Inhaltsverzeichnis
Gesamtdarstellungen
JFK - ALLGEMEIN
Robert Dallek, John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben (Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2. Aufl. 2007), 768 Seiten, 12,95 Euro.
Die jüngste und genaueste Studie. Dem Historiker Dallek geht es um Einordnung und Verständnis, um Hintergründe und darum, eingeschliffene Vorstellungen zurechtzurücken. Niemandem zuvor gewährte der Kennedy-Clan einen solch freien Zugang zu den Akten im Familien-Archiv. Herausgekommen ist eine handliche, gut geschriebene Biografie, die als Summe der Forschung gelten kann, bei der jedoch das englische Original „An Unfinished Life“ der in Details nicht ganz akkuraten deutschen Übersetzung vorzuziehen ist (siehe auch unten „Die Königin von Camelot“).
Literaturtipps zu älteren Ausgaben
Andreas Etges, John F. Kennedy (Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003), 192 Seiten, 10 Euro.
Andreas Etges lehrt nordamerikanische Geschichte am Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin und war Kurator der Ausstellung „John F. Kennedy“ am Deutschen Historischen Museum. Mit diesem Buch ist ihm eine sehr ausgewogene Darstellung gelungen, die uns den Präsidenten in all seinen zahlreichen Facetten zeigt, und zwar so, dass der Leser selbst zwischen Mythos und Wahrheit entscheiden kann, den brillanten Politiker ebenso erlebt wie den schwerkranken Frauenhelden. Ein guter Einstieg in die Welt der Kennedys und ihres berühmtesten Sprosses. Kommentiertes Literatur- und Quellenverzeichnis zum Weiterlesen inklusive.
Georg Schild, John F. Kennedy: Mensch und Mythos (Muster-Schmidt, Göttingen 1997), 144 Seiten, 12 Euro.
Der Historiker Georg Schild befasst sich seit langem mit Studien zur amerikanischen Sozial- und Verfassungsgeschichte, sowie zur Geschichte der US-Außen- und Sicherheitspolitik. Immer wieder hat der Professor am Seminar für Zeitgeschichte der Universität Tübingen dabei auch die Zeiten des Kalten Krieges und speziell die Jahre der Kennedy-Administration untersucht. Mit seiner Biografie des 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten ist ihm ein ganz wunderbares Bändchen gelungen. Kurz, sachlich und gut geschrieben zeigt er dem Leser, was wir Heutigen von JFK zu halten haben. Trotz des eher altbackenen Erscheinungsbildes des Buches sehr empfehlenswert.
Yann-Brice Dherbier & Pierre-Henri Verlhac, John Fitzgerald Kennedy. Ein Leben in Bildern (Phaidon, Berlin 2003), 304 Seiten, 39,95 Euro.
Am 20. Januar 1961 zieht seit langem wieder einmal eine Familie mit Kindern in das Weiße Haus ein. Zu diesem Zeitpunkt ist es Jahrzehnte her, dass Kleinkinder dort über die Gänge tobten. Doch Jackie Kennedy ist entsetzt über den Zustand des ehrwürdigen Gebäudes. Gemeinsam mit Kunsthistorikern und Innenarchitekten erarbeitet sie einen Sanierungsplan (1962 wird dieser abgeschlossen sein) und stellt den alten Glanz der Präsidentenresidenz wieder her. Die seit Kindertagen an Erfolg und Reichtum gewöhnten Kennedys wissen um die Macht der Fassade, des schönen Scheins. Kein Präsidentenpaar der Vereinigten Staaten hat die Medien zuvor besser für sich genutzt als „Jack“ und Jackie Kennedy, keines hat sich bewusster inszeniert, wohl keines ist häufiger fotografiert worden. Einige der Aufnahmen, die Yann-Brice Dherbier und Pierre-Henri Verlhac für ihre hervorragende visuelle Biografie JFKs zusammengetragen haben, sind längst zu Stilikonen der frühen 1960er Jahre geworden. Und trotzdem ist es den beiden Herausgebern durch ihre Bildauswahl gelungen, ab und an hinter die schöne Fassade der Kennedy-Welt zu schauen. Chapeau!

Die Familie
DIE FAMILIE - DER CLAN DER SIEGER
Nigel Hamilton, John F. Kennedy. Wilde Jugend. Leben und Tod eines amerikanischen Präsidenten, Bd. 1 (S. Fischer, Frankfurt am Main 1993), 1007 Seiten, antiquarisch ab ca. 15,- Euro, etwa bei www.zvab.com.
Eingehend recherchiert, ausführlich dargestellt, gewürzt mit jener feinen Ironie, die die Angelsachsen als Tongue-in-cheek beschreiben: Zugleich packend und abwägend lässt Hamilton sich ganz auf das Leben seines zweifelhaften, faszinierenden Helden ein. Das perfekte Buch für lange Winterabende – sehr lange. Auf tausend Seiten gelangt der erste Band dieser Biografie bis zu Kennedys Wahl in den Kongress 1946. Band zwei ist nie erschienen.
Peter Collier & David Horowitz, Die Kennedys. Ein amerikanisches Drama (Goldmann, München 1984), 539 Seiten, antiquarisch ab 5 Euro etwa bei www.zvab.com.
Der Klassiker. In plastischen Details und Szenen erzählen Collier und Horowitz das Leben des Kennedy-„Baumeisters“ Joseph P. und seiner „verlorenen Söhne“ – eine fesselnde Geschichte von Geld und Ehrgeiz, Macht, Frauen, Heldentum und Niedertracht. Ein Drama, in der Tat.
Doris Kearns Goodwin, The Fitzgeralds and The Kennedys. An American Saga (St. Martin’s Press, New York 1999), 932 Seiten, ca. 31 Euro.
Die Doppel-Familiengeschichte, detailreich, lebendig, ist zugleich eine Geschichte des irischen Amerika. Eine Mehrfachbiografie über drei Genetrationen, voller kluger Beobachtungen, mit enormem Fleiß recherchiert.
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Die Fünziger Jahre
DIE FÜNFZIGER JAHRE
David Halberstam, The Fifties (Ballantine Books, New York 1994), 816 Seiten, 12,99 Euro.
Eisenhower und Nixon, James McCarthy und Martin Luther King, Walt Disney und seine Freizeitparks, die McDonald-Brüder und ihre Schnellrestaurants: Das geschichtenreiche Jahrzehnt-Porträt des Journalisten und Pulitzer-Preisträgers David Halberstam erzählt die wohl amerikanischste aller Dekaden an ihren prägenden Gestalten entlang. Und es beschreibt auch - etwa anhand des Sexualforschers Alfred Kinsey und des Anti-Baby-Pillen-Entwicklers Gregory Pincus - wie die 1950er die 1960er vorbereitet haben.
Karal Ann Marling, As Seen On TV: The Visual Culture of Everyday Life in the 1950s (Harvard University Press, Cambridge 1996), 336 Seiten, 24,99 Euro.
Nie zuvor, behauptet die Kunsthistorikerin Karal Ann Marling, habe Amerika so sehr auf sein Äußeres geachtet als in den Fünfziger Jahren. In ihrem Buch "As Seen On TV“, etwa „Wie im Fernsehen gesehen“, beschreibt sie deshalb folgerichtig den Look der Eisenhower-Jahre. Sie erzählt, wie die First Lady die femininen Kleider von Dior und die Farbe Pink durchsetzte, wie die neue Auto-Kultur Wünsche und Obsessionen der Amerikaner ausdrückte und was mit dem Rock'n'Roll geschah, als Elvis sich die Haare schneiden ließ. Ein reiches Buch voller wunderbarer Beobachtungen und Gedanken.
Wahlkampf
WAHLKAMPF - DIE KENNEDY-SHOW
Theodore H. White, The Making of the President 1960. A Narrative History of American Politics in Action (Antheneum, New York 1961), 401 Seiten, 26 US-Dollar.
Dies ist noch immer das Standardwerk zu jenem Präsidentschaftswahlkampf, der zweifellos eines der spannendsten Rennen um das höchste Amt Amerikas in der jüngeren Geschichte der USA war. Als Reporter kam White im Wahlkampf beeindruckend dicht ran an Kennedy und, so weit er es zuließ, auch an dessen Konkurrenten Richard Nixon. Selbst nach fast einem halben Jahrhundert ist noch immer die Spannung des Geschehens zu spüren wie die immense Strahlkraft, die von Kennedy ausging, und der zweifellos auch White erlegen war.
William J. Rorabaugh,The Real Making of the President. Kennedy, Nixon, and the 1960 Election (University Press of Kansas, Lawrence 2009), 250 Seiten, 34,95 US-Dollar.
Das Buch des Geschichtsprofessors ist die kritische Ergänzung zu Whites Zeitzeugenbericht. Rorabaugh analysiert die Mechanik des Wahlkampfs und schildert mit zum Teil ätzender Schärfe die Tricks und Manipulationsversuche der Kennedy-Truppe. Kennedy ist bei ihm keineswegs der strahlende junge Held, als den ihn White schildert, sondern ein hartgesottener, medienkundiger Politprofi.

Richard J. Tofel, Sounding the Trumpet. The Making of John F. Kennedy’s Inaugural Address (Ivan R. Dee, Chicago 2005), 215 Seiten, 25 US-Dollar.
Wer alles über die Hintergründe der berühmtesten Rede Kennedys erfahren will, seiner Ansprache zur Amtseinführung am 20. Januar 1961, sollte sich den Spaß machen, dieses eingängig geschriebene Buch zu lesen. Es zeichnet akribisch den Entstehungsprozess der historischen Ansprache nach und würdigt den enormen Anteil, den Kennedys genialischer Redenschreiber Ted Sorensen daran hatte.
Schweinebucht
FANAL IN DER SCHWEINEBUCHT
Howard Jones, The Bay of Pigs (Oxford University Press, New York 2008), 256 Seiten, 24,95 US-Dollar.
Das spannend geschriebene Werk gibt einen guten Überblick zur Schlacht in der Schweinebucht und ihrer Vorgeschichte. Besonderes Augenmerk richtet der Autor, Professor für Geschichte an der University of Alabama, auf die Rolle des US-Geheimdiensts CIA: Denn Jones arbeitet sehr präzise heraus, wie die CIA-Chefs Allan Dulles und Richard Bissel Präsident Kennedy durch strategische Tricks und Lügen überhaupt erst so weit bringen, die Invasion – wenn auch halbherzig – abzusegnen.
Grayston L. Lynch, Decision for Desaster. Betrayal at the Bay of Pigs (Potomac Books Inc., Dulles, Virginia 2000), 208 Seiten, ca. 11 US-Dollar.

Als Zeitzeuge schildert Lynch, einer der beiden kommandierenden CIA-Offiziere während der Invasion, die Vorbereitungen und die Manöver bei der Landung an der südkubanischen Küste detailreich, anschaulich und voller Leidenschaft. Aus seinem Hass auf die Kennedy-Administration, die die Exilkubaner-Brigade gnadenlos verheizt habe, macht er kein Geheimnis. Ein spannendes Buch - für nostalgische Kennedy-Fans, die keine Kritik an ihrem Idol dulden und lesen möchten, jedoch weniger geeignet.
Victor Andres Triay, Bay of Pigs. An oral History of the Brigade (University of Florida Press, Gainesville, Florida 2001), 256 Seiten, 24,95 US-Dollar.
Anders als viele Werke zur Schweinebucht-Invasion legt dieses Buch den Schwerpunkt nicht auf die politischen Entscheidungen in Washington, Havanna und Moskau, sondern auf die Menschen, die in der Exilkubaner-Brigade gekämpft haben. Ihre Erinnerungen an den Drill in den CIA-Trainingscamps in Guatemala, an das Scheitern der Invasion, sowie an die Gefangenschaft in den Kerkern Fidel Castros berühren stärker als so manche politikwissenschaftliche Analyse zur Thematik.
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Griff nach den Sternen
MERCURY - GRIFF NACH DEN STERNEN
Alan Shepard, Deke Slayton u.a., Moon Shot: The Inside Story of America’s Race to the Moon (Turner Publishing, Atlanta 1994), 384 Seiten, ca. 17 Euro.
Wer könnte wohl besser und anschaulicher über den Wettlauf zum Mond schreiben als die Läufer selbst? Shepard und Slayton zählten zu den legendären „Mercury Seven“, den ersten sieben Astronauten der USA, ausgewählt und angetreten, den Kalten Krieg der Amerikaner mit der Sowjetunion von der Erde ins All zu tragen. Trotzdem gelingt den Autoren ein spannend geschriebenes Buch, weitgehend frei von Pathos, aber keineswegs frei von Kritik an bürokratischen Blockaden und technischen Stümpereien – und mit erklärter Hochachtung vor den raumfahrerischen Leistungen ihrer russischen Rivalen: die Geschichte der US-Raumfahrt aus der Backstage-Perspektive.

Neal Thompson, Light This Candle: The Life and Times of Alan Shepard (Random House, New York 2005), 560 Seiten, ca. 11 Euro.
„Shepard war der schnoddrigste, frechste und großspurigste der ‚Mercury Seven’, doch er war auch der beste“, schreibt der Verlag im Klappentext zu dieser Biografie, für die Thompson exklusiven Zugang zu Shepards privaten Aufzeichnungen erhielt und zahlreiche Interviews mit Angehörigen und engen Freunden des ersten Amerikaners im All führte. Ein kurzweiliges und hintergründiges Buch über jenen Mann, den ein waghalsiger 15-Minuten-Flug in einer Raumkapsel für Millionen Menschen zum Helden werden ließ.
Karsten Werth, Ersatzkrieg im Weltraum: Das US-Raumfahrtprogramm in der Öffentlichkeit der 1960er Jahre (Campus Verlag, Frankfurt 2006), 312 Seiten, 34,90 Euro.
Eine gründliche und faktenreiche Untersuchung über den „Kampf an der Technikfront“, als den die USA den Wettlauf zum Mond mit der Sowjetunion betrieben haben. Werth widmet sich dabei ausschließlich dem amerikanischen Part, beginnend 1961 bis zum Ende des Apollo-Programms 1973 und zum ersten Rendezvous im All. Konsequent verwendet er auch bei der Kapitel-Einteilung die militärische Diktion, beschreibt „Die Herausforderung“, die „Mobilisierung“, den „Griff nach dem Mond“, schließlich „Triumph und Demobilisierung“. Richtig gut wäre das Buch übrigens geworden, wenn sich der Autor noch die Mühe gemacht hätte, die zahlreichen Zitate für die Druckfassung seiner Dissertation auch ins Deutsche zu übersetzen.
Jacky Kennedy
DIE KÖNIGIN VON CAMELOT
Robert Dallek, John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben (Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2. Aufl. 2007), 768 Seiten, 12,95 Euro.
Als 2003 die deutsche Übersetzung von „An Unfinished Life“ erschien, feierte die Wochenzeitung „Die Zeit“ das Buch als „die mit Abstand beste Kennedy-Biografie“. Sie ist glänzend recherchiert, abgesichert von Zeitzeugen, gut geschrieben, ernsthaft in den politischen Analyen und auch wieder unterhaltsam, wenn es um das Zusammenleben des „Traumpaars“ Jack und Jackie geht, das ja alles andere als glücklich war. Dallek schreibt über das tollkühne Liebesleben des Präsidenten, über dessen lebensbedrohliche Krankheiten, berichtet, wie JFK mit Charme Journalisten für seine Zwecke benutzte, oder wie Jacqueline Kennedy alles vor der Öffentlichkeit verbarg, was den Mythos Camelot hätte zerstören können.
Seymour Hersh, The Dark Side of Camelot (Back Bay Books, New York 1998), 528 Seiten, 11,55 US-Dollar.
Der Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh begann seine Karriere als Polizeireporter und wird als investigativer Journalist von allen US-amerikanischen Präsidenten, die ihn erlebten, gefürchtet. In den 1990er Jahren machte er sich auf die Fährte JFKs, befragte ehemalige Geliebte von Kennedy zu ihren Erlebnissen, recherchierte dessen Verbindungen zur Mafia. Vor allem aber hat Hersh Agenten des Secret Service gesprochen, die Kennedy rund um die Uhr beschützt haben. Er schreibt: „Sie sahen einen sexbesessenen Mann, der enorme Risiken auf sich nahm, um seine Obsession zu befriedigen.“ Warum sie das alles erst so spät erzählten, wollte der Autor wissen. Weil sie Kennedy sehr gemocht haben, sagten sie, und weil es ihnen früher, als der Mythos noch ungebrochen war, niemand geglaubt hätte. Allerdings sei jedem Leser des Buches, das unter dem Titel „Kennedy. Das Ende einer Legende“ auf Deutsch erschienen ist, zugleich geraten, auch Hersh nicht alles zu glauben: Er hat vermutlich jedes negative Gerücht über Amerikas beliebtesten Präsidenten aufgeschrieben, das er finden konnte.
Alan Posener, John F. Kennedy und Jacqueline. Das Königspaar im Weißen Haus (Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002), 160 Seiten, antiquarisch schon ab 0,01 Euro, etwa bei www.amazon.de.
Der studierte Anglist und heutige Kommentarchef der „Welt am Sonntag“ hat mit dieser Doppelbiografie eine sehr private Sicht auf das „Traumpaar“ der 1960er Jahre zusammengetragen. Er kommt Jack und Jackie dabei viel näher, als es manch einem Leser vielleicht lieb ist. Denn das schillernde, stets jugendlich-frisch und glücklich wirkende Paar wird schnell enttarnt: als Zweckbündnis zweier Machtmenschen, die es über Jahre schafften, der ganzen Welt ein nie geschautes Theaterstück von der perfekten Familie vorzuspielen.
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Berlin-Krise
BERLIN-KRISE - MAUERBAU
Rolf Steininger, Berlinkrise und Mauerbau. 1958 bis 1963 (Olzog-Verlag, München 2009), 416 Seiten, 39,90 Euro.
Das beste Buch zum Thema. Mit wissenschaftlicher Akribie und zugleich außerordentlich spannend beschreibt Rolf Steininger den Konflikt um Berlin – von Chruschtschows Drohrede im November 1958 bis hin zu den Auswirkungen der Kubakrise von 1962. Die 2009 erschienene vierte Auflage wurde überarbeitet und um ein Kapitel zum Fall der Mauer erweitert. Steininger schildert nicht nur die Fakten und beschreibt den haarsträubenden Atom-Poker zwischen Washington und Moskau; er bewertet, er ordnet ein, vor allem: Er gibt dem Leser Einblick in die Mühen seiner Recherche. Mühevoll waren sie deshalb, weil die staatlichen Archive, ob in Deutschland oder den USA, viele Dokumente noch immer zögerlich und nur bruchstückhaft freigeben. Wenn da noch etwas im Verborgenen liegt: Steininger wird es uns berichten – spätestens in der nächsten Auflage.

Curtis Cate, Riss durch Berlin. Der 13. August 1961 (Albrecht Knaus Verlag, Hamburg 1980), 364 Seiten, antiquarisch erhältlich ab ca. 10 Euro.
Der 2006 verstorbene Autor Curtis Cate wurde als Kind amerikanischer Eltern in Paris geboren und diente als US-Soldat 1943-46 in Europa; später wurde er zum angesehenen Wissenschaftler und renommierten Journalisten. Diese Mischung aus unmittelbarer Lebenserfahrung, akademischer Kenntnis und gutem Schreibhandwerk machen das Buch zu etwas Besonderem: Ein Schmöker im besten Sinne, der seine Leser mitten ins Geschehen zieht, an den Verhandlungstisch, in die Kaserne, zu den Mauerflüchtlingen. „Riss durch Berlin“ liest sich über weite Strecken wie ein Roman – Geschichte, anschaulich gemacht in vorbildlicher angelsächsischer Erzähltradition.
Vietnam
VIETNAM - DER ERSTE TOTE
Marc Frey, Geschichte des Vietnamkriegs. Die Tragödie in Asien und das Ende des amerikanischen Traums (C.H. Beck, München 2006), 254 Seiten, 12,90 Euro.
Flüssig und kompakt beschreibt der Bremer Historiker Marc Frey die Geschichte des Vietnamkonfliktes. Im Zentrum steht die amerikanische Politik und Kriegsführung in Südostasien mit ihrer langen und wechselvollen Vorgeschichte und ihren bis heute nachwirkenden Folgen. Frey kommt zu dem Schluss, dass Präsident Kennedy die grundlegenden Entscheidungen für den Marsch der USA in den vietnamesischen Sumpf getroffen hat. Sein ernüchterndes Fazit: "Vietnam gewann den Krieg und verlor den Frieden. Die Vereinigten Staaten dagegen verloren den Krieg und gewannen den Frieden." Wer den Krieg im Gesamtkontext der Außen- und Sicherheitspolitik der Kennedy-Administration verstehen will, dem sei das Buch Kennedy's Wars: Berlin, Cuba, Laos, and Vietnam (Oxford University Press, New York 2002), 560 Seiten, ca. 32 US-Dollar empfohlen, eine hervorragend dokumentierte Studie aus der Feder des Militärhistorikers Sir Lawrence Freedman vom King’s College, London, die nicht nur Kennedy sondern auch seine Berater unter die Lupe nimmt.
David Halberstam, The Making of a Quagmire: America and Vietnam during the Kennedy Era (Rowman & Littlefield, Lanham 2007), 248 Seiten, 24,99 Euro.
Was geschieht in Vietnam wirklich? Der Journalist David Halberstam berichtet in den 1960er Jahren für die „New York Times“ aus Vietnam. Seine kritischen Artikel rütteln die amerikanische Öffentlichkeit auf – und beunruhigen die Regierung. John F. Kennedy persönlich versucht den Herausgeber der „New York Times“ dazu zu drängen, seinen Reporter aus Südostasien abzuziehen. Glücklicherweise vergeblich. Halberstams eindringliche Schilderungen des amerikanischen Engagements in Vietnam erhielten 1964 den Pulitzer-Preis. Sein Buch „Making of a Quagmire“ von 1965 ist ein beeindruckendes Zeitdokument eines Augenzeugen aus der Kriegszone.
Kalter Krieg - Kubakrise
KALTER KRIEG - KUBAKRISE
Aleksander Fursenko & Timothy Naftali, „One Hell of a Gamble“. Khrushchev, Castro and Kennedy 1958 - 1964. The Secret History of the Cuban Missile Crisis (W. W. Norton, New York/London 1997), 420 Seiten, 14,96 Dollar.
Dafür, dass, erstens, die Menschheit 1962 nur knapp einer globalen Katastrophe entrann und, zweitens, eine schier überwältigende Fülle an Quellen (Texten, Fotos, Filmen, Tonbändern) vorliegt, existieren auf dem Buchmarkt erstaunlich wenige gute und aktuelle Darstellungen der Kubakrise. Dies ist das beste einbändige Werk, das neben den bekannten US-Dokumenten erstmals auch ausführlich kubanische und sowjetische Quellen anzapft - und so Kennedys Gegner während der großen Nervenprobe Stimme und Gestalt gibt. Nach dem Buch der beiden Historiker sind weitere wichtige Dokumente vor allem während einer internationalen Konferenz in Havanna 2002 (zum 40. Jubiläum der Krise) vorgestellt worden. Nachzulesen unter: http://www.gwu.edu/~nsarchiv/nsa/cuba_mis_cri/index.htm
Robert Kennedy, Thirteen Days. A Memoir of the Cuban Missile Crisis (W. W. Norton, New York/London Neuausgabe 1999), 185 Seiten, 10,99 Euro.
Jüngerer Bruder des Präsidenten, Justizminister, engster Berater, wohl einziger wirklicher Vertrauter, brillanter Kopf: Robert Kennedy ist in den dramatischen zwei Wochen der Kubakrise Teil des ExComm, jenes kleinen Zirkels mächtiger Politiker, die im Weißen Haus geheim über alle Aktionen beraten - bis hin zur Option, den Atomkrieg zu beginnen. Später schreibt er über seine Erfahrungen ein schmales, cleveres Erinnerungsbuch, das zugleich, wen würde das überraschen, den Mythos Kennedys erhöht.
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Pop-Art
POP-ART
Andy Warhol & Kenneth Goldsmith, Interviews mit Andy Warhol. 36 Interviews von 1962 – 1987 (Kurt Liebig, Schmieheim 2006), 384 Seiten, 12,90 Euro.
Mit diesem Buch hat der amerikanische Dichter Kenneth Goldsmith zum ersten Mal eine Sammlung von Warhol-Interviews herausgegeben. Sie stammen aus den unterschiedlichsten Quellen: von Schülerzeitungen bis zur „Vogue“, erfundene Interviews, Gespräche mit einem Taxifahrer, mit Kunstkritikern, beim Shopping. Es ist ein Einblick in die Selbstvermarktungsstrategien des vielleicht bekanntesten Künstlers der Moderne. Warhol verstand es, aus jedem Interview ein Kunstwerk zu machen – humorvoll, rebellisch und paradox. Mal antwortet er nur mit Ja und Nein, gibt völlig unverständliche Antworten oder schlägt zu Beginn dem Interviewer vor: „Sagen Sie mir einfach etwas vor, und ich wiederhole es dann. Ich bin heute vollkommen leer, mir fällt nichts ein.“ Nur um gleich darauf beruhigend zu ergänzen: „Keine Sorge... das könnte nett werden.”
Tilman Osterwold, Pop Art (Taschen Verlag, Köln 2007), 240 Seiten, 9,99 Euro.
„Alles ist schön“, schwärmte einst Andy Warhol. Tilman Osterwold gelingt es in seinem Buch, die Begeisterung der Pop-Art-Künstler über die Alltagskultur einzufangen. Der langjährige Leiter des Württem-bergischen Kunstvereins liefert einen umfassenden Überblick des Phänomens „Pop Art“. Die vielen hochwertigen Fotografien machen sein Buch zu einem ansprechenden Bildband – aber nicht nur. Wer mehr über die Ursprünge des Stils, das Leben der Künstler und über ihren Werdegang erfahren will, den führen Osterwolds Texte souverän durch die Kunstgeschichte. Dabei werden nicht nur die Pop-Art-Ikonen Warhol oder Lichtenstein vorgestellt, sondern auch frühe Vorläufer des neuen Stils wie Richard Hamilton oder weniger bekannte Vertreter vorgestellt. Wem das Buch zu sperrig ist, dem sei Klaus Honnefs Pop-Art-Bändchen empfohlen. Neben einem kunstgeschichtlichen Überblick, finden sich darin 34 Kurzporträts der bekanntesten und einflussreichsten Pop-Art-Werke. Klaus Honnef, Pop-Art (Taschen Verlag, Köln 2008), 96 Seiten, 7,99 Euro.

Bürgerrechtsbewegung
BÜRGERRECHTBEWEGUNG - MARTIN LUTHER KING
David J. Garrow, The FBI and Martin Luther King, Jr. (W. W. Norton & Company, New York 1981), 320 Seiten, in guten Bibliotheken zu finden.
Der preisgekrönte Autor der ebenfalls empfehlenswerten King-Biografie „Bearing the Cross“ erklärt, wie und warum das FBI den wohl bekanntesten aller afroamerikanischen Bürgerrechtler abhörte, entwickelt kleine psychologische Porträts der Geheimdienst-Chefs und beschreibt auch, wie sich Vizedirektor William C. Sullivan in den 1970ern aus der Verantwortung winden wollte.
Britta Waldschmidt-Nelson, Martin Luther King - Malcolm X. Gegenspieler (Fischer, Frankfurt am Main 2000), 192 Seiten, 8,95 Euro.
Schmale Doppelbiografie der beiden großen Märtyrer des schwarzen Amerika, gleichzeitig liefert die an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrende Amerikanistin einen kurzen Abriss der Ereignisse vom Montgomery Busboykott 1955 bis zu den Schüssen auf Martin Luther King am 4. April 1968 in Memphis, Tennessee. Ideales Überblickswerk für deutsche Leser, die im Anhang auch eine Zeittafel und eine Bibliografie der wichtigsten (meist amerikanischen) Werke zum Thema finden.
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Tod in Dallas
TOD IN DALLAS
Gerald Posner, Case Closed. Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK (Anchor Books, New York 2003), 608 Seiten, 12,99 Euro.
Sehr überzeugende, gut strukturierte und packende Darstellung der Einzeltäterthese. Nach der Lektüre hält man auch den vollmundigen Titel für gerechtfertigt. Das empfehlenswerteste Buch zum Thema.
Vincent Bugliosi, Reclaiming History. The Assassination of President John F. Kennedy (W.W. Norton, New York 2008), 1648 Seiten, 60,99 Euro.
Jeder handelsübliche Ziegelstein ist im Vergleich zu diesem Werk dünn zu nennen – dabei wurden die Fußnoten schon eigens auf eine beigegebene CD-ROM ausgelagert. Der Autor Vincent Bugliosi, US-amerikanischer Staatsanwalt, führte in den 1960er Jahren das Verfahren gegen Charles Manson, den Anführer einer mordenden Hippie-Kommune. Auch Bugliosi ist von der Alleinschuld Oswalds überzeugt. Der erste Teil seiner monumentalen Studie ist eine spannende und gut lesbare Chronologie der vier Tage zwischen Attentat und Oswalds Ermordung, die auch separat als Buch erschienen ist: Vincent Bugliosi, Four Days in November. The Assassination of President John F. Kennedy (Norton & Company, New York 2008), 688 Seiten, 12,98 Euro. Daran schließen sich ausführliche Kapitel über die Indizien an, die für Oswalds Schuld sprechen, sowie Widerlegungen der verschiedenen Verschwörungsszenarios. Ein erschöpfendes Werk, scharfzüngig und brillant, aber etwas aus der Form geraten.
Jim Marrs, Crossfire. The Plot that killed Kennedy (Basic Books, New York 1989), 625 Seiten, 14,99 Euro.
Keine Empfehlung, aber ein Beispiel für ein Verschwörungsbuch. Wahrhaft originell an Marrs' Szenario ist, dass es sämtliche üblichen Verdächtigen in einen einzigen Plot zur Ermordung des Präsidenten zwängt. Der Verfasser schrieb auch an dem Drehbuch für Oliver Stones Film "JFK – Tatort Dallas" mit – was viel über den Film sagt. Wer zu Marrs' Buch greift, sollte unbedingt einen der oben empfohlenen seriösen Titel parallel oder - besser noch - vorher lesen.