Als sie die Überreste der Lehmbauten am Rande der Dünen entdeckten, ahnten die Wissenschaftler noch nicht, welche Rarität sich ihnen offenbaren würde. Erst drei Wochen später brachten die Ausgrabungen es ans Licht: ein rund 1000 Jahre altes Wohnhaus aus der westafrikanischen Eisenzeit - konserviert im Wüstensand.
"Die Strukturen und das Inventar sind so gut erhalten, dass wir die unterschiedlichen Aktivitätszonen innerhalb des Hauses rekonstruieren können - eine äußerst seltene Gelegenheit. Denn normalerweise finden wir in Westafrika nicht so viele Indizien auf so kleinem Raum", berichtet Maya Hallier, Archäologin an der Universität Frankfurt, die zusammen mit ihrem Kollegen Lucas Petit die Ausgrabungen leitet.
Im Rahmen eines fachübergreifenden Forschungsprojektes suchen Wissenschaftler aus Deutschland und Burkina Faso seit 1994 im Nordosten des Landes nach Spuren früherer Besiedlung.Dabei stießen sie in der Sahel-Provinz Oudalan unter anderem auf über acht Meter hohe, eisenzeitliche Siedlungshügel. Diese befinden sich, dem heutigen Siedlungsmuster entsprechend, überwiegend auf Dünen und in der Nähe von Flüssen oder abflusslosen Senken - nicht mehr als Rufweite voneinander entfernt.
"Auf einer jener Kuppen, im Bereich des Dorfes Oursi, fanden wir die Lehmstrukturen eines Wohngebäudes, das eine Fläche von etwa 255 Quadratmeter bedeckt", so Petit.
Ein Fünftel des Komplexes hat das Team bereits freigelegt. Danach besteht das Haus sowohl aus runden wie aus eckigen Räumen. Die sie umgebenden Mauern wurden aus Lehmziegeln errichtet, auf deren halbrunden Oberflächen Fingerabdrücke zu sehen sind; die Ziegel wurden wohl einzeln mit der Hand geformt.
Markant, so die Archäologen, seien aber vor allem die ein bis zwei quadratischen Mittelsäulen im Zentrum jedes Raumes - Stützen für die Decke. Diese Konstruktion sei für die Eisenzeit in dieser Region einzigartig. Bei den Bewohnern habe es sich vermutlich um höher gestellte Mitglieder einer Gesellschaft gehandelt, die vielleicht Beziehungen zum nahe gelegenen und damals mächtigsten Königreich Westafrikas, Kawkaw, pflegten.
Darauf lasse auch das kostbare und vielfältige Inventar des Hauses schließen. So fanden die Wissenschaftler in einem Raum zahlreiche Vorratsgefäße sowie zwei große Speicher mit Hirse und Früchten in verkohltem, aber gut erhaltenem Zustand. In einem anderen Zimmer - vermutlich der Küche - befanden sich Mahlsteine und Keramikgefäße. Aber auch Pfeil- und Lanzenspitzen aus Eisen, eine Glocke aus einer Kupferlegierung und Perlen ließen die Bewohner im Haus zurück.
Wie blieben die zahlreichen Funde so konzentriert über eine so lange Zeit erhalten? Maya Hallier und Lucas Petit haben auch dafür eine Erklärung: "Ein Feuer ließ das Gebäude einstürzen und konservierte alles so, wie es die Bewohner verlassen hatten." Davon zeugen jedenfalls verbrannte Mauern und große Mengen Holzkohle der Dachkonstruktion.