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GEOEPOCHE-Buchtipps: Mafia

Weiterführende Literatur zum Thema, für Sie zusammengestellt und bewertet von der GEOEPOCHE-Redaktion.

Inhaltsverzeichnis

Gesamtdarstellungen

GESAMTDARSTELLUNGEN

James O. Finckenauer, Mafia and Organized Crime: A Beginner’s Guide (Oneworld Publications, Oxford 2007), 220 Seiten, 12 Euro.

Finckenauer, anerkannter Experte und Professor an der US-amerikanischen Rutgers University, hat einen sehr empfehlenswerten allgemeinen Einstieg ins Thema geschrieben. Ohne Vorwissen verständlich, präsentiert das Buch die wichtigsten Formen Organisierten Verbrechens samt Abriss ihrer Geschichte, stellt Erklärungsansätze vor, beschreibt die Auswirkungen dieser Kriminalität für die Gesellschaft, zeigt neueste Trends auf und befasst sich auch mit der Frage, warum die gewalttätigen, Schaden bringenden Gangster in der Populärkultur oft heroisiert werden. Mit Hinweisen auf weiterführende Literatur im Anhang. (Leichter Schwerpunkt auf den USA.)

Mitchel P. Roth, Organized Crime (Prentice Hall, Upper Saddle River 2010), 633 Seiten, 72 Euro.

Es gibt nur wenig seriöse und gut lesbare Gesamtdarstellungen zum Organisierten Verbrechen und seiner Geschichte – dieses Buch zählt dazu. Der US-amerikanische Professor für Kriminologie Roth hat den Band als Lehrbuch für Studenten entwickelt (weshalb jedes Kapitel mit Diskussionsfragen und einer Zusammenfassung endet), doch eignet es sich im Prinzip für jeden interessierten Leser. Roth gibt einen umfassenden, aktuellen, gut strukturierten Überblick zur Historie und Gegenwart des Organisierten Verbrechens weltweit und bindet dabei ebenso theoretische Grundlagen wie Anekdotisches ein. Kästen und viele kurze Kapitel machen die Lektüre einfach. Allerdings setzt Roth, bei aller Vielfalt, den Schwerpunkt mitunter stark auf den US-Kontext. Und er ist – bei der Fülle der thematischen und geographischen Aspekte kaum verwunderlich – nicht immer in allen Bereichen und Details präzise, etwa bei der Frühgeschichte der italienischen Mafia.

Paul Lunde, Organized Crime. An Inside Guide to the World’s Most Successful Industry (Dorling Kindersley, London 2004), 192 Seiten, etwa 25 Euro.

Opulent bebildertes, großformatiges Überblickswerk, das sich ebenso der italienischen und amerikanischen Mafia wie unterschiedlichen Motorradgangs, ebenso den chinesischen Triaden und den japanischen Yakuza wie jamaikanischen Verbrecherbanden widmet. Trotz der bunten Aufmachung eine insgesamt überlegte Darstellung, mit vielen Kästen, die wichtige Personen oder Teilaspekte behandeln. Zuweilen aber historisch nicht ganz genau.

David Southwell, Geschichte des organisierten Verbrechens (Fackelträger, Köln 2007), 383 Seiten, 12,80 Euro.

Ins Deutsche übersetzter historischer Überblick eines britischen Journalisten, der sich lange Jahre mit Organisiertem Verbrechen beschäftigt hat. Gut lesbar und mit hilfreichen kurzen Abschnitten, die die wichtigsten Tätigkeitsfelder von Verbrecherorganisationen erklären, etwa Schutzgelderpressung, Kreditbetrug oder Gewerkschaftskorruption. Als deutschsprachiger Einstieg geeignet. Doch: Southwells Darstellung zerfällt oft in unverbundene, anekdotische Einzelteile, er nennt so gut wie nie seine Quellen und gibt auch keine Literatur an. Zudem spitzt er Aussagen mitunter unnötig zu und ist manches Mal ungenau.

GEOEPOCHE-Buchtipps: Mafia
© Dorling Kindersley

Sizilien

SIZILIEN – DIE ENTSTEHUNG DER MAFIA

John Dickie, Cosa Nostra. Die Geschichte Mafia (Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 7. Aufl. 2010), 576 Seiten, 9,95 Euro.

Das Standardwerk ist ein Bestseller – zu Recht. Dickie erzählt plastisch und analysiert schlüssig. Er kennt die Forschung und bettet seinen Bericht in sie ein, zeigt sich aber unbeeindruckt von jeder Relativierung: Für den Londoner Historiker und Romanisten ist die Mafia von Beginn an „eine verschworene Geheimgesellschaft, die die Kunst pflegt, Menschen umzubringen und ungestraft davonzukommen.“ Wohltuend deutlich.

zum Archiv

Letizia Paoli, Mafia Brotherhoods. Organized Crime, Italian Style (Oxford University Press, New York 2003; Paperback 2009), 320 Seiten, 21 Euro.

Paolis komplexe, detailreiche Studie bietet Einsichten in das Phänomen Mafia auf hohem wissenschaftlichem Niveau. Zwar fällt der eigentlich historische Teil kurz aus. Doch liefert das Buch einen guten Überblick über Erklärungen und Interpretationen aus mehreren Jahrzehnten - streckenweise fast so spannend wie die Geschichte der Mafia selbst. Paoli widmet sich neben der sizilianischen „Cosa Nostra“ auch der ebenfalls im 19. Jahrhundert entstehenden kalabrischen „’Ndrangheta“.

Diego Gambetta, Die Firma der Paten. Die sizilianische Mafia und ihre Geschäftspraktiken (dtv, München 1994), 362 Seiten, gebraucht ab 19 Euro.

Es mag einseitig sein, die Mafia einfach als ein Unternehmen zu begreifen. Dennoch ist Gambettas Studie nach wie vor eine lohnende Lektüre. Der Soziologe, der mittlerweile in Oxford unterrichtet, lässt keinen Zweifel, worum es geht: um Geld und Macht. Eine faszinierende Wirtschaftsgeschichte der gar nicht „ehrenwerten“ kriminellen Gesellschaft von ihren Anfängen bis ins späte 20. Jahrhundert.

Gianluca Fulvetti, The Mafia and the „Problem of the Mafia“: Organised Crime in Italy, 1820-1970, in: Cyrille Fijnaut und Letizia Paoli (Hg.): Organised crime in Europe. Concepts, Patterns and Control Policies in the European Union and Beyond (Springer Netherland, Dordrecht 2006), 1074 Seiten, 96,25 Euro.

Lohnt einen Bibliotheksbesuch: Fulvettis kurzer Aufsatz bietet einen überaus konzisen Abriss zur Geschichte des Organisierten Verbrechens in Italien sowie einen kurzen Überblick über den Forschungsgang und die wichtigste Literatur.

Anton Blok, Die Mafia in einem sizilianischen Dorf 1860 – 1960. Eine Studie über gewalttätige bäuerliche Unternehmer (Suhrkamp, Franfurt am Main 1981), 364 Seiten, ab 12 Euro.

Nicht mehr ganz frische, im Ansatz teilweise überholte Studie. Aber eine faszinierende Lektüre: Der Kulturanthropologe Blok spürt der Frage nach, wie „die“ Mafia im Alltag funktioniert, was sie für ein konkretes Dorf und seine Bewohner bedeutet.

Tom Behan, See Naples and Die. The Camorra & Organised Crime (TPP, London 2002/2009), 324 Seiten, 16 Euro.

Wer einen Überblick zur Geschichte der „Camorra“ sucht, jener der sizilianischen Mafia ähnlichen, etwas älteren Verbrecherorganisation, die in Neapel entsteht, findet hier ein gutes, lesbares Werk.

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Al Capone

AL CAPONE - KARRIERE EINES GANGSTERS

Thomas Welskopp, Amerikas große Ernüchterung. Eine Kulturgeschichte der Prohibition (Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010), 660 Seiten, 49,90 Euro.

In seinem Buch beschreibt der Bielefelder Historiker Welskopp den Humus, auf dem das Organisierte Verbrechen der 1920er Jahre blühen und gedeihen konnte: das Alkoholverbot, das Millionen Amerikaner in die Illegalität trieb – und zugleich neue Begehrlichkeiten weckte. Dabei beschränkt sich Welskopp nicht auf bierselige Anekdoten, sondern beschreibt nüchtern Produktion, Markt, Vertrieb und Promotion der heißen Ware - und räumt nebenbei mit manchem Gangster-Mythos auf.

David E. Ruth, Inventing the Public Enemy: The Gangster in American Culture, 1918-1934 (University of Chicago Press, Chicago 1996), 200 Seiten, 16,99 Euro.

Dass Amerikas Mobster nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine sozialpsychologische Nachfrage befriedigten, zeigt der Historiker Ruth in seiner Studie: Anhand von Zeitungsartikeln, Romanen, Groschenheften und Hollywood-Filmen weist er nach, wie Schwerenöter vom Schlag Al Capones den Amerikanischen Traum verkörperten und verunsicherten Bürgern seelische Hilfestellung in Umbruchszeiten boten.

John Kobler, Al Capone. Sein Leben, seine (Un)Taten, seine Zeit (Scherz, München 1982), 420 Seiten, antiquarisch ab 3 Euro.

Die reinen Biographien Capones, meist nicht von Historikern, sondern von Journalisten verfasst, sind oft mit Vorsicht zu genießen. Zu leicht erliegen sie der Versuchung zur - positiven wie negativen - Heroisierung ihres Gegenstands. Noch immer relativ verlässlich scheint Koblers nicht mehr ganz so frische Darstellung.

Triaden

TRIADEN – SHANGHAIS "GRÜNE BANDE"

Brian G. Martin, The Shanghai Green Gang. Politics and Organized Crime, 1919-1937 (University of California Press, Berkeley 1996), 314 Seiten, 57 Euro.

Sie kontrolliert das Nachtleben und den Opiumhandel, infiltriert Polizei und Verwaltung: Die “Grüne Bande” ist die mächtigste Geheimgesellschaft im Shanghai der 1920er und 1930er Jahre. Der China-Experte Brian G. Martin hat die Geschichte der kriminellen Organisation rekonstruiert: Er beleuchtet ihre Anfänge als Vereinigung von Getreideschiffern, schildert ihren Aufstieg unter Du Yuesheng, dem "Al Capone des Orients", und analysiert ihre Verwicklung in den blutigen Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten. Die Grüne Bande, so argumentiert Martin, war eine treibende Kraft in der Entwicklung des modernen Shanghai. Sein bisweilen trockenes, aber ungemein detailreiches Buch ist die erste bedeutende englischsprachige Studie zur Geschichte der Geheimgesellschaft.

Pan Ling, Old Shanghai. Gangsters in Paradise (Heinemann Asia, Hong Kong 1984), 239 Seiten, antiquarisch ab ca. 30 Euro.

Die Verwaltung ist zutiefst korrupt, die Rechtssprechung gilt nur bis zur Grenze des jeweiligen Stadtteils: Kaum anderswo finden Verbrecher ähnlich paradiesische Zustände vor wie im Shanghai des frühen 20. Jahrhunderts. Und niemand nutzt diese Situation besser als Du Yuesheng: In wenigen Jahren steigt er auf vom Obstverkäufer zum Herrscher der Unterwelt, wird angesehener Unternehmer und Komplize der Mächtigen. Seine unglaubliche Karriere verknüpft die Schriftstellerin Pan Ling, die selbst aus Shanghai stammt, mit dem Schicksal anderer Protagonisten jener Zeit. So schafft sie ein faszinierendes Städteporträt, das zugleich die dramatische Geschichte Chinas widerspiegelt.

US-Mafia-Kartell

US-MAFIA-KARTELL - DIE MORD GMBH

Thomas Reppetto, American Mafia. A History of Its Rise to Power (Owl Books, New York 2005) 352 Seiten, 12,99 Euro.

Gute Darstellung über den Aufstieg der amerikanischen Mafia in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Autor richtet sein Augenmerk besonders auf die enge Zusammenarbeit der italienischstämmigen Gangster mit Verbrechern, die aus anderen ethnischen Milieus stammen.

Selywn Raab, Five Families. The Rise, Decline and Resurgence of America's Most Powerful Mafia Empires (Thomas Dunne Books, New York 2006) 785 Seiten, 15,99 Euro.

Großes Epos eines ehemaligen Reporters der „New York Times“ über die fünf großen New Yorker Mafia-"Familien", das bis in die unmittelbare Gegenwart reicht. Fesselnd erzählt, überwiegend gut recherchiert und spannend.

Rich Cohen, Murder Inc. oder Nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklyn (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999) 367 Seiten, antiquarisch ab 6,50 Euro.

Das Buch eines jungen Journalisten, der tief in die Welt der jüdischen Auftragskiller aus Brooklyn eintaucht – in der auch sein eigener Vater aufwuchs –, ist mit literarischen Ambitionen geschrieben. Cohens Darstellung lässt aber immer erkennen, wo die belegbaren Fakten enden und seine Mutmaßungen beginnen. Sehr empfehlenswerte Lektüre.

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Sowjetunion

SOWJETUNION - DER ORDEN DER DIEBE

Federico Varese, The Russian Mafia. Private Protection in a New Market Economy (Oxford University Press, Oxford 2005) 304 Seiten, ca. 30 Euro.

Varese, Professor für Kriminologie an der University of Oxford, hat mit dieser Studie zur Geschichte des Organisierten Verbrechens in Russland ein spannend geschriebenes und zugleich wissenschaftlich sorgfältig gearbeitetes Standardwerk vorgelegt. In einem ausführlichen Kapitel widmet er sich auch – von den Anfängen bis in die 1980er Jahre – jenen Kriminellen, die sich als „Diebe im Gesetz“ (russisch: Wory w Sakone) Ende der 1920er Jahre in sowjetischen Strafflagern zu einer Bruderschaft zusammengeschlossen haben.

Anne Applebaum, Der Gulag (Goldmann, München 2005), 736 Seiten, 14 Euro.

Das mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Werk der amerikanischen Journalistin ist eine der umfassendsten und am besten dokumentierte Darstellung des Gulag genannten sowjetischen Lagersystems. Denn Applebaum hat zahlreich Quellen in sowjetischen Archiven gesichtet und überlebende Häftlinge interviewt. So ist ihr eine beeindruckende Sozialstudie gelungen, in der sie auch die Entstehungsbedingungen der „Diebe im Gesetz“ offen legt; dazu gehört unter anderem deren Zusammenarbeit mit den Lagerverwaltungen bei der Bewachung politischer Gefangener. Für jeden, der die Anfänge der russischen „Mafija“ verstehen will, ist die Studie von Applebaum ein Muss.

Kuba

KUBA - INSEL DER MOBSTER

Thomas Joseph English: Havana Nocturne. How the Mob Owned Cuba... and Then Lost It to the Revolution (Verlag William Morrow, New York 2008) 416 Seiten, 22 Euro.

T. J. English kennt sich aus mit dem Organisierten Verbrechen. Der US-Journalist irischer Abstammung hat bereits drei Bücher über Gangster in New York geschrieben. In Havana Nocturne verfolgt er sie nach Kuba. Gut und genau recherchiert, aber auch höchst anschaulich beschreibt er Dreierlei: das so profitable Glücksspiel-Imperium der Mafia in Havanna, das dekadente Nachtleben der fünfziger Jahre in der kubanischen Metropole und schließlich den blutigen Machtkampf zwischen den Revolutionären um Fidel Castro und dem Diktator Fulgencio Batista, der mit der Niederlage von dessen korruptem Regime und der Vertreibung der Mafia aus ihrem Paradies endet.

Robert Lacey: Meyer Lansky. Der Gangster und sein Amerika (Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1992) 607 Seiten, antiquarisch ab 40 Euro.

Dieses Buch beschränkt sich nicht nur auf Kuba und die Mafia. Der britische Historiker porträtiert vielmehr den Kopf des Glücksspiel-Imperiums in Havanna: Meyer Lansky. Er schildert Lanskys Aufstieg von einem kleinen New Yorker Ganoven zu einer fast mythischen Figur des Organisierten Verbrechens Amerikas. Vor allem aber macht Lacey begreiflich, warum es für den Glücksspiel-Mogul der Mafia im korrupten Kuba der fünfziger Jahre zu einer Frage der Ehre wurde, weder die Spieler noch seine Partner übers Ohr zu hauen.

Mord an Roberto Calvi

MORD AN ROBERTO CALVI - TOD EINES BAKIERS

Philip Willan, The Last Supper. The Mafia, the Masons and the Killing of Roberto Calvi (Constable and Robinson, London 2007), 350 Seiten, 11 Euro.

Willan, ein britischer Journalist, der seit mehr als zwei Jahrzehnten über die Schattenwelt der italienischen Politik, Mafia und des Vatikan recherchiert, taucht tief ein in den mysteriösen Todes- und wohl Mordfall Roberto Calvi. The Last Supper ist sicherlich die beste und umfassendste Darstellung des Skandals – etwas zu umfassend vielleicht. Denn Willan bereitet in liebevoller Akribie seriöse Spuren ebenso aus wie höchst spekulative „Indizien“. So schreibt er gleich ernsthaft über die – wahrscheinlichen – Mafia-Verbindungen in diesem Verbrechen wie über die Farbe der Blackfriars Brücke, unter der Calvis Leichnam baumelte: Die sei zu jener Zeit blau-weiß gestrichen. Dies seien dieselben Farben wie die argentinische Flagge sie habe. Mit Argentinien lag Großbritannien zu jener Zeit im Falkland-Krieg. Ergo sei die Brücke ein Hinweis darauf, dass Calvi irgendwie den Argentiniern geholfen habe und dafür, womöglich mit Wissen des britischen Geheimdienstes, mit seinem Leben büßen musste; zur Warnung sei er unter den „argentinischen Farben“ aufgeknüpft worden. Nun ja. Da Willan zudem sein Buch weder chronologisch noch thematisch klar gliedert, verlangt es einen sehr aufmerksamen, geduldigen Leser.

Giuseppe D’Alema, Der aufhaltsame Aufstieg der Loge P2 (Edition: X, Reinheim o. J.), 144 Seiten, leider nur antiquarisch erhältlich.

D’Alema, hoch angesehener Politiker und Parlamentarier der Kommunisten, wirkte in den 80er-Jahren maßgeblich in jenem Untersuchungsausschuss mit, der die Machenschaften der Geheimloge P2 aufklären sollte. Er liefert eine kurze Darstellung jener Organisation, übersetzt und eingeleitet wird das Werk (das in der deutschen Ausgabe im 80er-Jahre-Alternativ-Layout daherkommt wie eine auf der Schreibmaschine getippte Magisterarbeit) vom deutschen Italienkenner Werner Raith. Besonders spannend ist die im Anhang als Faksimile abgedruckte, von der Polizei beschlagnahmte Mitgliederliste jener rechtsextremen Loge. Dort findet sich etwa, auf Seite 123 im Buch, der skandalumwehte Bankier Roberto Calvi (Mitgliedsnummer 1624), sein Finanzkollege, zeitweiliger Partner und ebenfalls mysteriös verschiedener Magnat Michele Sindona auf Seite 122 (Nummer 1612) – und auf Seite 126 unter Mitgliedsnummer 1816 ein damals aufstrebender Unternehmer aus Mailand: Silvio Berlusconi.

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Grossbritannien

GROSSBRITANNIEN - DIE SELBSTDARSTELLER VON "THE FIRM"

Jocelyn Bain Hogg, The Firm (Trolley, London 2003), 196 Seiten, 31 Euro.

Zwei Jahre hat der britische Fotograf Jocelyn Bain Hogg jene britischen Unterweltler begleitet, die sich auf die in den 1960er Jahren von den Kray-Brüdern gegründete Londoner Gangster-Organisation „The Firm“ berufen. In diesem Bildband vereint er Fotos, die er in Hinterzimmern und Hinterhöfen, auf Partys und Beerdigungen, in Londoner Clubs und im Verbrecherexil auf Teneriffa aufgenommen hat. Ein eindrucksvolles Kaleidoskop – zwischen intimer Millieustudie und hedonistischer Selbstinszenierung, Gangsterrealität und Pose.

Kolumbien

KOLUMBIEN - DER DROGENBARON PABLO ESCOBAR

Mark Bowden, Killing Pablo. Die Jagd auf Pablo Escobar, Kolumbiens Drogenbaron (Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin 2003), 397 Seiten, 11,90 Euro.

Auf der Basis umfangreicher eigener Recherchen liefert Bowden eine spannend geschriebene Rekonstruktion der immer größere Ausmaße annehmenden Jagd auf den Kokain-Boss – und der Beteiligung US-amerikanischer Einheiten. In der Vorgeschichte beschreibt Bowden auch den Anfang von Escobars Karriere, allerdings zuweilen etwas ungenau.

James Mollison, Escobar. Der Drogenbaron (Heyne, München 2009), 416 Seiten, 16 Euro.

Reich bebildertes Buch mit vielen persönlichen Erinnerungen der Jäger Escobars wie auch seiner Verwandten und Vertrauten. Ob Privatfotos aus Escobar besten Zeiten, Innenansichten aus dem Gefängnis „La Catedral“, Bilder des toten Drogenbosses oder aus der Wohnung seiner Mutter: Mollisons Buch macht die unglaubliche Geschichte von Escobars Leben, Sterben und Nachleben fassbar.

Francisco E. Thoumi, Illegal Drugs, Economy, and Society in the Andes (Woodrow Wilson Center Press, Washington D.C., 2004), 440 Seiten, 20 Euro.

Nüchternes, angenehm neutral geschriebenes Buch über Produktion und Handel der Drogen in Kolumbien, Bolivien und Peru – und über das Dilemma der Anti-Drogen-Politik in den Andenstaaten, die bis heute praktisch wirkungslos geblieben ist.

Russland

RUSSLAND - AUFSTIEG DER NEUEN "MAFIJA"

David Satter, Darkness at Dawn: The Rise of the Russian Criminal State (Yale University Press, New Haven 2003), 336 Seiten, 25 Euro.

Bücher über das Organisierte Verbrechen in Russland sind häufig extrem: Entweder summieren sich die persönlichen Erfahrungen des Autors – seine Treffen mit Mafiya-Größen etwa, oder Schießereien, die er selbst beobachtet hat – zu einer recht zusammenhangslosen Geschichtensammlung. Oder aber der Verfasser analysiert die Voraussetzungen für das neue russische Verbrechertum – die staatliche Unordnung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die von Korruption geprägte Turbo-Privatisierung – haarklein und zuweilen etwas trocken. David Satter jedoch gelingt es in seinem Buch, spannende Geschichten zu erzählen und zugleich immer wieder einen Schritt zurückzutreten und das Erzählte kundig in den großen Zusammenhang einzuordnen. Empfehlenswert.

Paul Klebnikov, Godfather of the Kremlin: The Decline of Russia in the Age of Gangster Capitalism (Mariner Books, 2001), 416 Seiten, 18 Euro.

Paul Klebnikov war einer der hartnäckigsten investigativen Journalisten in Russland. Immer wieder zeigte er die Zusammenhänge von Politik, Wirtschaft und Verbrechen auf. In diesem Buch beschreibt er vor allem den Aufstieg des heutigen Oligarchen Boris Beresovsky. Seine Arbeit wurde Klebnikov zum Verhängnis: Am 9. Juli 2004 erschossen ihn Killer in Moskau auf offener Straße.

Japan

JAPAN - DIE MACHT DER YAKUZA

David E. Kaplan/Alec Dubro, Yakuza – Japan’s Criminal Underworld (University of California Press, Berkeley/Los Angeles 2003), 400 Seiten, 19 Euro.

1986 haben die beiden investigativen Journalisten Kaplan und Dubro mit ihrem Buch über das Organisierte Verbrechen in Japan größte Wellen ausgelöst. Ihr auf zahlreichen Interviews basierender Report zeigt, wie stark die Yakuza innerhalb der japanischen Gesellschaft verwurzelt sind. Die überarbeitete und ergänzte Ausgabe von 2003 gibt nun einen profunden Überblick über die Entwicklung der Yakuza von den frühesten Anfängen bis ins 21. Jahrhundert. In Details zur japanischen Geschichte ist das Werk zwar nicht immer ganz treffsicher, aber eine anschaulichere Darstellung des Phänomens der Männer mit dem Namen der Zahlenkombination 8-9-3 gibt es nicht.

Peter B. E. Hill, The Japanese Mafia. Yakuza, Law, and the State (Oxford University Press, Oxford 2003), 324 Seiten, in der Taschenbuchausgabe von 2006 etwa 26 Euro.

Der britische Soziologe Hill legt mit dieser gut lesbaren wissenschaftlichen Studie das analytische Fundament zum Thema Yakuza. Wer begreifen will, wie die Banden aufgebaut sind, womit sie ihr Geld verdienen, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert haben und warum, der kommt an diesem Buch nicht vorbei.

Manfred Pohl, Geschichte Japans (C. H. Beck, München 2002), 102 Seiten, 7,90 Euro.

Das handliche Werk des Hamburger Japanologen Manfred Pohl umreißt in knapper Form die japanische Geschichte von der Frühzeit bis zu den 1990er Jahren. Die Yakuza spielen in dem Bändchen keine Rolle. Doch für das Verständnis des Organisierten Verbrechens in Japan, insbesondere seiner politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen, ist das Buch sehr hilfreich.

Anton Kusters, 893 Magazine - The Yakuza in Tokyo Issue 1 (http://www.blurb.com/bookstore/detail/1364125, 2010), 86 Seiten, ca. 50 Euro.

Gemeinsam mit seinem Bruder verfolgt der belgische Fotograf Anton Kusters seit zwei Jahren eine Yakuza-Familie in Tokyo mit der Kamera. Aus ihren Bildern, Texten und Filmaufnahmen soll einen mehrteilige, multimediale Dokumentation entstehen. Der erste Band dieses Kunstprojektes liegt nun mit dem „893 Magazine“ vor. Es sind Bilder aus einer für westliche Betrachter erstaunlichen Welt.

Italien

ITALIEN - JAGD AUF DEN BOSS DER BOSSE

John Follain, Die letzten Paten. Aufstieg und Fall der Corleoneses (Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2009), 384 Seiten, 9,95 Euro.

Spannende, satt und präzise erzählte Geschichte der Mafia-Krieger aus Corleone – deren letzter Bernardo Provenzano war, „Boss der Bosse“ von 1995 bis 2006. Um sie erzählen zu können, hat der langjährige Italien-Korrespondent der Londonder „Sunday Times“ Tausende Seiten Untersuchungsakten und Zeugenaussagen ausgewertet, Tonbandmitschnitte abgehört, Interviews geführt.

Andrea Camilleri, M wie Mafia (Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2010), 224 Seiten, 8,95 Euro.

Der Krimi- und Drehbuchautor Camilleri stellt den „Boss der Bosse“ in 60 Einträgen nach Art eines Lexikons vor. Die Einträge sind so originell wie der Grundgedanke; sie reichen von „Abtauchen“ über „Jesus Christus“ und „Töten“ bis „Zichoriengemüse“. Detail- und gedankenreich geben sie den vielleicht besten verfügbaren Einblick in Provenzanos Wesen und Wertvorstellungen.

Clare Longrigg, Der Pate der Paten. Wie Bernardo Provenzano die Mafia organisierte (F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 2009), 384 Seiten, 24,95 Euro.

Solide, umfassende Biographie, gut lesbar. Die Journalistin Longrigg ist eine ausgewiesene Mafia-Kennerin mit Interesse für den menschlichen Faktor hinter der Organisation. Dass auch sie immer wieder vor Rätseln steht, rührt aus ihrem Gegenstand her: Wenige Mafiosi sind dem Schweigegebot der „ehrenwerten Gesellschaft“ mit solcher Konsequenz treu geblieben wie Provenzano. Und noch weniger haben mit ähnlicher Raffinesse über Jahrzehnte ihre Spuren verwischt.

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