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Vorschau: Das China des Mao Zedong

In seiner nächsten Ausgabe erzählt GEOEPOCHE die Geschichte Mao Zedongs – des mächtigsten Chinesen aller Zeiten.

Heute werden die Mädchen ihre Lehrerin töten. Am 5. August 1966 treiben sie Bian Zhongyun über den Hof eines der ältesten Gymnasien Beijings. Das Gesicht der 50-jährigen Pädagogin ist mit Tinte geschwärzt, auf dem Kopf trägt sie einen spitzen Hut aus Papier, Schriftzeichen sind auf ihre Bluse gemalt. Bian muss gegen ein Kehrblech schlagen und schreien, dass sie den Kommunismus verraten habe. Ruft sie nicht laut genug, treffen sie die nägelgespickten Knüppel ihrer Peiniger. Es sind ihre Schülerinnen.

Die Mädchen, kaum älter als 14 Jahre, tragen grüne Hosen und Jacken, dazu braune Gürtel, Lederstiefel und seidene Armbänder. In Beijing haben Kämpfer einer Kinderarmee die Macht übernommen: die Roten Garden.

Wenig später zwingen sie Bian, Kübel voll Müll und Kot zu schleppen. Als die herzkranke Frau die Last nicht mehr schultern kann, prügeln die Mädchen auf sie ein, immer wieder. Dann befehlen sie ihr, die Toiletten zu putzen, doch Bian verliert das Bewusstsein, ehe sie den Schrubber greifen kann. Die Schülerinnen schütten noch einen Bottich kalten Wassers über ihrer Lehrerin aus, doch es gelingt ihnen nicht mehr, sie aufzuwecken. Schließlich werfen sie den leblosen Körper auf eine Abfallkarre und lassen ihn liegen.

Niemand wird die Mädchen bestrafen. Im Gegenteil: Man wird sie für ihre Tat feiern. Denn was wie ein Amoklauf aussieht, gehorcht dem tödlichen Kalkül des mächtigsten Chinesen aller Zeiten: Mao Zedong (1893–1976) – Bibliothekar, Grundschullehrer, Kommunist, Partisan, Dichter, Revolutionär und 27 Jahre lang Herrscher über ein Viertel der Menschheit.

Mao will die permanente Revolution

Seit 1949 führt Mao die kommunistische Volksrepublik China – und ist zugleich ihr oberster Rebell. Den Aufstand der Schüler, die „Große Proletarische Kulturrevolution“, hat er selbst initiiert. Die Roten Garden sollen nicht nur angebliche „Konterrevolutionäre“ wie Bian Zhongyun bekämpfen, sondern Maos Gegner in der Partei in die Defensive drängen und seinen Lebenstraum verwirklichen: die permanente Revolution.

Mehr als 60 Millionen Menschen werden für diesen Traum mit ihrem Leben bezahlen.

In seiner nächsten Ausgabe erzählt GEOEPOCHE die Geschichte Mao Zedongs – des rücksichtslosesten Massenmörders, den das 20. Jahrhundert neben Adolf Hitler und Josef Stalin hervorgebracht hat. Beschreibt das

sterbende Kaiserreich, das ihn geprägt hat. Rekonstruiert den Aufstieg des Außenseiters zum Führer der Kommunistischen Partei und zum Herrn über ganz China. Ergründet, weshalb er nach dem Sieg immer wieder

über das eigene Volk herfiel, verheerende Hungersnöte auslöste und sein Land mit brutalen Kampagnen quälte. Und widmet sich dem wohl wichtigsten Erbe, das er dem Reich der Mitte hinterlassen hat: seinem Mythos.

Denn trotz aller Verbrechen wird Mao noch heute von vielen als Vater des modernen China verehrt. Hängt sein Porträt nach wie vor am „Tor des Himmlischen Friedens“ in Beijing.

Die Partei, die Mao einst mitgründete, hat seine kommunistischen Ideale zwar längst verraten, doch ihre Herrschaft stützt sich bis heute auf das Heldenepos vom Bauernsohn, der China einte, die ausländischen Besatzer vertrieb und das Land zur Atommacht aufbaute.

Auf die Legende vom Großen Vorsitzenden Mao.

Drei Jahrzehnte lang ist er der mächtigste Mann im Reich der Mitte: Mao Zedong (Foto von 1934)
Drei Jahrzehnte lang ist er der mächtigste Mann im Reich der Mitte: Mao Zedong (Foto von 1934)
© UPI/picture-alliance

Am 19. Oktober 2011 erscheint die nächste Ausgabe von GEOEPOCHE

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