Indien, 326 v. Chr.: Nahe dem Ende der Welt wankt schließlich auch der Halbgott. Tausende Kilometer sind die Truppen unter Alexander dem Großen durch die Weiten Asiens gezogen. Haben in den Jahren zuvor scheinbar übermächtige Feinde besiegt, ein Weltreich unterworfen, Gebirge und Wüsten überwunden und Gebiete durchmessen, die noch kein Europäer zuvor betreten hat. Sie haben, vor Kurzem erst, ein Heer voll gewaltiger Kampfelefanten niedergerungen. Aber nun, nach 70 Tagen ununterbrochenem Regen, zähestem Morast, gefährlichen Tieren, vor allem aber nach der zermürbenden vergeblichen Suche nach den Ufern des Weltozeans, der irgendwo hier im Osten die Erde begrenzen soll, verweigern sie ihrem Feldherrn die Gefolgschaft. Sie meutern. Und Alexander, der sich fast schon ebenbürtig wähnt mit der von ihm verehrten Gottheit Dionysos, dem alles zu gelingen scheint, muss aufgeben. Nun beginnt der Rückweg nach Westen, Alexanders Marsch geht seinem Ende entgegen.
Und dennoch: Der Feldzug des jungen makedonischen Königs ist einer der größten und folgenreichsten Eroberungszüge der Geschichte. Eine gewaltige, alle damals bekannten Dimensionen und Vorstellungen sprengende, weltumstürzende Expedition, die insgesamt zehn Jahre währt und etwa 25 000 Kilometer Fußmarsch umfasst.
Der Vater schon, Philipp II., legt das Fundament für Alexanders Taten. Er formt aus Makedonien, einem kleinen, rauen, bäuerlichen Stammesreich am nördlichen Rand der griechischen Welt, die Vormacht in Hellas, macht das makedonische Militär zur schlagkräftigen Truppe. Alexander, hochgebildet und zum Krieger gedrillt, führt diese Streitmacht, nachdem er 336 v. Chr. mit nur 20 Jahren König geworden ist, gegen das persische Imperium, den größten Gegner jener Zeit. Und gewinnt gegen alle Wahrscheinlichkeit: In mehreren Schlachten, darunter dem legendären Gefecht bei Issos 333 v. Chr., unterwirft Alexander – schnell, risikobereit, taktisch genial, aber auch gnadenlos brutal - die Perser, lässt sich zum König Asiens ausrufen, zieht in die Weltmetropole Babylon ein. Doch Ehrgeiz und Neugier treiben ihn weiter, die ganze bekannte Welt zu beherrschen. Bald gebietet er über ein Reich, das sich von Ägypten bis nördlich des Hindukusch, von Makedonien bis nach Indien erstreckt. Ein Reich, in dem er mit neu gegründeten Städten die griechische Zivilisation verbreiten will, in dem Sieger und Besiegte gemeinsam regieren sollen.
Nach seinem rätselhaften frühen Tod im Jahr 323 v. Chr. zerbirst dieses Imperium im Streit seiner Nachfolger - und trotzdem prägt Alexanders beispiellose militärische und kulturelle Expansion ein ganzes Zeitalter, den Hellenismus.
Die neue Ausgabe von GEOEPOCHE: über den bedeutendsten Eroberer der Geschichte.
Die nächste Ausgabe von GEOEPOCHE erscheint am 16. Oktober 2013