Der römische Kaiser Nero pflegte seine Welt durch ein Monokel aus einem geschliffenen Smaragd zu betrachten - fasziniert von diesem Edelstein als Symbol für Ewigkeit und Macht. Diese Leidenschaft teilte er mit anderen gekrönten Häuptern Europas, indischen Mogulen und Azteken. Kein Wunder also, dass sich Legenden um den Smaragd ranken. So sollten vier berühmte Exemplare in der Schatzkammer der Nizam von Hyderabad, einer alten indischen Herrscherfamilie, aus der Zeit Alexanders des Großen stammen.
Weit gefehlt, besagen jetzt neue Forschungsergebnisse. Den Mythos entzaubert hat ein französisch-kolumbianisches Forscherteam unter Leitung von Gaston Giuliani vom Zentrum für petrographische und geochemische Forschung Vandoeuvre-lès-Nancy. Neben den indischen Smaragden hat es fünf weitere unter die Lupe genommen, angefangen von Teilen eines Ohrrings aus gallisch-römischer Zeit über einen Stein aus der Heiligen Krone Frankreichs von Ludwig IX. (13. Jahrhundert) bis hin zu einem Findling aus dem Wrack der spanischen Galleone Nuestra Señora de Atocha, die 1622 vor Florida gesunken ist.
Um den Geheimnissen der Kostbarkeiten auf die Spur zu kommen, bedienten sich die Wissenschaftler der Sauerstoff-Isotopen-Analyse. Dabei werden die Edelsteine zunächst mit einem Caesiumstrahl "bombardiert", der Sauerstoff-Ionen aus dem Kristallgitter der Steine verdampft und ein winzig kleines, für das bloße Auge nicht sichtbares Loch hinterlässt. Ansonsten bleiben die Smaragde aber unbehelligt.
Der anschließenden Untersuchung liegt zugrunde, dass Sauerstoffatome in zwei Isotopenformen vorkommen. Das mengenmäßige Verhältnis der beiden Isotope variiert je nach dem Ursprungsort der Steine; anhand der Ergebnisse lässt sich also bestimmen, aus welcher Mine ein Smaragd stammt.
Cleopatras Mine in Ägypten und eine von den Kelten ausgebeutete Mine in den österreichischen Alpen galten bis ins 16. Jahrhundert als einzige Quellen für hochwertige Smaragde. Tatsächlich stammt etwa der Stein in der Heiligen Krone aus der Habachtal-Mine in Österreich. Der gallisch-römische Stein hingegen kann nur in Pakistan gefunden worden sein, erklären die Wissenschaftler.
Pakistan war bislang nicht auf der Landkarte der Edelstein-Minen verzeichnet. Darin müssen die Experten jetzt auch Afghanistan einzeichnen, denn von dort kommt einer der Smaragde aus dem Hyderabad-Schatz. Beide Staaten liegen an der ehemaligen Seidenstraße, "und es könnte gut sein, dass die Steine gesammelt wurden, als Händler durchzogen, die ihre Beute dann nach Rom, Frankreich oder sonstwohin brachten", spekuliert Giuliani.
Die restlichen drei Hyderabad-Steine indes stammen aus drei verschiedenen Minen in Kolumbien, und auch jener der gesunkenen Nuestra Señora de Atocha, ist eindeutig kolumbianischer Herkunft. Das zeige, so Giuliana, wie schnell die Spanier den Handel aus der neuen in die alte Welt vorangetrieben und sich vor allem im Nahen und Mittleren Osten nach kaufkräftigen Sultanen und Maharadschas umgesehen haben.