Sein Buch liefert eine schonungslose Innenansicht der Kollektivierungskampagnen und ist zugleich ein Lehrstück über die verführerische Macht von Ideologien.

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© Steidl

Industrialisierung

INDUSTRIALISIERUNG - STADT AUS STAHL

Stephen Kotkin, Magnetic Mountain. Stalinism as a Civilization (University of California Press, Berkeley 1997), 639 Seiten, 27,99 Euro

Stephen Kotkin ist Professor für Geschichte an der University of California. Als erstem westlichen Historiker gewährten ihm russische Behörden Einsicht in zuvor verschlossene Archive aus der Frühzeit des Stalinismus. Auf Grundlage dieser Quellen gelingt Kotkin eine einzigartige Darstellung der brachialen Industrialisierung der Sowjetunion. Am Beispiel von Magnitogorsk – der Stahlstadt im Südural – erhält der Leser tiefe Einblicke in die diktatorische und paranoide Sowjetwelt der 1920er und 1930er Jahre. Aber er begreift auch die messianische Stimmung, die das Land damals erfasst: Alles scheint möglich. Sogar der Aufbau des Kommunismus innerhalb weniger Jahre.

John Scott, Jenseits des Ural. Die Kraftquellen der Sowjetunion (Bermann-Fischer, Stockholm 1944), 316 Seiten, Antiquarisch, ab 18 Euro.

Tausende von Sozialisten strömen ab 1929 nach Magnitogorsk. Denn hier, mitten im Nichts der russischen Steppe, soll der Stahl für den Kommunismus gehärtet werden. Unter den Freiwilligen sind Deutsche, Italiener, Briten, Franzosen oder Amerikaner. Wie John Scott, ein junger Kommunist aus Wisconsin. Mit „Jenseits des Ural“ verfasst Scott den wohl besten Bericht über den Aufbau von Magnitogorsk. Über die Hoffnungen einer ganzen Generation von Sozialisten. Und über die brutale und oft menschenverachtende Wirklichkeit in Stalins Stahlstadt.

Schauprozesse

SCHAUPROZESSE - TÖDLICHES TRIBUNAL

Wladislaw Hedeler, Chronik der Moskauer Schauprozesse 1936, 1937 und 1938. Planung, Inszenierung und Wirkung (Akademie, Berlin 2003) 695 Seiten, ab 69 Euro.

Materialreiche Collage aus Briefen, Artikeln und Tagebüchern aus den drei Jahren der Schauprozesse. Leider vielfach ohne Erklärungen, deshalb eher als Nachschlagewerk zu nutzen.

Nikolai Bukharin, How it all began (Columbia University Press, New York 1998), 416 Seiten, 29,70 Euro.

Dieses Buch lag auf dem Schreibtisch seiner Zelle, als Bucharin erschossen wurde, an diesem Manuskript arbeitete er bis zuletzt: Er erzählt in dem Schlüsselroman von seiner Kindheit und Jugend in Moskau, vom Tod des Bruders und seiner eigenen Hinwendung zu den Bolschewiken. Die Blätter überlebten in Stalins Privatarchiv, wo sie der Bucharin-Biograph Stephen Cohen 54 Jahre später fand. Seine Einleitung, ein Schlüssel zu den Personen und der einzige erhaltene, berührende Brief an Bucharins Frau Anna Larina ergänzen den Band.

J. Arch Getty und Oleg V. Naumov, The Road to Terror (Yale University Press, New Haven 1999), 640 Seiten, 41,99 Euro.

An einem Tag im März 1937 wird Alexander Julewitsch Tivel als Volksfeind von einem Erschießungskommando hingerichtet. Er war Redakteur, ein kleines Rad im Getriebe der Sowjetunion. Und 1925 war er zur falschen Zeit am falschen Ort: In Leningrad, als Gregorij Sinowjew dort an der Spitze der Partei stand – einer der späteren Angeklagten im ersten Schauprozess. Eine zufällige Verbindung, die im Jahr des Terrors 1937 tödlich ist. Tivels Schicksal steht am Anfang dieses Buches, in dem die Autoren nachzeichnen, wie Stalin und die Partei die Gewalt heraufbeschworen haben, welche die ganze sowjetische Gesellschaft erfassen sollte. Mit vielen bisher unbekannten Quellen angereichert stellen Getty und Naumov die Verästelungen, Umwege und Vollbremsungen auf dem Weg in den Terror dar und machen deutlich, warum die Geschichte dieser Jahre sich nicht einfach erzählen lässt als das planvolle Werk eines einzelnen, paranoiden Herrschers.

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Hotel Lux

EMIGRANTEN - HOTEL LUX

Ruth von Mayenburg, Hotel Lux. Das Absteigequartier der Weltrevolution (Piper, München und Zürich 1991), 352 Seiten, antiquarisch ab 25 Euro.

Sieben Jahre lebte Ruth von Mayenburg, Frau des Euro-Kommunisten Ernst Fischer, im Hotel Lux. Detailliert und eindringlich beschreibt sie die klaustrophobische Atmosphäre in dem Hotel, das für viele seiner Bewohner zur Falle wurde. Eine tiefgehende historische Analyse der politischen Hintergründe stalinistischer Säuberungen liefert die Autorin nicht, dafür aber fesselt ihr Buch mit plastischen Schilderungen von Verrat und Schrecken unter den Exilkommunisten in den 30er Jahren und erhellenden Anekdoten über die kommunistische Prominenz von Walter Ulbricht bis Ho Chi Minh.

Reinhard Müller, Herbert Wehner. Moskau 1937 (Hamburger Edition, Hamburg 2004), 520 Seiten, 35 Euro.

Wenig gab der langjährige SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner über seine Zeit im Moskauer Exil preis, wo er von 1937 bis 1941 im Hotel Lux lebte. Erst am Ende seiner politischen Karriere veröffentlichte er seine Erinnerungen „Zeugnis“. Hier beschrieb er sich als ein Opfer von Intrigen kommunistischer Genossen, das im stalinistischen Terror „anständig“ geblieben war – ein Selbstzeugnis, das lange Jahre bei Historikern Glauben fand.

Der Hamburger Historiker Reinhard Müller aber konnte nach jahrelangen Recherchen in Moskauer Archiven nachweisen, das Wehner keineswegs nur ein Opfer, sondern vielmehr Täter im Geflecht des stalinistischen Terrorapparats gewesen ist. Bereitwillig lieferte er dem sowjetischen Geheimdienst Informationen über abtrünnige deutsche Kommunisten. Seine Informationen trugen mit zur Verfolgung von dutzenden deutschen Emigranten bei. Müllers Buch ist nicht immer leicht lesbar, zeichnet aber akribisch Wehners Aktivitäten in Moskau nach und liefert anhand des Falls Wehner einen fundierten Einblick in den stalinistischen Verfolgungsapparat.

Der "Große Terror"

DER "GROSSE TERROR" - DIE FLÜSTERER

Orlando Figes, Die Flüsterer: Leben in Stalins Russland (Berlin Verlag, Berlin 2008), 1036 Seiten, 34 Euro.

Bei den Recherchen zu diesem Buch haben der britische Historiker Figes und Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ hunderte Familienarchive ausgewertet und mit hunderten Überlebenden gesprochen. So entstand ein beeindruckendes Großwerk, das den von Angst geprägten Alltag unter Stalin so umfassend zeigt und auslotet wie kaum ein anderes.

Stalin: GEOEPOCHE-Buchtipps: Stalin
© Berlin Verlag

Künstler unter Stalin

KÜNSTLER UNTER STALIN - DIE GROSSE UTOPIE

Hubertus Gassner und Alisa B. Ljubimova, Agitation zum Glück. Sowjetische Kunst der Stalinzeit (Edition Temmen, Bremen 1993), 165 Seiten, antiquarisch ab 20 Euro.

Zu Beginn der 90er Jahre zeigte die Ausstellung in der Kasseler Documenta-Halle rund 100 Werke aus den 1920er bis 1950er Jahren, die zum großen Teil erstmals in den Westen gereist waren. Der Katalog versammelt nicht einfach eine Ikonografie Stalinschen Personenkults, sondern belegt mit kunsthistorischer Akribie, wie sich im Lauf der Jahrzehnte die Darstellung des Alltags wandelte - von den himmelstürmenden "Neuen Menschen" der Jahre nach der Revolution zu den biederen, konservativen Idyllen der Nachkriegszeit.

Laurel E. Fay, Shostakovich, A Life (Oxford University Press, Oxford 2005), 488 Seiten, 19 Euro.

Die beste aktuellste Schostakowitsch-Biografie. Ein sehr ausgewogenes Werk, das in seiner Genauigkeit von der Öffnung der Archive nach dem Ende der Sowjetzeit profitiert.

Krzysztof Meyer, Dmitri Schostakowitsch, Sein Leben, sein Werk, seine Zeit (Atlantis Musikbuch, Zürich 1989), 624 Seiten, 19,95 Euro.

Der polnische Komponist und Pianist Meyer, Professor an der Kölner Musikhochschule und persönlicher Bekannter seines tragischen Protagonisten, fächert in dieser Biografie nicht nur das zerrissene Leben Schostakowitschs und das historische Umfeld auf, sondern zeigt auch - anhand zahlreicher Notenbeispiele - die musikalische Entwicklung des großen sowjetischen Komponisten. Dass das Buch trotz aller Präzision außerordentlich lesbar ist, erhöht seinen Wert noch um einiges.

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Zweiter Weltkrieg

ZWEITER WELTKRIEG - BLIND IN DIE KATASTROPHE

Simon Sebag Montefiore, Stalin. Am Hof des roten Zaren (S. Fischer, Frankfurt a. M. 2003), 874 Seiten, 24,90 Euro.

Montefiores (siehe „Gesamtdarstellungen“) ungewöhnliche Stalin-Biografie, die anhand bislang unveröffentlichter Briefe, geheimer Tagebücher sowie auf der Grundlage von Protokollen und Notizen enger Vertrauter des Diktators den Alltag, die Intrigen, Rivalitäten und geheimen Bündnissen hinter den Kremlmauern rekonstruiert, behandelt auch die dramatischen Tage und Wochen um den deutschen Überfall auf die Sowjetunion.

Gabriel Gorodetsky, Die große Täuschung (Siedler, Berlin 2001), 512 Seiten, 24,95.

Am frühen Morgen des 22. Juni 1941 beschießen deutsche Soldaten russische Städte. Die sowjetische Luftwaffe ist bereits fast vollständig vernichtet. Und dennoch glaubt Stalin lediglich an einen Einschüchterungsversuch. Erst als sich Meldungen vom Erfolg der deutschen Offensive häufen, realisiert er, dass Hitler den Krieg gegen die Sowjetunion begonnen hat. Für seine Studie über den deutschen Angriff auf die Sowjetunion und den verzagten Staatschef Stalin hat Gabriel Gorodetsky in zahlreichen europäischen Archiven recherchiert und zum Teil bislang geheime Akten ausgewertet.

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© Siedler

Straflager

STRAFLAGER - GULAG

Nicolas Werth, Ein Staat gegen sein Volk (Piper, München 2002), 275 Seiten, antiquarisch ab 6 Euro.

Das Werk das französischen Historikers und Stalinismusexperten Nicolas Werth über die Gewaltpolitik der Sowjetregierung war ursprünglich Teil des Sammelbandes „Schwarzbuch des Kommunismus“ über die Verbrechen kommunistisch-totalitärer Regimes. Werths Buch beinhaltet den besten knappen Überblick zum sowjetischen Lager-System Gulag.

Anne Applebaum, Der Gulag (Goldmann, München 2005), 736 Seiten, 14 Euro.

Die beste historische Gesamtdarstellung des sowjetischen Gulag-Systems von seinen Anfängen bis zu seiner Auflösung hat die Amerikanerin Anne Applebaum geschrieben. Die Autorin analysiert dabei gut lesbar die wirtschaftliche und politische Funktion des Gulag, schildert aber auch den – zumeist brutalen – Alltag in den Lagern.

Wettrüsten

WETTRÜSTEN - STALINS BOMBE

David Holloway, Stalin and the Bomb. The Soviet Union and Atomic Energy 1936-1956 (New Haven & London, Yale University Press 1994) 464 Seiten, 17,99 Euro.

Sehr detailliertes, gut recherchiertes und abwägend urteilendes Buch über die Anfänge der sowjetischen Nuklearforschung bis zum beginnenden Wettrüsten im Kalten Krieg. Es gibt keine bessere Darstellung über Stalin und die Bombe.

Stalins Tod

STALINS TOD - ENDE EINES TYRANNEN

Simon Sebag Montefiore, Stalin. Am Hof des Roten Zaren (S. Fischer, Frankfurt a.M. 2005), 874 Seiten, 24,90 Euro.

Keiner hat die Geschehnisse und Dynamiken in Stalins engstem Macht- und Vertrautenzirkel so spannend rekonstruiert wie der Brite Montefiore (siehe „Gesamtdarstellungen“). Seine ungewöhnliche Biografie behandelt ausführlich auch die Ereignisse um den Tod des Tyrannen.

Swetlana Allilujewa, 20 Briefe an einen Freund (Fischer, Hamburg 1969), 300 Seiten, antiquarisch ab 18 Euro.

Als Swetlana Allilujewa, die Tochter Stalins, 1967 in den USA ihre Erinnerungen veröffentlichte, war das Aufsehen gewaltig. Dabei geht es in dem Buch nicht um politische Enthüllungen oder eine Analyse des stalinistischen Herrschaftssystems. Die Autorin beschreibt stattdessen sehr persönlich und oft mit literarischer Qualität eine meist unglückliche Jugend in der abgeschotteten Welt der Kremlführung, den Selbstmord ihrer Mutter, den Bruch mit dem Vater und schließlich dessen Tod.

Nikita Chruschtschow, Chruschtschow erinnert sich (Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1992), 558 Seiten, antiquarisch ab 24 Euro.

Am Ende seines Lebens und nach seinem Sturz hat Stalins Nachfolger, Nikita Chruschtschow, diese Erinnerungen auf Tonbänder gesprochen, die dann in die USA geschmuggelt, dort redigiert und veröffentlicht wurden. Auch wenn Chruschtschow vieles geschönt oder unvollständig darstellt – vor allem was seine eigene Rolle bei den stalinistischen Verbrechen betrifft – sind seine Memoiren doch sehr lesenswert: detailliert, spannend und mit dem für den Verfasser typischen sarkastischen Humor formuliert.

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GEO EPOCHE Nr. 38 - 08/09 - Stalin

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