1945
7. Mai.
Im Hauptquartier der US-Streitkräfte im französischen Reims unterzeichnet Generaloberst Alfred Jodl die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte, die am Tag darauf um 23.01 Uhr in Kraft tritt. Auf Forderung des Sowjetdiktators Josef Stalin wird die Zeremonie am 9. Mai im deutschen Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst wiederholt. Damit ist der Zweite Weltkrieg in Europa offiziell beendet. An den Kämpfen sind weltweit 61 Staaten und mehr als 110 Millionen Soldaten beteiligt. 55 Millionen Menschen sterben, darunter 27 Millionen Sowjetbürger und mehr als sechs Millionen Deutsche. Elf Millionen Wehrmachtssoldaten sind in Gefangenschaft geraten.
5. Juni.
Die vier Siegermächte - USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich - übernehmen die Regierungsgewalt in Deutschland. In den folgenden Wochen teilen sie das Land in vier Besatzungszonen; die Gebiete östlich der Flüsse Oder und Neiße gehen an Polen und die Sowjetunion. Die höchste politische Instanz ist nun der Alliierte Kontrollrat der vier Oberbefehlshaber. Ihre Zusammenarbeit ist aber schwierig: Da die Ratsbeschlüsse einstimmig sein müssen, nutzen die Franzosen und Sowjetvertreter ihr Veto-Recht, um Deutschland dauerhaft zu teilen. Stalin will damit seinen Einfluss in Europa festigen, Frankreich mit den Rohstoffen seiner Besatzungszone die eigene Wirtschaft stabilisieren. Berlin liegt im sowjetischen Machtbereich und wird ebenfalls viergeteilt, wobei der Sektor der UdSSR knapp die Hälfte des Gebiets und rund 37 Prozent der Bevölkerung umfasst. Die Verwaltung der Stadt übernimmt die Alliierte Kommandantur.
9. Juni. Moskau gründet in Berlin- Karlshorst die Sowjetische Militäradministration in Deutschland. Offiziell hat die SMAD drei Aufgaben: die Erfüllung der Kapitulationsbedingungen zu überwachen, die alliierten Beschlüsse umzusetzen und die Sowjetische Besatzungszone zu verwalten. Tatsächlich aber ist sie der verlängerte Arm Moskaus. Ihre 50.000 Mitarbeiter kontrollieren bald das gesamte öffentliche Leben in Ostdeutschland.
10. Juni. Die SMAD erlaubt in der SBZ die Bildung antifaschistischdemokratischer Parteien und freier Gewerkschaften. In den folgenden Tagen gründen sich in Berlin KPD, SPD, CDU und die Liberal- Demokratische Partei Deutschlands. Der demokratische Wiederaufbau täuscht aber: Die sowjetischen Besatzer benutzen die von Walter Ulbricht angeführte KPD, um alle wichtigen Ämter mit Parteigängern zu besetzen. Im Juli initiieren sie eine kommunistisch dominierte Einheitsfront der antifaschistisch- demokratischen Parteien und schaffen damit faktisch ein Einparteiensystem. Ab August gestatten dann auch die Westalliierten Parteien auf regionaler und zonaler Ebene.
17. Juli. In Potsdam treffen sich Josef Stalin, US-Präsident Harry Truman und der britische Premier Winston Churchill (der später durch seinen Nachfolger Clement Attlee abgelöst wird) zu Beratungen über eine gemeinsame Deutschlandpolitik. Die Staatschefs beschließen die Entnazifizierung, Demilitarisierung und Demokratisierung des besetzten Landes. Zudem einigen sie sich auf die Aussiedlung deutscher Staatsbürger aus der Tschechoslowakei, Ungarn und Polen. Die Oder-Neiße- Linie soll die neue Ostgrenze Deutschlands werden.
28. Juli. In Potsdam fordern die USA und Großbritannien in einer gemeinsamen Erklärung Japan zur Kapitulation auf. Premier Suzuki Kantaro weist dies zurück. Am 8. August tritt die UdSSR an der Seite der Alliierten in den Krieg ein. Nachdem die USA am 6. und 9. August zwei Atombomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen haben, gibt Kaiser Hirohito die Kapitulation seines Landes bekannt. Nun sieht sich Stalin von Washingtons militärischer Dominanz bedroht: Bald stehen alle Verhandlungen über die alliierte Deutschlandpolitik im Schatten eines möglichen Atomkrieges.
19. September. In ihrer Zone gründen die US-Besatzer die Bundesländer Groß- Hessen, Württemberg- Baden und Bayern. Wichtige politische Ämter besetzen sie mit Gegnern des NS-Regimes. Das alltägliche Leben regeln aber nach wie vor lokale US-Militärregierungen. Sie überwachen die Versorgung mit Lebensmitteln, Strom oder Wasser. Die Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone bilden bald einen zonenübergreifenden Länderrat. Als die Länder, Landkreise und Gemeinden ihr Selbstverwaltungsrecht zurückerhalten, finden Landtags- und Kommunalwahlen statt - es sind die ersten freien Abstimmungen seit 1933.
Herbst. Die SMAD erzwingt eine Bodenreform in der SBZ. Grundbesitz über 100 Hektar wird entschädigungslos konfisziert und an Landarbeiter, mittellose Bauern und Vertriebene verteilt. Ein Drittel der Äcker behält die SMAD selber ein. Es ist die erste von mehreren Enteignungswellen: In den nächsten vier Jahren werden gut 3,3 Millionen Hektar Land sowie zahllose Betriebe, Banken und Versicherungen verstaatlicht. Die Bedingungen in der Ostzone werden durch die desolate Versorgung immer schlechter. Bald flüchten täglich mehr als 1000 Menschen in den Westen.
20. November. In Nürnberg beginnt ein internationales Militärtribunal gegen NS-Kriegsverbrecher. Zum ersten Mal in der Geschichte werden Regierungsmitglieder eines Landes aufgrund ihrer Verbrechen gegen das Völkerrecht zur Rechenschaft gezogen. Zu den ursprünglich 24 Angeklagten zählen neben Angehörigen der einstigen Staatsführung (wie dem Hitler-Stellvertreter Hermann Göring) Teile der Wirtschaftselite, etwa der Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Nach 218 Verhandlungstagen ergehen zwölf Todesurteile. Bis 1949 finden zwölf weitere Prozesse statt. Gegen insgesamt 199 NS-Größen werden 115 Haftund 36 Todesstrafen verhängt.
1946
12. Januar. Der Alliierte Kontrollrat ordnet die Entfernung aller Nationalsozialisten, die der Partei aktiv und nicht nur nominell angehörten, aus öffentlichen Ämtern und anderen wichtigen Positionen an. In der US-Zone müssen nun alle Erwachsenen detaillierte Fragebögen über ihre Verstrickung in das NS-Regime beantworten. Bis März erhalten die Behörden fast 1,4 Millionen Papiere zurück, woraufhin 300.000 Personen aus dem öffentlichen Dienst entlassen und fast 120.000 Menschen in Lagern interniert werden. Im Frühjahr 1948 beenden die Amerikaner ihre Entnazifizierungskampagne: Sie benötigen die Deutschen jetzt als Bündnispartner im Kalten Krieg.
26. März. Der Alliierte Kontrollrat gibt mehr als 1000 Betriebe als Kriegsentschädigung zur Demontage frei. Die UdSSR und Frankreich schaffen schon länger unkontrolliert Fabrikanlagen und Maschinen aus ihren Zonen weg.
21. April. Unter Druck der sowjetischen Militärverwaltung schließen sich SPD und KPD in der Ostzone zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zusammen. Obwohl alle wichtigen Posten paritätisch besetzt werden sollen, ergreifen die Kommunisten bald die Macht in der neuen Partei.
22. Oktober. In einer Geheimaktion schafft die Rote Armee mehr als 2000 Waggons mit Maschinen und Waffenteilen in die UdSSR: als Kriegsentschädigung. Insgesamt demontiert Moskau bis 1953 2200 Fabriken - rund ein Drittel der industriellen Kapazitäten der SBZ.
1947
1. Januar. US- und britische Zone verschmelzen zu einem Wirtschafts- und Verwaltungsgebiet, der Bizone. Fünf zentrale Ämter übernehmen die Verwaltung. Ziel der Fusion ist die Schaffung eines wirtschaftlich selbstständigen Gebiets und eine bessere Versorgungslage der Bevölkerung. Doch eigentlich gründen die Amerikaner die Bizone als Vorläufer eines westdeutschen Staates.
12. März. In einer Rede macht Präsident Truman eine neue Doktrin der US-Außenpolitik bekannt: Alle durch kommunistische Bewegungen und Staaten bedrohten Länder sollen wirtschaftliche, finanzielle und militärische Hilfe erhalten. Dies zementiert die Fronten des Kalten Krieges.
Frühjahr. Die Versorgungslage in Deutschland ist katastrophal: Schnee und Eis haben die Wege unpassierbar gemacht. Der Kohlennachschub bleibt aus, viele Fabriken müssen schließen, überall fehlt es an Heizmaterial. Da die alliierten Getreideladungen nicht ausgeliefert werden können und die deutsche Landwirtschaft durch Krieg und Verlust von Nutzflächen am Boden liegt, sind bald die letzten Vorräte aufgebracht. Es beginnt das schlimmste Hungerjahr der Nachkriegszeit.
5. Juni. US-Außenminister George C. Marshall verkündet ein Europäisches Wiederaufbauprogramm. Um zu verhindern, dass sich die westlichen Demokratien aus Armut und Hunger dem Kommunismus zuwenden, bieten die USA allen Staaten in Europa Rohstoff-, Warenoder Lebensmittellieferungen an. 16 europäische Staaten erhalten Hilfe durch den "Marshall-Plan", dessen Volumen 14 Milliarden Dollar beträgt. Westdeutschland erhält davon rund zehn Prozent. Mit dem Programm festigen die USA ihren Einfluss in Europa, erschließen neue Absatzmärkte und integrieren Westdeutschland in das westliche Wirtschaftssystem sowie die europäische Staatenwelt.
25. Juni. Als eine Art Parlament der Bizone konstituiert sich in Frankfurt am Main ein Wirtschaftsrat, der sich vorwiegend um ökonomische Fragen kümmert. Die acht Landtage der Bizone entsenden in dieses Gremium 52 Abgeordnete (ab Februar 1948 dann 104).
15. November.
Um Deutschland zu schwächen und das besetzte, kohlereiche Saarland wirtschaftlich enger an sich zu binden, führt Frankreich hier den Franc als Währung ein. Ein Jahr später erhalten die Saarländer sogar eine eigene Staatsbürgerschaft ("Saarois") und eine eigene Verfassung und Regierung als französisches Protektorat.
15. Dezember. In London scheitert der letzte Versuch der Alliierten, eine gemeinsame Lösung der Deutschlandfrage zu finden: Paris und Moskau stimmen gegen den Vorschlag der Briten und Amerikaner, eine zentrale Verwaltung für alle Besatzungszonen einzurichten. Stattdessen fordert die UdSSR die Auflösung der Bizone, zehn Milliarden Dollar Reparationszahlungen aus Gesamtdeutschland und eine Mitbestimmung über das Ruhrgebiet. Das lehnen die Westmächte ab. Washington und London konkretisieren nun ihre Pläne für einen westdeutschen Staat und beschließen die Einsetzung einer Übergangsregierung in der Bizone, die später zur Trizone erweitert werden soll. Dem stimmt jetzt auch Frankreich zu, weil es dringend Kredite aus dem Marshall- Plan benötigt.
Winter.Erneut droht in Deutschland eine Hungerkatastrophe. Die Behörden der Bizone haben zu wenig Personal und zu geringe Entscheidungskompetenzen, um effizient arbeiten zu können. Weder die Industrieproduktion noch die Lebensmittelversorgung stabilisieren sich; stattdessen sinkt die Produktionsrate weiter.
1948
9. Februar. In der Bizone wird als neues Gremium ein Länderrat installiert. Er hat ein Vetorecht gegen die Beschlüsse des Wirtschaftsrates und kann zugleich eigene Gesetzesinitiativen starten. Vorsitzender der im Vorjahr von den Alliierten beschlossenen Übergangsregierung wird der Kölner Oberbürgermeister Hermann Pünder. Wenig später ist mit der Gründung des Deutschen Obergerichts und der Bank Deutscher Länder die politische Struktur der zukünftigen Bundesrepublik vorgebildet.
2. März. In der Bizone wird der parteilose Ludwig Erhard Direktor der Wirtschaftsverwaltung. Ab dem 20. Juni hebt Erhard die Rationierung einzelner Güter, wie etwa Kartoffeln, auf und löst die Preisbindung vieler Waren (Mieten und Grundnahrungsmittel behalten zunächst ihren staatlich kontrollierten Festpreis). Die Folgen sind chaotisch: Da viele Produkte schnell ausverkauft sind, steigen ihre Preise dramatisch an. Alliierte und Gewerkschaften fordern erneut Regulierungen. Das kann die Regierung mit direkter Unterstützung der Wirtschaftsverbände verhindern. Staatliche Lenkungspolitik lehnt Erhard ab: Die freie Preisbildung ist für ihn das wichtigste Element der neuen Marktwirtschaft.
20. März. Aus Protest gegen den sich abzeichnenden neuen westdeutschen Staat verlässt der sowjetische Vertreter den Alliierten Kontrollrat. Damit endet die gemeinsame Verwaltung Deutschlands durch die Siegermächte.
20. Juni. Um den Wertverfall der Reichsmark zu stoppen und eine stabile Währung zu schaffen, führen die USA in den Westzonen die Deutsche Mark ein. Jeder Deutsche erhält 40 DM (später weitere 20 DM). Reichsmarknoten und Bankguthaben bis zu einer Höhe von 5000 RM werden im Verhältnis 10:1 umgetauscht. Drei Tage später ordnet die SMAD im Osten eine Währungsreform an. Das bedeutet die endgültige Teilung des deutschen Wirtschaftsgebietes.
24. Juni. Als die Alliierten die D-Mark auch in ihren Berliner Sektoren einführen, lässt Sowjetdiktator Stalin alle in den Westteil der Stadt führenden Straßen, Gleise und ein paar Tage später auch Kanäle absperren. Zudem kappt er die Strom- und Gasversorgung sowie die Abwasserentsorgung. Daraufhin richten Amerikaner und Briten eine Luftbrücke ein: Fortan versorgen Militärflugzeuge die mehr als zwei Millionen Berliner mit Lebensmitteln und anderen Gütern. An manchen Tagen landet fast alle zwei Minuten eine Maschine.
1. Juli. In Frankfurt erteilen die alliierten Militärgouverneure den Ministerpräsidenten der westdeutschen Bundesländer den Auftrag zur Gründung eines neuen Staates. Dessen Verfassung soll ein Parlamentarischer Rat aus Mitgliedern der Landtage erarbeiten. Im September berät der Parlamentarische Rat zum ersten Mal über den Entwurf eines Grundgesetzes. Präsident des Gremiums wird Konrad Adenauer, der CDUVorsitzende in der britischen Zone.
1949
19. März. In der SBZ beschließt der Deutsche Volksrat (ein von Moskau initiiertes Scheinparlament, in dem die SED eine Stimmenmehrheit hat) die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Über ihre Annahme hat der 3. Deutsche Volkskongress zu entscheiden, den die Bürger Mitte Mai wählen sollen. Zur Wahl steht allerdings nur eine Einheitsliste mit gemeinsamen Kandidaten von Parteien und Massenorganisationen. Mit 61,1 Prozent aller Stimmen werden ihre Kandidaten bestätigt - viel weniger als von der SED erwartet (und erst nach einer zweiten Stimmauszählung, die alle ungültigen oder nicht ausgefüllten Wahlzettel als Zustimmung wertet).
4. April. In Washington gründen zwölf westliche Staaten das Verteidigungsbündnis North Atlantic Treaty Organization. Jeder Angriff auf einen Bündnispartner wird in Zukunft von der Gemeinschaft geschlossen bekämpft. Westdeutschland tritt dem Nordatlantik- Pakt erst am 9. Mai 1955 nach seiner Remilitarisierung bei.
8. Mai. Mit großer Mehrheit stimmt der Parlamentarische Rat für den Entwurf des Grundgesetzes und legt Bonn als zukünftige Hauptstadt fest. Die neue Verfassung verpflichtet alle Parteien auf die Demokratie und sichert jedem Bürger Grundrechte zu. Eine Präambel benennt die Wiedervereinigung als politisches Ziel. Noch nie hatte Deutschland eine so freiheitliche Verfassung. Angesichts des Scheiterns der Weimarer Republik und der NS-Zeit sieht das Grundgesetz keine Notverordnungen vor. Vier Tage später akzeptieren die westlichen Militärgouverneure das Dokument und veröffentlichen ein Besatzungsstatut, das mit der Bildung der Bundesregierung in Kraft tritt. Denn trotz aller Eigenständigkeit des zukünftigen deutschen Staates wollen die Alliierten immer noch selbst über dessen Außenpolitik, seinen Außenhandel sowie über alle militärischen Belange entscheiden. Auch die vom Parlament beschlossenen Gesetze benötigen ihre Genehmigung.
12. Mai. Da Stalin weder die alliierte Luftbrücke noch einen westdeutschen Teilstaat verhindern kann, beendet er die Berlin-Blockade.
23. Mai. Nachdem auch die westdeutschen Länder dem Grundgesetz zugestimmt haben (nur Bayern lehnt es als zu zentralistisch ab, spricht sich aber für eine Zugehörigkeit zum deutschen Staat aus), wird die neue Verfassung vor dem Parlamentarischen Rat feierlich verkündet. Damit ist die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Noch im Sommer soll es eine Bundestagswahl geben.
Juni. Im Wahlkampf wird vor allem um das zukünftige Wirtschaftssystem der Bundesrepublik gestritten. Die SPD will die Planwirtschaft einführen, während die CDU an der sozialen Marktwirtschaft festhält.
14. August. Sieger der Bundestagswahl ist die Union aus CDU und bayerischer CSU (31 Prozent) vor der SPD (29,2 Prozent). Obgleich viele CDUPolitiker eine große Koalition fordern, setzt Konrad Adenauer ein Bündnis mit der FDP (11,9 Prozent) und der Deutschen Partei (vier Prozent) durch. Am 7. September tritt der Bundestag zum ersten Mal zusammen. Zum Bundespräsidenten wird der FDP-Politiker Theodor Heuss gewählt, mit nur einer Stimme Mehrheit gewinnt Adenauer die Wahl zum Bundeskanzler.
20. September. In seiner ersten Regierungserklärung nennt Adenauer Schwerpunkte der zukünftigen Bundespolitik: Die neue Republik soll als einziger legitimer deutscher Staat möglichst schnell in die westliche Staatengemeinschaft integriert werden.
7. Oktober. Nach einem von Moskau abgesegneten Plan beruft der Ostberliner Volkskongress die Provisorische Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik. Dieses vorläufige Parlament setzt einen maßgeblich von der SED ausgearbeiteten Verfassungsentwurf in Kraft. Damit ist nun auch die DDR gegründet. Erster Staatspräsident wird der Kommunist Wilhelm Pieck. In der neuen Regierung unter Ministerpräsident Otto Grotewohl erhält die SED sechs von 14 Fachressorts, darunter die besonders wichtigen für Inneres, Justiz und Wirtschaftsplanung.
1950
31. März. Das Bundeskabinett beschließt die Aufhebung der Rationierung. Damit endet das System der Lebensmittelkarten und Bezugsscheine, mit denen die Menschen seit dem Krieg entsprechend ihrem Alter und Beruf eine bestimmte Menge Nahrungsmittel, Kleidung und Kohle zugeteilt bekamen.
25. Juni. Im geteilten Korea marschieren Truppen des kommunistischen Nordens in den Süden ein. Daraufhin entsendet die Uno eine internationale Streitmacht unter Führung der USA nach Korea; der Konflikt entwickelt sich zu einem Stellungskrieg. Die westdeutsche Wirtschaft profitiert vom Krieg in Fernost: Die weltweiten Rüstungsinvestitionen vermehren die Nachfrage nach deutschen Produkten. Der steigende Export fördert das rapide gesamtwirtschaftliche Wachstum - es kommt zum "Wirtschaftswunder". Das Bruttosozialprodukt steigt bald jährlich um 8,5 Prozent, die Industrieleistung verdoppelt sich fast. 1955 herrscht nahezu Vollbeschäftigung.
5. Oktober. Um eine sowjetische Expansion in Europa zu verhindern, fordern die USA gegen den Willen Frankreichs eine Wiederbewaffnung Deutschlands. Adenauer plant daraufhin mit ehemaligen Wehrmachtsoffizieren den Aufbau einer deutschen Armee. Im Parlament ist das Vorgehen umstritten: Die Opposition sieht die Remilitarisierung als Gefahr für die Wiedervereinigung. Und auch in der Bevölkerung wächst der Unmut. Aus Angst vor einem neuerlichen Krieg schließen sich viele Menschen der entstehenden Friedensbewegung an.
1951
18. April. Auf Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman gründen Frankreich, Italien, Deutschland und die Beneluxstaaten die "Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl". Die Vereinheitlichung der Zoll-, Preis- und Kartellpolitik führt zu einem gemeinsamen europäischen Markt im Montanbereich, der von Gremien mit übernationalen Vollmachten geleitet wird. Als Haupterzeuger von Rohstahl und wichtiger Kohlelieferant wird die Bundesrepublik nun fest in die europäische Wirtschaftspolitik integriert.
1952
10. März. Überraschend schlägt Stalin die Gründung eines neutralen gesamtdeutschen Staates vor. Die Westmächte vermuten eine Finte und antworten darauf mit der Forderung nach freien Wahlen; eine Bündnisfreiheit lehnen sie ab. In Westdeutschland kritisieren zahlreiche Medien sowie Politiker aus Regierung und Opposition diese von Adenauer unterstützte Entscheidung als vertane Chance auf eine baldige Wiedervereinigung.
26. Mai. Mit dem Deutschlandvertrag stellen die Westalliierten der Bundesrepublik die staatliche Souveränität in Aussicht. Wirksam wird der Vertrag allerdings erst mit dem Zustandekommen eines europäischen Militärbündnisses, dem auch Deutschland beitreten soll. Bis dahin wollen die Alliierten ihre Truppen im Land belassen.
27. Mai. Die Mitgliedsstaaten der Montanunion unterzeichnen einen Vertrag über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, an der sich die Bundesrepublik mit mehr als 140.000 Soldaten beteiligen soll. Doch die EVG kommt nicht zustande, weil die Pariser Nationalversammlung zwei Jahre später gegen das Militärbündnis stimmt: Frankreich lehnt es ab, seine Armee einem europäischen Oberkommando zu unterstellen. Damit ist auch der Deutschlandvertrag hinfällig, ebenso erhält Westdeutschland nicht seine Souveränität.
14. August. Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz zur Entschädigung deutscher Staatsbürger, die durch Krieg und Vertreibung Verluste erlitten haben. Dafür werden nach dem Vermögen bemessene Sondersteuern von durchschnittlich zehn Prozent erhoben.
10. September.
Im Luxemburger Abkommen verpflichtet sich die Bundesrepublik, Israel für die Eingliederung von 500.000 jüdischen Flüchtlingen sowie für Verluste jüdischen Vermögens in den vom NS-Regime besetzten Gebieten drei Milliarden D-Mark in Sachgütern zu zahlen. Das Abkommen findet im Bundestag nur eine knappe Mehrheit, zahlreiche Abgeordnete von CDU/ CSU enthalten sich oder bleiben der Abstimmung fern.
23. Oktober. Das Bundesverfassungsgericht verbietet die nationalsozialistisch ausgerichtete Sozialistische Reichspartei. Erstmals muss sich in Deutschland eine Partei auflösen, weil sie gegen das Grundgesetz verstößt.
1953
27. Februar. Mit dem Londoner Abkommen verpflichtet sich die Bundesregierung gegenüber den drei Westmächten und 17 weiteren Staaten, die Vorkriegsschulden des Deutschen Reichs in Höhe von 13,5 Milliarden D-Mark zu übernehmen. Etwa die Hälfte des Betrags wird sofort erlassen und die jährliche Tilgungsrate auf 576 Millionen D-Mark festgelegt (später 765 Millionen D-Mark). Gleichzeitig kündigt Bonn die Entschädigung ausländischer NSOpfer an.
17. Juni. Von Ostberlin aus weiten sich Streiks und Proteste von Bauarbeitern gegen erhöhte Arbeitsnormen zu einem DDR-weiten Protest aus. Sowjetische Truppen schlagen den Aufstand nieder. Rund 50 Menschen sterben, mehr als 10.000 werden in den folgenden Tagen verhaftet.
6. September. Noch unter dem Eindruck der Niederschlagung des DDRVolksaufstands findet die zweite Bundestagswahl statt. Sieger wird die CDU/CSU (45,2 Prozent), vor SPD (28,8 Prozent) und FDP (9,5 Prozent). Diese Bestätigung der Regierungspolitik zeigt eine zunehmende Angst der Menschen vor dem Kommunismus; der Wunsch einer Integration in den demokratischen Westen überwiegt nun den nach der Wiedervereinigung. Zugleich etabliert sich mit dem Wahlergebnis ein Dreiparteiensystem, da zahlreiche bürgerliche Splitterparteien in der Union aufgehen.
1954
4. Juli. Durch einen Sieg über das ungarische Team wird die deutsche Nationalmannschaft in Bern zum ersten Mal Fußballweltmeister. Millionen verfolgen die Partie in der Heimat an Radios und TV-Geräten.
1955
27. Februar. Das Parlament ratifiziert die Pariser Verträge, die der Bundesrepublik ihre Souveränität garantieren. Alliierte Vorbehaltsrechte bleiben aber bis 1991 erhalten. Das Besatzungsstatut wird aufgehoben, und Deutschland erhält eine offizielle Einladung zum Beitritt in die NATO. Die Wiederbewaffnung der BRD soll das Kontrollamt der neu gegründeten Westeuropäischen Union überwachen. Den Status des vorerst autonomen Saarlandes wird ein Volksentscheid klären.
9. Mai. Mit dem Beitritt zur NATO beginnt der Aufbau der Bundeswehr. Die Truppenstärke dieser Freiwilligenarmee soll 500.000 Mann nicht überschreiten. Im November erhalten Offiziere und Feldwebel ihre Ernennungsurkunde, die ersten Soldaten folgen zu Beginn des neuen Jahres. Parallel dazu unterzeichnet die DDR am 14. Mai den Warschauer Vertrag, der unter der Federführung Moskaus die Außenund Verteidigungspolitik von acht kommunistischen Blockstaaten vereinheitlicht. Damit ist die deutsche Teilung endgültig besiegelt.
9.–13. September. Konrad Adenauer erwirkt in Moskau die Freilassung der letzten Kriegsgefangenen; es handelt sich um mehr als 9600 Soldaten und 20.000 Zivilisten. Als Gegenleistung nimmt die Bundesregierung diplomatische Beziehungen zur UdSSR auf. Das widerspricht jedoch dem Bonner Grundsatz, keine offiziellen Kontakte mit Staaten zu pflegen, welche die DDR anerkennen. Der Vertrag mit Moskau ist also eine indirekte Bestätigung der DDR durch die Bundesrepublik und schwächt deren Anspruch, der einzige legitime deutsche Staat zu sein.
27. Oktober. Erstmals seit 1945 beraten die Staats- und Regierungschefs der Siegermächte über die Deutschlandfrage. Die einstigen Alliierten haben sich mit der Existenz zweier deutscher Staaten arrangiert. Dieser unausgesprochene Konsens führt zu einer politischen Entspannung. Mit den Entscheidungen des Jahres 1955 endet die Nachkriegszeit in Westdeutschland. Zehn Jahre nach Kriegsende sind die Fundamente der Bundesrepublik - ihrer inneren Verfassung sowie der außenpolitischen Beziehungen - festgelegt. Der junge Staat ist eine liberale Demokratie nach westlichem Muster, Teil des kapitalistischen Weltmarktes, ein enger Alliierter der Franzosen und darüber hinaus in das europäische Bündnissystem der USA eingebunden.