Die Wismarbucht, in der ein Team um den Unterwasser-Archäologen Harald Lübke vom Landesamt für Bodendenkmalpflege in Schwerin die versunkenen Siedlungen erkundet, ist durch Untiefen von der offenen Ostsee getrennt. In prähistorischer Zeit hatte sich hier eine Art Fjord tief in die Jungmoränenlandschaft Mecklenburgs erstreckt.
Bisher wurden zwölf unterschiedlich erhaltene Stätten entdeckt. Der älteste Fundort liegt am nördlichen Rand der Untiefe Jäckelberg; die dort geborgenen Artefakte werden auf ein Alter von 7100 bis 7300 Jahren datiert. Der 1000 Jahre jüngere Fundort "Timmendorf-Nordmole", unmittelbar vor dem Hafen von Timmendorf auf der Insel Poel, erwies sich für Lübkes Team als besonders ergiebig: Die Wissenschaftler stießen dort auf Fischzäune, Fischspeere, einen Langbogen, weitere Holzwerkzeuge sowie Zehntausende Fischgräten und andere Tierknochen. Erstmals in Norddeutschland wurden auch Überreste von Booten aus dieser Zeit entdeckt; die Fischer von Poel fuhren damals offenbar mit schnittigen Einbäumen zum Fang hinaus. Fragmente von Schmuck und Scherben von Keramikgefäßen runden die bisherige Ausbeute ab.
Alle diese Stücke, so Lübke, lassen den Schluss zu, dass Timmendorf-Nordmole einmal eine Küstensiedlung war, deren Bewohner sich vorwiegend vom Fischfang ernährten. Darin unterschied sich ihr Alltag deutlich von jenem der Menschen, die in den bislang in Ostholstein bekannten Siedlungen jener Zeit wohnten, "wo die Nutzung mariner Ressourcen", so Lübke, "einen untergeordneten Stellenwert hatte".
Bei Poel existierte vor knapp 6000 Jahren eine Gesellschaft mit einem stabilen ökonomischen Fundament. Flaches Wasser, großer Fischreichtum - hier ließ es sich gut leben. So gut, dass die Bewohner von Poel den im mitteleuropäischen Binnenland längst etablierten bäuerlichen Anbau als Existenzgrundlage nicht annehmen mussten. Vielmehr blieben sie noch länger als tausend Jahre ihrer Jäger-und-Sammler-Kultur treu. Und das, obwohl sie durchaus Kontakt und Austausch mit den fortschrittlicheren Kulturen pflegten; auch dies belegen Funde.
Den Untergang ihres Schlaraffenlandes konnten die Steinzeitmenschen von Timmendorf freilich nicht aufhalten. Innerhalb weniger Generationen waren zuvor besiedelte Landstriche durch den Meeresspiegelanstieg dauerhaft überflutet; "sie sind", sagt Lübke, "schlichtweg ertrunken!"