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"Das Baltikum hat sich unglaublich verändert"

Mit der neuesten Ausgabe über das gewandelte Baltikum wird GEO Special auch einen neuen Internetauftritt präsentieren - mit vielen Geschichten hinter den Geschichten. Nina Freydag, Redakteurin der Baltikum-Ausgabe, gibt in diesem Interview einen kleinen Vorgeschmack

GEO Special: Am 1. August erscheint das Baltikum-Heft...

Nina Freydag: ...für das wir bereits vor einem Jahr mit den Vorbereitungen begonnen haben. Ich selbst war 1992 zum ersten Mal mit einem Hilfstransport dort, unmittelbar nachdem sich Estland, Lettland und Litauen von der Sowjetunion gelöst hatten. Damals war alles grau, mittlerweile sieht es anders aus. Das neue Baltikum ist bunter und unglaublich verändert! Was mich sehr gewundert hat: Noch immer gibt es kaum Literatur darüber. In meinem Koffer hatte ich zwei Dutzend Bücher, und damit fast alles, was über die Länder geschrieben worden ist. Das Baltikum wurde so wenig thematisiert, so wenig fotografiert. Dieses Heft war einfach ein Muss.

Nina Freydag auf Recherche im Baltikum
Nina Freydag auf Recherche im Baltikum
© Irina Ruppert
Nina Freydag, Redakteurin der Baltikum-Ausgabe
Nina Freydag, Redakteurin der Baltikum-Ausgabe
© Nina Freydag

Was fasziniert Sie an den drei Ländern?

Nina Freydag: Ihre Widersprüchlichkeit. Einerseits gibt es dort nämlich Menschen, die noch immer wie vor Jahrhunderten von Pilzen und Beeren leben. Auf der anderen Seite ist Tallinn die modernste Stadt Europas: Ihre Einwohner wählen die Regierung per Internet und zahlen Bustickets mit dem Handy. Nebenan leben Braunbären, Wölfe und Elche, die man beim Baden beobachten kann. Die lettischen Bauern fahren noch mit Pferdewagen, und gleichzeitig boomen die Städte. Was für ein Kaufrausch! Die Wirtschaft wächst beeindruckend schnell. Aber was mich besonders fasziniert hat, ist die Stille. Diese altmodische Stille, die über der Landschaft liegt. Und es sind die Strände. Endlose, einsame Strände. 1400 Kilometer Küstenlinie, auf der ich fast keinen Menschen getroffen habe. Das war für mich das Schönste.

Was sollte man über das Baltikum wissen, bevor man losfährt?

Nina Freydag: Man sollte verstehen, wie unterschiedlich die drei Länder sind. Wir nehmen sie von Deutschland aus als Einheit war und packen sie ja auch in ein Heft. Aber die Esten, Letten und Litauer sind schon von ihren Sprachen her sehr verschieden, und vor allem die Esten gehören historisch einem komplett anderen Kulturkreis an als ihre Nachbarn. Das Estnische verstehen Letten und Litauer so wenig wie wir Deutsche. Und auch sie, die beide baltischen Ursprungs sind, haben wenig miteinander am Hut. Vorurteile über die Nachbarn habe ich auf meiner Reise ständig gehört. Eine Lettin hielt alle Litauer für Hitzköpfe: "Mich wollte ein litauischer Verehrer heiraten", hat sie mir erzählt, "da wusste ich nicht einmal, wie er heißt!"

Ein Test im Heft verrät, in welche der drei Hauptstädte man reisen sollte. Sind die wirklich so unterschiedlich?

Nina Freydag: Tallin, Riga und Vilnius sind mindestens so unterschiedlich wie die Völker. Schon äußerlich. Tallinn wurde im Mittelalter von deutschen Handwerkern gebaut und erinnert an Lübeck. Ein wunderschönes, nordisches Licht liegt auf der Stadt. Dagegen dominiert in Riga, der größten Stadt des Baltikums, der Jugendstil. Sie wird oft "Paris des Nordens" genannt und ist sehr lebendig. Vilnius liegt im Gegensatz zu Tallinn und Riga nicht am Meer und wird nur von wenigen Urlaubern besucht. Was sehr schade ist: Die litauische Hauptstadt ist eine richtige Barockschönheit.

Und welche Stadt gefällt Ihnen am besten?

Nina Freydag: Tallinn. Ich schwärme für den Norden und deshalb auch für die kleinste der drei Städte. Sie ist sehr ruhig, aber ungemein sympathisch.

In Lettland sind Sie auf einen Ort gestoßen, der Sie ebenfalls bezaubert hat.

Nina Freydag: Das unbekannte Nida! Bisher kannte ich nur das berühmte Nida auf der Kurischen Nehrung. Wir Deutschen nennen es Nidden, es ist der beliebteste Urlaubsort in Litauen, eine Art baltisches Sylt. Schon Thomas Mann hat sich dort ein Ferienhaus gebaut. Aber als ich einem Wegweiser "Nida rechts abbiegen" folgte, landete ich ganz woanders: im lettischen Nida, wo nur noch sieben Häuser bewohnt sind. Das Dorf liegt mitten in einer wunderschönen Landschaft, märchenhaft einsam, mit einem Moor, einem Strand, einer Herde Wildpferde, und ich habe mich gefragt: Warum sind hier keine Touristen? Und warum haben sich die beiden Orte mit dem Namen Nida so unterschiedlich entwickelt? Darüber haben wir dann eine Reportage geschrieben.

Zum Erscheinungstermin des neuen Hefts wird sich auch der Internetauftritt der GEO Specials ändern?

Nina Freydag: Ja, im Internet wird man zum Beispiel lesen können, wem ich in Nida schließlich begegnet bin. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, wie das Netz eine sinnvolle Ergänzung zum gedruckten Heft sein kann. Uns hat zum Beispiel immer geärgert, dass für einige unserer Lieblingsfotos im Heft kein Platz mehr war. Die zeigen wir jetzt auf der neuen Plattform. Samt einer beeindruckend langen Linkliste, Reportagen zum Hören, den besten Autorenfotos und einem Wunschbarometer. Ab 1. August unter

www.geo-special.de/baltikum.

Das neue GEO Special erscheint zu einem besonderen Anlass: Genau 18 Jahre ist es her, dass sich eine Million Esten, Letten und Litauer auf die Straße stellten. Sie bildeten eine Kette, 620 Kilometer lang, von Tallinn im Norden über Riga bis hinunter nach Vilnius und forderten singend ihre Freiheit zurück. Zum Jubiläum reisten GEO Special-Reporter durch die drei Länder, die nun gewissermaßen volljährig werden.

Themen im Heft u.a.: Hauptstädte hoch drei: Tallinn, Riga, Vilnius +++ Schlafen beim Grafen: Die neuen Schlosshotels des Baltikums +++ Nida und Nida: Das doppelte Dörfchen +++ Selbstversorger: Die Rezepte der Waldmenschen von Dzūkija +++ Bernstein-Krimi: Vorsicht vor Betrügern +++ Die besten Fahrradtouren, die schönsten Kanustrecken.

Das GEO Special Baltikum umfasst 156 Seiten, kostet 7,80 Euro und ist ab 1. August 2007 im Zeitschriftenhandel erhältlich.

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