Eine gewaltige Flotte hält am 24. November 885 auf die Mauern von Paris zu. Mehr als 700 schmal geschnittene Boote mit hoch aufragenden Bug- und Heckspitzen fahren gegen die Strömung die Seine hoch, an den Rudern Tausende Krieger: Dänen, denen die Stadt ein Hindernis auf ihrem Weg zu Plünderzügen im Landesinneren ist.
Wie ein Bollwerk erhebt sich die mit Festungen gesicherte Siedlung auf einer Insel der Seine. Ein Turm jedoch befindet sich noch im Bau – und genau diese Schwachstelle attackieren die Nordmänner nun mit Steinen und Pfeilen. Um Paris entbrennt ein grausamer Kampf.
Bereits seit fast einem Jahrhundert bringen die Skandinavier Tod und Zerstörung über das Abendland. Die Herrscher Europas sind machtlos gegen ihren Furor, ihre Kampftaktik – und vor allem ihre mit Drachenköpfen verzierten Langschiffe, die schneller sind als alle anderen Boote der Welt: Sie lassen sich segeln und rudern, sind leicht genug, um sie über Land zu tragen, und liegen so flach im Wasser, dass die Angreifer damit nicht nur Flüsse hinauffahren, sondern sogar direkt auf Stränden landen können.
Um das Jahr 790 tauchen Dänen und Norweger erstmals vor den Britischen Inseln auf, überfallen und plündern am Wasser gelegene Klöster. Schon bald dehnen sie ihre Raubzüge (die in ihrer Sprache "viking" heißen) auf die Küsten des Kontinents aus, stoßen gar durch das Mittelmeer bis nach Nordafrika und Italien vor.
Die Invasoren verheeren Dörfer und Städte, metzeln Mönche, Adelige, Frauen und Kinder nieder, gewinnen mit Äxten und Speeren Schlachten gegen hochgerüstete Ritterheere und erpressen Reichtümer von Herrschern wie Kaiser Karl III. – jenem Monarchen, der nach einem Jahr Belagerung die Stadt Paris durch eine immense Tributzahlung vor den Nordmännern zu bewahren versucht.
Ein fataler Fehler. Denn bald darauf besetzen Wikinger die Seinemündung auf Dauer – und gründen inmitten des Frankenreiches einen eigenen Staat: die Normandie.
In seiner nächsten Ausgabe widmet sich GEOEPOCHE der Geschichte der Wikinger.
Wir erzählen von Bauern und Fischern, die auf sommerlichen Raubzügen zu Kriegern werden – und von ihrem Leben in der dunklen Jahreszeit, wenn sie in ihrer Heimat den Göttern opfern und ausschweifende Feste feiern.
Wir porträtieren kühne Seefahrer, die auf der Suche nach Land durch den Nordatlantik segeln, auf Island eine Republik begründen, Grönland besiedeln – und ein halbes Jahrtausend vor Kolumbus Amerika erreichen. Berichten, wie Kaufleute aus Schweden die Weiten Osteuropas erschließen, mit dem Reich von Kiew den ersten russischen Staat mitbegründen und nach Konstantinopel reisen, wo sie Pelze gegen arabisches Silber tauschen: ein begehrtes Zahlungsmittel im Fernhandelsnetz der Wikinger, das von Irland bis zum Orient reicht.
GEOEPOCHE stellt jene legendäre Ära vor, in der die Wikinger auf der Suche nach Reichtum, Ruhm und Abenteuer bis ins Polarmeer und ins Kaspische Meer reisten, ehe 1066 ihr letzter König in einer epischen Schlacht sein Leben und sein Heer verlor – und mit seinem Tod ein Zeitalter endete.
Die nächste Ausgabe von GEOEPOCHE erscheint am 15. Februar 2012