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Leseprobe: Elisabeth

44 Jahre lang regiert die "jungfräuliche Königin" Elisabeth I. - und legt das Fundament für Englands Aufstieg zu einer globalen Macht.

Lesen Sie einen Auszug aus der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "England":

Sie ist alt geworden. Lang und hager das Gesicht, dünn die Lippen. Die Zähne stehen gelb und schief; viele fehlen, sodass sie nur schwer zu verstehen ist. Das schüttere Haar wird unter einer mächtigen, mit Perlen durchflochtenen Perücke verborgen, von der zwei rote Locken auf ihre Schultern fallen – auf ein hauchfeines, silberweißes Kleid mit breiten, goldenen Säumen, das den faltigen Busen fast vollkommen frei lässt.

Zuweilen macht die Königin eine Bewegung, als sei ihr heiß, und schiebt das Kleid über dem blassen Körper noch weiter auf. Dann weiß ihr Gast, der französische Gesandte, nicht recht, wohin er blicken soll.

Dass eine Frau ihr Dekolleté offen trägt, ist nicht ungewöhnlich am englischen Hof; es gehört zur Mode der Unverheirateten. Ungewöhnlich und verstörend indes ist eine Greisin, die als Jungfrau auftritt. 64 Jahre alt ist Elisabeth I. in diesem Dezember 1597, nach den Maßstäben ihrer Zeit eine Überlebende. Seit 39 Jahren regiert sie England, ein großer Teil ihrer Untertanen hat nie einen anderen Herrscher gekannt.

Elisabeth bleibt aus politischem Kalkül unverheiratet

Fast 16 Jahre ist es her, dass sie zum letzten Mal das liebgewonnene Spiel von Anziehung, Verzögerung, Verweigerung gespielt, über eine Ehe verhandelt hat – und wie stets im letzten Moment entschied, auf sich gestellt zu bleiben. Die Königin-Jungfrau.

Und nur neun Jahre liegt der Tag zurück, an dem sie vor ihr Heer trat, eine silbern und weiß glänzende Amazone, die schwor, für ihren Gott, ihr Reich, ihr Volk und ihre Ehre zu kämpfen und zu sterben. Damals schlug ein Sturm die spanische Invasionsflotte zu Trümmern, die sie um all das zu bringen drohte. Spätestens seit jenem Sturm ist Elisabeth ein Mythos.

Ein Mythos, hinter dem sich eine runzlige, fragile Frau verbirgt – mit einem immer noch wachen, koketten Verstand: Nach zwei Stunden Audienz zeigt sich ihr französischer Gast beeindruckt von der Königin, deren „feine, lebhafte Verfassung, im Körper wie im Geist“, ihm unvergleichlich erscheint. Unter ihren vielen Eroberungen ist er eine der kleineren, späten.

Längst sehnt sich mancher Untertan nach einem jüngeren Monarchen. Fällt es schwer, ihre harte Hand, ihre Geltungssucht zu ertragen. Diese Unduldsamkeit. Diesen vollendeten Machtinstinkt, den sie von ihrem Vater geerbt haben muss. Die Virgin Queen ist zur Ikone geworden. Starr, sakrosankt, eine protestantische Widerspiegelung der Heiligen Jungfrau. Geblieben sind ihre Undurchschaubarkeit und der unberechenbare Stolz. Und England.

Die Monarchin hinterlässt eine unabhängige Seemacht

Denn auf gewisse Weise hat Elisabeth I. England nicht einfach nur verändert, sondern geschaffen. Das Land,

das sie erbte, war ein schwaches, zerrissenes Reich am Rande Europas, bedroht von innen und außen, auf der Suche nach einer Stellung zwischen den kontinentalen Mächten. Das England, das sie bald hinterlassen wird, ist eine gefestigte, unabhängige Nation, auf eigenwillige Weise protestantisch, eine Seemacht auf dem Weg zur Weltgeltung.

Nichts davon war ausgemacht. Mehr als einmal drohte Elisabeth als Verliererin in die Geschichte einzugehen. Sah alles danach aus, dass kein „Elisabethanisches Zeitalter“ von den Geschichtsschreibern überliefert würde, sondern der knappe Hinweis auf eine schon in jungen Jahren geköpfte Hoheit.

18. März 1554. Tower of London, in den Morgenstunden: Die Themse führt zu niedriges Wasser, um Traitor’s Gate, das „Verrätertor“, anzulaufen, sodass die Barkasse etwas flussaufwärts festmacht. Die Gefangene wird an Land geführt. 20 Jahre alt, schlank, mittelgroß, von feinem Teint, rotblonde Locken: Lady Elisabeth, Halbschwester der regierenden Königin Maria.

Sie überquert die Zugbrücke, passiert den Richtplatz und sieht das Schafott, auf dem wenige Wochen zuvor einer anderen Rivalin der Königin der Kopf abgeschlagen wurde. Dann erreicht sie ihr Quartier. Es ist komfortabel, dem Rang der Gefangenen angemessen. Doch in den dunkleren Zellen, das weiß sie, werden Männer verhört und gefoltert, die an sie glauben. Elisabeth muss damit rechnen, dass einer von ihnen zerbricht. Dass das Schafott für sie bereitsteht. Und dass sie bald an der gleichen Stelle sterben wird wie einst ihre Mutter.

Den vollständigen Text können Sie in der neuen Ausgabe von GEOEPOCHE zum Thema "England" nachlesen.

Zeit ihres Lebens ist Elisabeth von Feinden umgeben: Ihre ältere Halbschwester lässt sie in den Tower sperren,der Papst schließt sie aus der Kirche aus, ihr Schwager entsendet eine gewaltige Kriegsflotte gegen sie. Doch Elisabeth I. übersteht alle Komplotte. 44 Jahre lang wird die 1559 gekrönte Monarchin herrschen
Zeit ihres Lebens ist Elisabeth von Feinden umgeben: Ihre ältere Halbschwester lässt sie in den Tower sperren,der Papst schließt sie aus der Kirche aus, ihr Schwager entsendet eine gewaltige Kriegsflotte gegen sie. Doch Elisabeth I. übersteht alle Komplotte. 44 Jahre lang wird die 1559 gekrönte Monarchin herrschen
© Woburn Abbey

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GEO EPOCHE Nr. 49 - 06/11 - England

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