Lesen Sie einen Auszug aus der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "Die Kelten":
Viel Blut ist geflossen unten im Tal. Auf der Ebene am kleinen Fluss haben zwei Keltenheere aufeinander eingeschlagen, insgesamt mehrere Tausend Krieger. Doch die zurückgelassenen Waffen sind verschwunden, kein Toter liegt mehr auf dem Gelände.
Sorgsam haben die Sieger sämtliche Leichen weggeschafft und fast alle Spuren des Kampfes beseitigt. Auf einer Anhöhe steht nun ein Heiligtum, das an die Schlacht erinnern soll. Umgeben von einem tiefen Graben und hohen Holzbauten, erhebt sich die Anlage über der Ebene, abweisend. Kein Uneingeweihter soll sie betreten.
Nur an einer Stelle führt ein Zugang auf das Areal. Wer diesen Weg beschreitet, betritt das Reich des Todes. Ein durchdringender Gestank erfüllt die Luft. Fliegen umschwirren Pferdekadaver. An mehreren Orten sind Menschenknochen zu Altären aufgeschichtet.
Es ist das 3. Jahrhundert v. Chr., und in diesem Heiligtum opfern die Kelten jenen Göttern, die ihnen zum Triumph verholfen haben. Ihre wichtigsten Dankesgaben haben die Sieger auf überdachten Podesten an den Seiten des Platzes aufgestellt. Dort reihen sich Hunderte Leichen aneinander: die toten Gegner, aufrecht an Gestellen befestigt. Selbst im Tod bleiben sie in militärischer Formation beisammen, tragen all ihre Waffen, so als kämen sie gerade erst aus der Schlacht.
Der keltische Opferkult erreicht eine neue Dimension
Nur ihre Köpfe fehlen – die Sieger haben sie abgeschlagen, um sie als Trophäen aufzubewahren. Vom Dach gegen Feuchtigkeit geschützt, haben sich die Enthaupteten nach und nach in Mumien aus Haut und Knochen verwandelt.
Für eine Weile hält die Totenarmee über dem Heiligtum eine unheimliche Wache. Dann werden die ausgedörrten Körper zu Ehren der Götter zerschlagen und verbrannt.
Der Brauch, den übernatürlichen Herrschern auch menschliche Leiber als Opfer darzubringen, ist uralt. Unter anderem weihen die Kelten – wie andere Völker des Altertums auch – ihren Gottheiten wahrscheinlich schon lange Verbrecher und Sklaven, richten sie in ritueller Weise hin, um die Jenseitigen gnädig zu stimmen.
Doch mit dem Heiligtum, das sich in der Nähe des Ortes Ribemont-sur-Ancre im Norden Frankreichs erhalten hat, erreicht der Kult eine neue Dimension: Dort opfern die Kelten ein ganzes Heer von Leichen.
Die enorme Totenschau ist weit mehr als eine militärische Triumphbekundung. Sie zeugt zugleich von einer neuen religiösen Macht, von einflussreichen Priestern, die ihren Stamm zum Bau gewaltiger Kultanlagen anzutreiben vermögen: den Druiden.

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Niemand kann heute mehr sagen, woher die mysteriösen Männer stammen, wie sie zu spirituellen Führern der Kelten aufsteigen konnten. Vielleicht haben diese Zeremonienmeister irgendwann in Zeiten großer Not an Macht gewonnen – möglicherweise während eines Krieges, als göttliche Hilfe nötiger schien als je zuvor und neue Mittler zwischen Himmel und Erde gefragt waren.
Bereits in der Antike ranken sich Legenden um die Druiden. Erste Nachrichten von diesen „Eichenkundigen“ – denn das bedeutet ihr Name vermutlich – erreichen Griechenland wohl im 2. Jahrhundert v. Chr., vielleicht sogar schon früher. Denn etwa zu jener Zeit erwähnen sie die Verfasser der Werke „Magikos“ und „Diadoche“ – Schriften, die allerdings verschollen und nur aus Zitaten späterer Autoren bekannt sind.
Diese Chronisten vergleichen die Keltenpriester mit den griechischen Philosophen und umreißen vage die Weltanschauung der fremden Weisen: „Man solle die Götter verehren, nichts Böses tun und sich in Tapferkeit üben.“
Mehr erfahren die Gelehrten des Altertums über die Druiden erst durch den Griechen Poseidonios: Der Philosoph bereist um das Jahr 80 v. Chr. unter anderem das keltische Gallien.
Er ist fasziniert von den fremden Sitten, trägt Informationen zusammen, verfasst eine Völkerkunde. Zwar ist auch dieses Werk verschollen, doch mehrere antike Autoren haben die Schilderungen des griechischen Reisenden übernommen.
Viele Autoren idealisieren die geistigen Führer
Schon Poseidonios entwirft ein Idealbild der Keltenpriester. Für ihn sind sie die letzten Überlebenden eines goldenen Zeitalters – einer längst vergangenen Epoche, in der weise Männer regierten und den Menschen die Grundlagen des Wissens beibrachten.
Die von Poseidonios beeinflussten Schreiber schildern die Druiden deshalb oft als edle Naturphilosophen. So sollen sie in Kriegszeiten zwischen die feindlichen Kämpfer treten, „als ob sie wilde Tiere besänftigen“. Und der römische Historiker Plinius der Ältere beschreibt sie 77 n. Chr. als Waldkundige, die in Eichenbäume klettern, um „mit einer goldenen Sichel“ die als Allheilmittel geltenden Misteln von den Ästen zu schneiden.
Manche dieser antiken Berichte sind wohl übertrieben, verfälscht oder sogar frei erfunden. Doch zumindest ein weiterer Autor kennt Gallien aus eigener Anschauung: Gaius Iulius Caesar.
In den Jahren 58 bis 51 v. Chr. unterwirft der römische Feldherr das von Kelten bevölkerte Land und schreibt anschließend ein Buch über den Gallischen Krieg. Darin erläutert er auch die Sitten der Besiegten – ausführlicher als jeder andere Autor seiner Zeit. Die Druiden sind seinem Bericht zufolge Gelehrte, die sich mit Astrologie und Philosophie beschäftigen: „Viel disputieren sie über die Gestirne und ihren Lauf, die Größe der Welt und der Erde, die Natur der Dinge und das Walten und die Macht der unsterblichen Götter.“
Doch diese Weisen üben sich nicht bloß in Gedankenspielen. Sie haben Autorität in Glaubensfragen, wachen
in ihrem Stamm über sämtliche Kultangelegenheiten: „Sie richten die öffentlichen und privaten Opfer aus und interpretieren die religiösen Vorschriften.“
Den vollständigen Text können Sie in der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "Die Kelten" nachlesen.
